Braunschweig. Die Komikerin Gayle Tufts sprach mit Lesern unserer Zeitung über ihre Liebe zur Natur und zu Büchern, das Älterwerden, US-Präsident Barack Obama und Werder Bremen.

Zurzeit ist die Autorin, Sängerin und Komikerin mit ihrer One-Woman-Show „Some like it heiß“ in Deutschland unterwegs. Am 4. September trat sie bereits bei Kultur im Zelt in Braunschweig auf, am 9. November ist sie mit dem selben Programm im Kulturzentrum Hallenbad in Wolfsburg zu sehen. Drei Leser hatten vor ihrem Auftritt im Kulturzelt Gelegenheit, mit der Künstlerin zu sprechen.

Kate Grigat: Sie sind ja viel unterwegs. Wie und wo finden Sie Ruhe?

In Berlin witzigerweise. Da habe ich mein eigenes Bett, mein eigenes Schlafzimmer. Berlin hat auch eine wunderschöne Mischung von Großstadtflair und Natur. In den 22 Jahren, die ich jetzt in Deutschland bin, habe ich entdeckt, wie sehr ich die Natur brauche. Als ich jünger war, habe ich Urlaub immer in Großstädten gemacht. Heute bin ich froh, wenn ich auf Rügen oder Föhr einfach Kühe, ein Schaf und ein Fahrrad habe. Mehr brauche ich nicht.

Jochen Draband: Kommen Sie tatsächlich zur Ruhe? Sie machen den Eindruck einer „Madame 100000-Volt“!

Ich bin Entertainerin, doch ich bin auch vom Temperament her so. Mein armer Mann. Aber wenn ich einen freien Tag habe, mache ich Computer, Handy und Fernseher aus. Dann nehme ich ein Buch und schlafe vielleicht nach ein oder zwei Seiten ein. Aber Lesen hilft mir sehr, ich bin mit Herz und Seele Leserin. Gerade heute, wo man immer erreichbar ist, tut es mir gut, mich mit einem guten Buch in eine dicke Decke zu wickeln und zu lesen.

Kate Grigat: Lesen Sie Englisch oder Deutsch?

Englisch, die Muttersprache entspannt auf andere Weise. Als ich hierher kam, konnte ich ja kein Wort Deutsch. Ich habe dann angefangen, Bravo zu lesen, dann habe ich mich zur Gala gesteigert. Jetzt probiere ich die Süddeutsche Zeitung oder die FAS am Sonntag. Wenn ich durch die Süddeutsche komme, bin ich gut.

Jochen Draband: Sie schreiben auch. Gibt es Ihre Bücher auch im Englischen?

Nein. Ich schreibe auf Deutsch, besser Denglisch. Ich habe einen guten Lektor, der das dann korrigiert. Aber ich denke meine Bücher deutsch und muss sie auch so schreiben. Weil ich viel aus dem Alltagsleben benutze, sind auch die Pointen deutsch. Das würde im Englischen gar nicht funktionieren.

Henrike Dehmel: Wenn sie nicht gerade auf der Bühne stehen oder schreiben, kümmern Sie sich auch um den Nachwuchs. 2009 waren Sie zum Beispiel Jury-Mitglied beim Bundeswettbewerb Gesang und Chanson in Berlin. Wie sind Sie denn Jury-Mitglied geworden?

Viele meiner Backup-Sänger kommen von der Universität der Künste in Berlin. Die haben mich vorgeschlagen. Das war eine sehr interessante Jury: Katherine Merling war dabei, die derzeit Judy Garland spielt, und der Musical-Regisseur Holger Howard. Jeder hatte einen anderen Blickwinkel auf die Studenten, und das Niveau war sehr hoch.

Ich selbst habe an der New York University studiert. Meinen Abschluss habe ich in Schauspiel, aber die Ausbildung in Amerika hat nicht diese Schubladen-Mentalität. Ich musste neben Schauspiel auch Gesang und Tanz machen.

Henrike Dehmel: Die Siegerin des Wettbewerbs in der Sparte Chanson 2009 kam übrigens aus Braunschweig – Gisa Flake.

Von dieser Frau waren wir alle hin und weg. Ein Gottesgeschenk von Talent, eine Stimme, eine Ausstrahlung, eine Natürlichkeit – sie gehört einfach auf die Bühne. Sie hat ein wunderschönes Zusammenspiel von Intellekt, Humor, Herz und Talent. Überhaupt nicht arrogant. Sie war dankbar, auf der Bühne zu sein. Man sah auch, sie wollte arbeiten. Der Beruf ist harte Arbeit. Das ist Handwerk, das braucht Ausbildung.

Jochen Draband: Der Titel Ihres neuen Programms nimmt Bezug auf Marilyn Monroe „Manche mögen‘s heiß“. Hat es tatsächlich auch was mit dem Film zu tun?

Eigentlich ist es ein Programm über die Wechseljahre und Weiblichkeit.

Jochen Draband: Können da auch Männer reingehen?

Unbedingt. Wir haben schon eine lange Spielzeit hinter uns. Es kamen Männer, junge Frauen, Kinder und ältere Frauen. Die Frauen sagen, „genau so ist es“, und die Männer stellen fest, „ach deswegen“. Ich probiere, Fakten über die Wechseljahre im Programm unterzubringen. Ich bin ja selbst in den Wechseljahren.

Ich finde, sie haben einen schlechten Ruf, und sie sind so etwas wie das letzte Tabu. In Gießen meinte ein Kritiker, über einige Dinge sollte man eigentlich nicht auf der Bühne sprechen. Und ich frage mich: Why not? Wir sprechen so offen über alles heutzutage, besonders über Sexualität und Gesundheit. Das ist ein Teil unseres Lebens, ein Lebensabschnitt, der sehr individuell ist. Es ist wie die Pubertät, keine Frau wird die gleichen Wechseljahre erleben wie eine andere. Ich versuche, dieser Zeit – und da bin ich bei Marilyn Monroe – Glamour zu geben.

Kate Grigat: Aber Sie werden merken, es ist eine Befreiung, wenn es vorbei ist.

Meine beste Freundin ist fünf Jahre älter als ich, die hat eine große Party gemacht, eine Geburtstagsparty, als es vorbei war. Man sollte das Ganze mit Humor nehmen.

Das ist etwas, was ich hoffe, in Deutschland anbieten zu können: ein bisschen mehr Selbstironie. In meinem Programm gibt es aber auch ein paar Tränendrüsendrücker. Es ist nicht alles Comedy, so ist das Leben nicht.

Plötzlich stellte ich fest, ich bin schon 52. Ich!? Ein echtes Aha-Erlebnis. Und dann die Erfahrung, dass das Leben nicht endlos ist. Ich habe meine Eltern verloren, ich habe das Gefühl eines Waisenkindes. Aber auch das ist ein Teil der Wechseljahre. Im Englischen nennen wir sie übrigens „Change of Life“. Und Veränderungen sind nicht nur schlecht, sie können durchaus auch okay sein.

Da sind ja zum Beispiel auch die Veränderungen in Deutschland. Ich arbeite seit 25 Jahren hier, lebe seit 22 Jahren in Deutschland – was hat sich hier alles zum Positiven verändert?! Wahnsinn, wir haben Geschichte erlebt, und wir dürfen das im Frieden erleben, die Wiedervereinigung zum Beispiel.

Kate Grigat: Ich bin kommunalpolitisch aktiv. Sind sie auch politisch interessiert?

Natürlich bin ich politisch interessiert, das ist auch ein Teil des Erwachsenwerdens. Und wenn man dann noch merkt, dass man ein Jahr älter ist als der Präsident der Vereinigten Staaten...

Kate Grigat: Und Sie verfolgen, was in Amerika passiert?

Ich darf immer noch in den USA wählen, und das mache ich auch. Ich wähle natürlich die Demokraten, ich komme schließlich aus Massachussetts – obwohl ich nicht da war, als Romney dort Gouverneur war. Ich stehe total hinter Präsident Obama, obwohl ich auch will, dass Guantanamo geschlossen wird, der Afghanistan-Krieg vorbei ist, dass es mehr Arbeitsplätze gibt. Ich hoffe, dass Obama vier Jahre weitermachen kann.

Es ist eine Schande, dass in Amerika so wenige zur Wahl gehen, 40 Prozent. Ich denke oft, hey, wir sind eine Demokratie, runter vom Sofa. Wählen gehen dauert nur 20 Minuten, und wählen gehen zu dürfen ist ein Privileg.

Jochen Draband: Eine sportliche Frage: Ihr Mann ist Bremer?

Und ich liebe Werder Bremen. Ich komme ja aus der Nähe von Boston, da gibt es die Boston Red Socks, eine Baseballmannschaft – ein Team der Herzen. Eine Mannschaft, die entweder gut oder schlecht spielt – ähnlich wie Werder Bremen. Ich war jetzt ein paar Mal in Berlin im Stadion. Ich bin immer im Werder-Fan-Block, es ist ein bisschen wie in einem Swingerclub. Alle sagen: Du hier?

Henrike Dehmel: Was sagen Sie denn zu dem aktuellen Skandal um den Werder-Sponsor Wiesenhof?

Ich habe mich auch gefragt, muss das sein? Das ist irgendwie typisch Werder. Auf der Fan-Seite wurde dann auch noch Kritik an der Chicken-Geschichte unterdrückt. Dort solle nur über Sport geredet werden. Das geht doch nicht! Wenn man ein Trikot oder Tickets kauft, kauft man ja immer die Werbung mit. Da muss man sich doch zu äußern dürfen.

Zur Person:

Gayle Tufts wurde 1960 als Tochter einer Supermarkt-Kassiererin und eines Kellners in Brockton, Massachusetts, geboren. Ihre Ausbildung erhielt sie am New York University’s Experimental Theatre Wing, wo sie Schauspiel, Gesang und Tanz studierte. Sie lebte 13 Jahre in New York. 1984 kam sie erstmals für eine Europatournee nach Berlin. 1986 tourte sie als Backup-Sängerin für Max Goldt und Foyer des Arts. Von 1988-94 arbeitete sie mit der Tanzfabrik Berlin als Performerin, Regisseurin und Lehrerin. Seit 1991 hat sie ihren festen Wohnsitz in Berlin.