Nach dem gescheiterten Krieg in Afghanistan möchte uns Angela Merkel vor unpopulären Militäreinsätzen bewahren. Allenfalls zur Ausbildung möchte die Kanzlerin deutsche Soldaten in ferne Länder schicken – wie ins afrikanische Mali – oder in unabweisbarer Bündnisloyalität deutsches Gerät bereitstellen – wie die Patriot-Raketen in der Türkei.

Statt „Einmischung“, so lautet Merkels neue Doktrin, soll „Ertüchtigung“ vertrauenswürdige Staaten wie Saudi Arabien oder Indonesien hinreichend mit eigener Feuerkraft ausrüsten.

Geschäft mit der Rüstung ist ein Bombengeschäft

Weil Waffen „Made in Germany“ stets begehrt waren, ist der Export von Rüstungsgütern ein Bombengeschäft – und das in Zeiten, da die Budgets in Europa zusammengestrichen werden.

Im letzten Jahr wurden Kriegswaffen im Wert von 5,4 Milliarden Euro exportiert, zehn Prozent mehr als 2010. Fast die Hälfte erreichte Länder, die der Nato oder der EU nicht angehören. Die Bundesrepublik mauserte sich so zur Nummer Drei der weltweit größten Rüstungsexporteure.

Merkels Ertüchtigungs-Doktrin, empört sich SPD-Fraktionsvize Gernot Erler, sei längst ein „ganz normales Instrument“ ihrer Außen- und Sicherheitspolitik geworden. In der Tat widerspricht die großzügige Waffenausfuhr den gültigen Exportrichtlinien für Rüstungsgüter. Kein grünes Licht darf danach erteilt werden, wenn ein „hinreichender Verdacht“ besteht, dass die Kriegswaffen zur „internen Repression“ missbraucht werden könnten. Eine „wichtige Rolle“ wird auch der Situation der Menschenrechte im Empfängerland zugeschrieben.

Merkels Regierung hat es nicht so genau genommen

Gemessen daran hat es die Merkel-Regierung nicht so genau genommen. In 64 der ertüchtigten Empfängerländer ist nach Erkenntnissen des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes (SIPRI) die Lage der Menschenrechte „kritisch“, in 39 Staaten lodern „innere Konflikte“. Sind aber die Waffen erst mal geliefert, hat die Regierung keine Kontrolle mehr über deren Verwendung.

Was liegt also näher, denkt sich die Opposition, als das Parlament mitreden zu lassen, welche Kunden in den Genuss Merkelscher Ertüchtigungslieferungen kommen sollen. Wo doch der Bundestag durch seine Mitwirkung bei Auslandseinsätzen die Sicherheitspolitik ohnehin entscheidend mitbestimmt. Warum sollte er sich beim Rüstungsexport mit einer bloßen Zuschauerrolle begnügen?

Doch die Lobby der Rüstungsindustrie heult auf: Ein Veto-Recht der Volksvertreter verstoße gegen das Grundgesetz. Die strikte Trennung von Exekutive (Regierung) und Legislative (Bundestag) müsse bleiben. Prompt lieferte die Regierung Merkel die Zusicherung, an der eingeübten „Staatspraxis“ festzuhalten.

Als die Zurückhaltung bei Waffenexporten noch Staatspraxis war, praktizierte der damalige Außenminister Genscher seine eigene restriktive Methode: Standen heikle Beschlüsse an, zog er sich aus dem Bundessicherheitsrat auf ein stilles Örtchen zurück und erschien erst wieder, wenn das geheimste Gremium der Regierung abgestimmt hatte.

KOMMENTAR

Richard Kiessler zum Streit um deutsche Rüstungsexporte
Richard Kiessler zum Streit um deutsche Rüstungsexporte

„Im letzten Jahr wurden Kriegswaffen im Wert von 5,4 Milliarden Euro exportiert.“