Braunschweig. Lucy Diakovska geht offen mit ihrer Homosexualität um. Die durch die „No Angels“ berühmt gewordene Sängerin sagte Lesern unserer Zeitung: „Bisher hatte noch keine Oma ein Problem mit mir.“

Die Sängerin mit bulgarischen Wurzeln ist aus der Girlgroup „No Angels“ bekannt. Am Samstag trat sie beim Braunschweiger Sommerloch Festival auf. Bevor sie auf die Bühne ging, erzählte sie von ihrer Kindheit in einer bulgarischen Oper und wie sie mit ihrer Sexualität umgeht. Als neue Jurorin der TV-Casting-Show Popstars verriet sie außerdem, wie sie den Nachwuchstalenten zum Erfolg verhelfen will.

Lena Wesner: Die „No Angels“ war Deutschlands erste Casting-Show-Band. Ihr habt damals einen riesigen Hype ausgelöst, wie bist Du damit umgegangen?

Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir damals richtig Gedanken gemacht habe, wie ich damit umzugehen habe. In der Zeit war der Umgang mit allen Leuten selbstverständlich. Ich habe es als entspannt empfunden, natürlich verbunden mit viel Arbeit. Heute weiß ich viel mehr, weil viel Zeit vergangen ist und danach auch immer wieder Ruhe war. Da wird einem klar, wie man sich bei so viel Trubel fühlt und was man für psychische Ausdauer braucht, um damit umzugehen.

Lena Wesner: Habt ihr geahnt, dass ihr solch einen Trubel auslösen würdet?

Jein, das kann man sich nicht richtig vorstellen, bis man es selbst erlebt. Wenn man selbst dort steht und in einer Menschentraube Autogramme schreibt, ist es mit ganz anderen Gedanken verbunden. Zum Beispiel denkst du beim Autogrammschreiben nicht nur daran, dass du inmitten dieser Leute stehst, sondern auch daran, dass du schnell fertig werden willst, weil du weiter musst. Man fragt sich ständig, ob all das wirklich wahr ist. Es dauert eine Weile, bis man realisiert, dass es jetzt immer Leute gibt, die etwas von dir wollen, egal ob im Supermarkt oder beim Essen.

Redaktion: Viele Casting-Show-Bands waren nicht so erfolgreich wie die „No Angels“. Machen die Mentoren bei der aktuellen Popstars Staffel irgendetwas anders, damit die Band nicht floppt?

Erfolg ist mit ganz vielen Faktoren verbunden. Generell gibt es kein Erfolgsrezept für Musiker, ansonsten würde jede kleine Garagenband Nummer eins werden. Ich glaube aber, dass es ein generelles Rezept für Bands gibt, wie sie leichter bestehen können. Der Grundgedanke muss das Arbeiten miteinander sein, also von Kompromissbereitschaft über Toleranz, bis hin zur Akzeptanz anderer Meinungen. Bei der neuen Popstars-Staffel wollen wir die Teilnehmer vom Traum um jeden Preis berühmt zu sein, herunterholen. Das Ziel sollte nicht sein, ein Star zu werden und ganz viel Geld zu verdienen. Das kann zwar motivieren, aber das eigentliche Ziel sollte das künstlerische Schaffen sein und Menschen davon zu überzeugen, dass man ein Botschafter von Emotionen ist. Von da geht es weiter. Wenn diese Band es schafft, über mehrere Jahre zusammenzuhalten und musikalisch einen Weg zu finden, dann kann sie auch erfolgreich sein.

Patrick Schliesio: Du bist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Bulgarien eine Berühmtheit. Wo ist für Dich das öffentliche und private Leben einfacher?

In Bulgarien gehen die Menschen viel höflicher mit einem um. Mir gefällt das. Zuerst gibt es eine gewisse Distanz und dann hat man die Chance, sich anzunähern. Trotzdem ist Deutschland für mich zur zweiten Heimat geworden, inzwischen fühle ich mich sogar ein bisschen mehr deutsch als bulgarisch.

Ich empfinde Deutschland als viel toleranter, gerade wenn es um das Privatleben geht. Hier ist die Sensationspresse nicht wie in Bulgarien. Als Privatperson habe ich mehr Möglichkeiten, gegen Medien vorzugehen. In Bulgarien können die Medien ins fantasievolle Extrem gehen. Sie könnten dich morgen für tot erklären und du könntest nichts dagegen machen.

Patrick Schliesio: Deine ehemalige Bandkollegin Nadja Benaissa stand 2010 vor Gericht, weil sie einen Mann mit HIV angesteckt haben soll. Wie hast Du den Umgang der Medien mit Nadja empfunden?

Über Schuld und Mitschuld werde ich nicht sprechen, aber es war eine sehr schwere Zeit für uns alle.

Melina Holz: Stand Dir Deine Sexualität in Deiner Karriere jemals im Weg?

Nein, seitdem ich mich kenne, bin mich mit mir selbst und anderen Menschen immer ehrlich und offen umgegangen. Das ist wichtig, besonders wenn es darum geht, manche Dinge anzunehmen, weil sie einfach so sind. Ich glaube, wenn man aus der Sexualität kein großes Ding macht, gibt es eigentlich überhaupt keine Probleme. Sobald man anfängt, großen Wirbel darum zu machen, können sehr schnell Zweifel entstehen – an dem, was man ist und wie man lebt. Das ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann.

Redaktion: Was bedeutet es für Dich, auf dem Sommerloch-Festival für Schwule und Lesben aufzutreten?

Ich habe mich nie als Botschafterin für Lesben gesehen, weil ich nie in diese Position gestellt wurde und mich auch niemals in diese Position gedrängt habe. Aber ich habe immer gesehen, wie meine Offenheit anderen Menschen geholfen hat, ihren eigenen Weg zu gehen und ich find‘s geil! Es ist toll, für sehr entspannte Menschen aufzutreten, die hier sind, um zusammen zu sein und ein Zeichen für Toleranz zu setzten.

Redaktion: Ist fehlende Toleranz heute noch ein Problem?

Nein, besonders nicht in größeren Städten. Es kann höchstens auf Dorfebene noch kriseln, obwohl ich noch keine Oma getroffen habe, die ein Problem mit mir hatte. Deutschland ist seit Jahren auf einem guten Weg. Wenn Punkte wie die homosexuelle Ehe weiter angeregt werden, wächst die Toleranz weiter. Ich wünsche mir, dass man das in Bulgarien irgendwann auch so schafft. Darauf wird man zwar noch lange warten, aber ich hoffe, ich werde es noch erleben.

Patrick Schliesio: Du sitzt jetzt in der Sendung Popstars in der Jury neben Deinem ehemaligen Mentor Detlef D. Soost. Wie ist das für Dich?

D war damals nicht Mentor, sondern ein Choreograph bei Popstars. Damals hatte ich weniger mit ihm zu tun, weil ich mit dem Tanzen aufgrund meiner Musicalausbildung am wenigstens Schwierigkeiten hatte. Ich wurde auch nie von ihm angeschrien, deshalb war die Zeit mit ihm sehr angenehm. Dass D streng ist, hat seine Berechtigung und ist bei der Arbeit mit ihm auch eine große Bereicherung. Wir begegnen uns auf einer sehr schönen Augenhöhe.

Melina Holz: Deine Eltern sind klassische Musiker, wie finden sie Deine Musik und wie findest Du ihre? Gibt es da Diskrepanzen?

Wenn ich am Opernhaus in meiner Heimatstadt Plewen vorbeilaufe, fühle ich mich wirklich wie ein Kind, ich will immer reingehen und meinen Vater auf der Bühne sehen. Ich bin in der Oper groß geworden und ich habe eine ganz große Sehnsucht nach der klassischen Musik. Als Teenager wollte ich auch klassische Musikerin werden. Meine Eltern waren aber sehr glücklich, dass ich mich anders entschieden habe.

Melina Holz: Warum?

Mein Vater musste sich sein Leben lang durch die Opernhäuser durchboxen. Wenn du nicht wirklich die beste Stimme hast, nützt dir deine Persönlichkeit auch nichts. In der Oper ist es egal, ob du rote Haare hast, ob du schlank oder füllig bist – da zählt allein die Stimme. Er hatte Angst, dass ich mein Leben lang wandern und nicht das ultimative Glück finden würde, wenn ich nicht absolut perfekt wäre. Ich denke, er hat auch immer mehr in mir gesehen, als einfach in einem Opernhaus eingesperrt zu werden. Meine Eltern sind sehr glücklich, dass ich meinen eigenen Weg gegangen bin. Sie waren für mich immer treue Begleiter.

Lena Wesner: Gibt es beruflich etwas Neues, an dem Du Dich ausprobieren willst?

Natürlich, ich habe so viele Ideen. Ich würde gern mal klassische Arien singen – vielleicht nicht ganz so hoch, weil meine Stimme dafür nicht ausgebildet ist. Im Moment arbeite ich mit Musikern der Band Rosenstolz an deutschen Liedern. Im August kommen meine erste Fitness-DVD und mein neues Live-Album auf den Markt.

Lucy Diakovska

Die 36-jährige Popsängerin lebt in Berlin wurde mit der Band „No Angels“ bekannt. Sie stammt aus Bulgarien und wuchs in der Stadt Plewen auf. Sie begann sehr früh mit dem Singen, da ihr Vater war Opernsänger und ihre Mutter Pianistin war.

Nach ihrem Abitur im Jahr 1995 zog sie nach Hamburg und begann eine Musicalausbildung an der „Stage School of Music, Dance and Drama“. Im Jahr 2000 schaffte sie mit den „No Angels“ den Durchbruch. Die Girlgroup war die erste Band, die aus der Casting-Show „Popstars“ hervorging. Zurzeit macht die Band eine Pause.

Lucy Diakovska geht seit 2003 ihrer Solokarriere als Popsängerin und Musicaldarstellerin nach. Sie sitzt außerdem bei der bulgarischen Casting-Show „Music Idol“ mit in der Jury. Seit Juli 2012 sucht Lucy Diakovska als Jurorin der Casting-Show „Popstars“ auch in Deutschland nach Musiktalenten.

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Lena Wesner
Lena Wesner

Lena Wesner
Sie ist 25 Jahre alt und studiert Soziale Arbeit an der Ostfalia Hochschule in Wolfenbüttel.

Patrick Schliesio
Patrick Schliesio

Patrick Schliesio
Er ist 20 Jahre alt und absolviert den Bundesfreiwilligendienst bei der Aidshilfe in Braunschweig.

Melina Holz
Melina Holz

Melina Holz
Die 23-Jährige kommt aus Braunschweig und studiert Soziale Arbeit an der Ostfalia Hochschule in Wolfenbüttel.