Berlin.

22 Jahre nach Abfassung dieser Dissertation hat die Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zunehmend unangenehme Probleme damit.
22 Jahre nach Abfassung dieser Dissertation hat die Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zunehmend unangenehme Probleme damit. © dpa

Sie schweigt. Die Selbst disziplin von Annette Schavan wird hart auf die Probe gestellt. Überrascht, ja schockiert wurde in der Bundesregierung die Nachricht aus Düsseldorf aufgenommen. Die Promotionskommission der Heinrich-Heine-Universität hatte empfohlen, ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels der Bildungsministerin zu eröffnen.

„Entweder handelt es sich um ein Plagiat oder nicht, dazwischen gibt es nichts“, erklärte ein Sprecher der Universität. Eine Rüge oder etwa eine Herabstufung von Schavans Note „magna cum laude“ auf „cum laude“ oder „rite“ ist nicht vorgesehen.

In der Regierung hatte man mit der Zuspitzung nicht mehr gerechnet, im Gegenteil. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gerät unter Druck, mitten im Wahljahr ihr Kabinett umzubilden. Merkel drängt ihre Ministerin nicht aus dem Amt. So lange Schavan die Nerven behält, ist jeder weitere Monat ein Zeitgewinn; insbesondere die wenigen Wochen bis zur Wahl in Niedersachsen am 20. Januar. Ein Neuanfang ist politisch nicht sinnvoll. Im September wird eine neue Regierung gewählt, der Bundestag tagt planmäßig zum letzten Mal am 28. Juni.

Man kann so gut wie nichts gestalten. Für eine Übergangszeit könnte Merkel das Ressort entweder selbst führen oder einem anderen Minister anvertrauen. Der einfachste Weg wäre es, dem parlamentarischen Staatssekretär Thomas Rachel (CDU) die Verantwortung zu übertragen. Der Faktor Zeit ist entscheidend. Keiner geht davon aus, dass die CDU-Ministerin zurücktritt, sollte der Fakultätsrat am 22. Januar 2013 das Verfahren einleiten. Der Schritt wäre allerdings dann unvermeidlich, wenn die Hochschule zum Ergebnis kommt, dass Schavan bei ihrer Doktorarbeit absichtlich getäuscht hat. Schon im Mai geriet sie unter Plagiatsverdacht.

Bei Silvana Koch-Mehrin und Karl-Theodor zu Guttenberg ging alles ungleich schneller, die politischen Konsequenzen wie die Reaktionen ihrer Hochschulen. Beim CSU-Mann und früheren Verteidigungsminister brauchte die Universität Bayreuth drei Monate. Zwei Monate benötigte die Hochschule Heidelberg, um der FDP-Politikerin den Titel abzuerkennen.

Schavans Fall ist komplizierter. Es liegt bereits ein Gutachten vor, das die Ministerin belastet, aber es ist gut möglich, dass der Fakultätsrat am 22. Januar ein Zweitgutachten einfordert, überdies Schavan und ihren früheren Doktorvater vorlädt. Darüber würden dann weitere Monate vergehen. Bei Guttenberg hatte Merkel erklärt, sie habe ihn als Minister bestellt, „nicht als wissenschaftlichen Assistenten“. So wie damals würde sie sich nicht mehr verhalten – obwohl ihre Wertschätzung für Schavan größer ist. Die Fallhöhe ist bei beiden Ministern hoch, beim CSU-Mann politisch – bei Schavan persönlich. Die Vorwürfe träfen sie „im Kern von dem, was mir wichtig ist“, sagt sie einmal.

Es kommt an der Heinrich-Heine-Universität immer mal wieder vor, dass sich der Promotionsausschuss eines Fachbereichs mit zweifelhaften Dissertationen befassen muss. Indes lassen sich in der bald 50-jährigen Geschichte der Hochschule die Fälle an einer Hand abzählen, in denen dem entscheidenden Fakultätsrat tatsächlich die Aberkennung eines Doktortitels empfohlen wurde. Im 19-köpfigen Gremium der Philosophischen Fakultät sind Professoren, Mitarbeiter und Studentenvertreter versammelt. Zu prüfen hätten sie die Dissertation aus dem Jahr 1980. Schavan studierte damals Erziehungswissenschaften, ihr Promotionsthema lautete „Person und Gewissen“. An 60 Textstellen ihrer 351 Seiten langen Arbeit soll die Ministerin unkorrekt zitiert haben.

Eine vernichtende Vorlage hat Dekan Bruno Bleckmann bereits vom Promotionsausschuss bekommen. Dessen Vorsitzender, der Judaistik-Professor Stefan Rohrbacher, hatte in einer Stellungnahme eine „leitende Täuschungsabsicht“ und das „charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise“ attestiert.