Selbst am Ende der zweistündigen Veranstaltung im Braunschweiger Pressehaus wollten die Jugendlichen noch mit den Politikern weiter diskutieren. Umweltminister und Spitzenkandidat der FDP, Stefan Birkner (rechts), beantwortet geduldig alle Fragen von Lukas Exner, Auszubildender bei der Tischlerei Budries. Redakteurin Cornelia Steiner (Mitte) moderierte die Veranstaltung.
Selbst am Ende der zweistündigen Veranstaltung im Braunschweiger Pressehaus wollten die Jugendlichen noch mit den Politikern weiter diskutieren. Umweltminister und Spitzenkandidat der FDP, Stefan Birkner (rechts), beantwortet geduldig alle Fragen von Lukas Exner, Auszubildender bei der Tischlerei Budries. Redakteurin Cornelia Steiner (Mitte) moderierte die Veranstaltung.

Es war eine der größten Pressekonferenzen, auf der sie jemals waren, bekannten die Spitzenkandidaten von FDP und der Linken unisono. Gestern stellten sich Stefan Birkner und Manfred Sohn auf Einladung unserer Zeitung zwei Stunden lang den Fragen von 90 Schülern und Auszubildenden. Hier eine Auswahl:

Michelle Monique Runge, Auszubildende bei der Öffentlichen Versicherung, diskutiert über soziale Gerechtigkeit.
Michelle Monique Runge, Auszubildende bei der Öffentlichen Versicherung, diskutiert über soziale Gerechtigkeit.

Henrik Eckert, Gymnasium Neue Oberschule in Braunschweig: In den letzten Wochen war viel über die geplante Fusion von Wolfsburg und dem Landkreis Helmstedt zu lesen. Welche Haltung haben Sie dazu? Welche Folgen hätte das für Niedersachsen?

Manfred Sohn von der Partei „Die Linke“ liefert sich mit Stefan Birkner einen Schlagabtausch über die Energiewende.
Manfred Sohn von der Partei „Die Linke“ liefert sich mit Stefan Birkner einen Schlagabtausch über die Energiewende.

Stefan Birkner: Angesichts des demografischen Wandels können Fusionen sinnvoll sein; viele Gebietskörperschaften sind nicht mehr so leistungsfähig wie sie es einmal waren. Doch der Zusammenschluss von Landkreisen und kreisfreien Städten muss freiwillig und von unten erfolgen. Darüber müssen die kommunalen Politiker entscheiden. Das Land sollte nicht per Gesetz vorschreiben, wer mit wem zusammengehen soll.

Birte Siedentop von der Neuen Oberschule stellt eine Frage zum Abitur nach 12 Jahren.
Birte Siedentop von der Neuen Oberschule stellt eine Frage zum Abitur nach 12 Jahren.

Manfred Sohn: In diesem Punkt liegen wir gar nicht so weit auseinander. Auch die Linke ist gegen Fusionen per Zwang. Außerdem dürfen sie nicht nur unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden: Das Zusammengehen von Großkreisen hat auch immer ein Stück Entdemokratisierung zur Folge. Wenn zwei Landkreise fusionieren, verschwindet ein Kreistag; damit entfernt sich die Demokratie von ihren Bürgern. Die untere Ebene muss eher gestärkt als geschwächt werden.

Joschka Bettermann, Neue Oberschule: Was sagen Sie zum Sicherheitspapier der Deutschen Fußball-Liga. Fühlen Sie sich noch sicher in den Stadien?

Birkner: Ich gehe mit meinem Sohn öfter zu Spielen ins Stadion in Hannover und habe kein ungutes Gefühl. Die Stadien nur noch mit Sitzplätzen auszustatten, wäre ein Stimmungskiller. Es ist aber wichtig, dass die Politik Druck auf die Vereine ausübt, damit noch mehr für die Sicherheit getan wird. Pyrotechnik abzufackeln, ist zum Beispiel völlig inakzeptabel. Wer andere in Gefahr bringt, muss dafür haftbar gemacht werden. Auch die Vereine sind in der Pflicht; mit Profifußball werden Millionenumsätze gemacht, da darf nicht alles auf die öffentliche Hand abgewälzt werden.

Sohn: Ich war früher häufiger in Braunschweig im Stadion und habe mich immer sicher gefühlt. Inzwischen komme ich kaum noch zum Fußballgucken, würde aber auch heute noch ein sicheres Gefühl im Stadion haben. Das Wegrasieren von Stehplätzen würde dazu führen, dass sich viele Fans eine Karte gar nicht mehr leisten können; das wäre eindeutig der falsche Weg. Außerdem sollte mehr Geld für Fanprojekte zur Verfügung gestellt werden.

Lenz Geißler, Neue Oberschule: Was sagen Sie zu der Situation in der Asse?

Birkner: Die Asse ist Ende der 1960er Jahre als Versuchsendlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle eröffnet worden, alle politischen Kräfte haben für die Missstände Verantwortung zu tragen. Das Bergwerk hätte niemals als Endlager genutzt werden dürfen, weil von Anfang an klar war, dass die Gefahr des Absaufens groß ist. Nun müssen wir die Folgen so gut es geht abmildern.

Untersuchungen haben ergeben, dass die Rückholung des Atommülls die sicherste Lösung ist. Deswegen hat der Landtag einmütig beschlossen, dass alles daran gesetzt werden muss, die Abfälle wieder herauszuholen. Die rechtlichen Schwierigkeiten sollen mit einer Lex Asse gelöst werden. Es bleiben aber noch die technischen Hürden; allein das Anbohren der ersten Einlagerungskammer hat sich schon als schwierig erwiesen. Es ist gut, dass die Asse-Begleitgruppe in dem ganzen Prozess für Transparenz sorgt, weil sie alle betroffenen Gruppen einbindet. Sie könnte als Vorbild für die Endlagersuche bundesweit dienen.

Sohn: Ich finde den Gedanken unerträglich, dass meine Enkel und Urenkel einmal in die Situation kommen könnten, dass sie kein Wasser mehr aus dem Vorharz trinken können. Es werden Milliarden für Kriege in Afghanistan verpulvert. Das Geld müsste vielmehr in die Sicherheit der Bevölkerung investiert werden.

Zum Begriff Endlager: Es wird suggeriert, dass das Problem damit aus der Welt wäre. Doch radioaktive Produkte dürfen nicht einfach tief in der Erde verbuddelt werden; sie müssen so gelagert werden, dass man sie jederzeit wieder rausholen kann.

Birkner: Die Rückholung der Abfälle aus der Asse wird nicht am Geld scheitern. Wir müssen die technischen Hürden meistern. Zum Thema Endlager: Einige Experten sind überzeugt, dass Abfälle von der Umwelt abgeschirmt werden müssen, damit niemand damit Missbrauch treiben kann. Die Diskussion nach dem besten Weg müssen wir dringend führen. Ich habe viel Sympathie für die Rückholbarkeit, maße mir aber auch nicht an zu sagen, dass sie das Maß der Dinge ist.

Nils Rosenbaum, Auszubildender bei VW Financial Services: Welche Themen für die Landtagswahl sind für Sie besonders interessant?

Sohn: Statt Milliarden in die Banken zu stecken, sollten wir die Krankenhäuser retten. Außerdem muss Bildung gebührenfrei sein, Studiengebühren müssen abgeschafft werden. Wir müssen die Löhne und Renten retten. Es kann nicht sein, dass ein Krankenpfleger sein ganzes Leben lang schuftet und von seiner Rente später kaum leben kann.

Birkner: Wichtig ist eine solide Haushaltspolitik. Wir müssen runter von den Schulden. Mehreinnahmen müssen zur Verringerung der Neuverschuldung eingesetzt werden. In Niedersachsen setzt sich die Regierung dafür ein, dass – schneller als im Grundgesetz vorgesehen – ein Schuldenstopp verhängt wird. Schon ab 2017 soll das Land keine neuen Schulden mehr machen. Außerdem treten wir für vielfältige Schulsysteme ein, alle Schulformen müssen gleich ausgestattet werden. Wichtig ist es, die Grundschulstandorte so lange wie möglich zu erhalten. Und auch die Energiewende muss gelingen und bezahlbar bleiben.

Leonie Lips, Neue Oberschule: Wie stehen Sie zu Studiengebühren?

Birkner: Ich halte sie für richtig. Wer durch ein Studium die Möglichkeit hat, später einen gut bezahlten Beruf zu ergreifen, sollte an der Finanzierung beteiligt werden. Die gesamte Bevölkerung die vollen Kosten tragen zu lassen, wäre nicht gerecht; ein Meisterschüler muss schließlich auch seine Ausbildung selber bezahlen. Außerdem kommen die Gebühren direkt an den Hochschulen an und werden dort gezielt eingesetzt. Dadurch haben sich die Bedingungen erheblich verbessert.

Sohn: Auf der einen Seite sagen Sie, Schulden sind schlecht. Aber Sie verlangen von jungen Leuten, dass sie Schulden machen sollen. Das ist doch zynisch. Bildung darf nicht abhängig vom Geldbeutel der Eltern sein. Nur noch Niedersachsen und Bayern haben Studiengebühren; das schreckt viele vom Studium in unserem Bundesland ab.

Björn Bosse, Heinrich-Büssing-Schule in Braunschweig: Wie wollen Sie die Energiewende bewältigen?

Sohn: Vor allem der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs muss vorangetrieben werden.

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Birkner: Wir brauchen einen weiteren Ausbau erneuerbarer Energien. Auch den Netzausbau müssen wir vorantreiben, damit der Strom von den Windkraftanlagen dahin kommt, wo er gebraucht wird. Gleichzeitig muss Energie bezahlbar bleiben. Außerdem spielt die E-Mobilität eine große Rolle. Diese Region wird ja ein Schaufenster für Elektromobilität, sie soll innovative Entwicklungen vorantreiben.