Braunschweig. Knud Maywald erläutert Wege aus der Krise und wirbt für einen föderativen Staatenbund Europa mit zentraler Geld- und Wirtschaftspolitik

Mario di Guida: Wie sichern Sie privat Ihr Geld?

Maywald: Ich investiere nur in Produkte, die ich genau verstehe. Und ich setze nicht alles auf eine Karte.

Jonathan Cholewa: Wie lange dauert die Finanzkrise noch?

Ich glaube, dass uns die Krise in Europa noch fünf bis zehn Jahre beschäftigen wird. Vertrauen muss wieder hergestellt werden – und das dauert. Die Staatsschulden sind das Kernproblem – es gelingt noch nicht einmal unserem eigenen Staat, die Neuverschuldung auf Null zu führen. Ich möchte aber hervorheben, dass wir keine Eurokrise haben, sondern eine Schuldenkrise.

Der Euro ist eine große Errungenschaft. Wenn er zerfallen würde, dann würde die Bedeutung der europäischen Einzel-Währungen in der Weltwirtschaft – etwa als Reservewährung wie heute – keine Rolle mehr spielen. Der Euro hat ja grundsätzlich seit seiner Einführung auch nicht an Wert verloren, im Gegenteil. Seit er Bestand hat, ist übrigens auch die europäische Inflationsrate deutlich niedriger. Wir müssen alles dransetzen, dass wir ihn bewahren – und das ist nicht leicht.

Manuel Sandau: Wäre es dann besser, einen Euro-Aufnahmestopp für neue Länder zu verhängen? Muss man sich nicht erstmal stabilisieren?

Wenn ein Land nachweist, dass es nachhaltig alle Kriterien erfüllt und dafür viele Jahre hart gearbeitet hat, dann sollte man auch die Tür nicht einfach schließen. Dann würde man die bestrafen, die sich angestrengt haben. Es darf aber auch nicht passieren wie im Fall Griechenland, dass man nicht so genau hingeschaut.

Manuel Sandau: Es gibt auch diesen europäischen Fonds für Wirtschaftsförderung. Sollte man das Geld nicht besser in Griechenland, Italien oder Spanien investieren, statt es auf neue Länder zu verteilen?

Es wäre nicht richtig, sich nur mit den aktuellen Problemstaaten zu beschäftigen. Europa soll sich ja insgesamt positiv entwickeln, das gilt besonders für die jungen EU-Länder. Für Krisenländer gibt es dagegen Hilfen wie den Rettungsschirm EFSF und den Internationalen Währungsfonds IWF. Die helfen, eine Zeit zu überbrücken, bis ein Land Ordnung geschaffen hat, wieder effizient wirtschaften kann und seine Verpflichtungen zurückzahlt. Wir können aber keinen Staat finanzieren, wenn wir nicht erwarten können, dass er seine Probleme nachhaltig in den Griff bekommt.

Was leider immer untergeht, ist, was an Reformen bereits umgesetzt wird: In Spanien, Italien, Portugal, Irland ist schon viel passiert. Das hat auch positive Auswirkungen auf volkswirtschaftliche Kennzahlen. Deswegen ist es richtig, solange der Reformprozess fortgesetzt wird, diese Länder zu unterstützen. Das andere ist eine notwendige, jedenfalls teilweise Abgabe von Kompetenzen einzelner Staaten in europäische Institutionen. Können wir uns darauf nicht verständigen, ist der europäische Gedanke massiv belastet, und die Währungsunion ist dann nicht zu halten.

Es muss alles daran gesetzt werden, einen föderativen Staatenbund Europa zu entwickeln, in dem eine zentrale Fiskalpolitik und eine zentrale europaübergreifende Wirtschaftssteuerung praktiziert werden. Und zwar mit einer demokratisch legitimierten Institution. Das müsste und dürfte aber nicht die Aufgabe der nationalen Identitäten bedeuten.

Jonathan Cholewa: Sie glauben auch nicht, dass es in den nächsten Jahren eine hohe Inflation gibt?

Nein. Denn die konjunkturelle Entwicklung geht derzeit spürbar zurück, es ist aktuell kein Preissteigerungsspielraum zu erkennen. Wir entwickeln uns stabil. In diesem Zusammenhang halte ich es übrigens für kritisch, dass die Europäische Zentralbank die europäische Bankenaufsicht übernehmen soll. Sie dürfte hierbei höchstens beratende Funktion haben, um ihre politische Unabhängigkeit zu bewahren und ihre zentrale Aufgabe, die Erhaltung der Geldwertstabilität, nicht zu gefährden.

Mario di Guida: Wie kann man Krisen wie die jetzige künftig verhindern?

Verlässlichkeit und Vertrauen sind das alles Entscheidende. Außerdem ist eine europäische Bankenaufsicht richtig. Man sollte auch diskutieren, ob man eine Trennung des Bankgeschäftes in Investmentbanken und reine Geschäftsbanken in Erwägung zieht. So können Risikoübergriffe auf das für die Wirtschaft so wichtige Kreditgeschäft vermieden werden. Dann muss man zügig Verschuldungsquoten zurückführen durch weitere Strukturreformen und so mindestens die Neuverschuldung auf Null reduzieren. Es muss nachgewiesen werden, dass verabredete Sparziele und Schulden-Höchstgrenzen eingehalten werden und verabredete Reformen, die mittelfristig zu einer geringeren Verschuldungssituation führen, einen dauerhaften Charakter haben, sonst werden wir die Krise nicht mehr los. Man sollte nicht zu nachsichtig sein.

Die Wege aus der Krise sind auf alle Fälle mühsam und schmerzhaft, und wir brauchen auch viel mehr Zeit, als mancher glaubt.

Wenn Europa gesunden soll, muss man durch dieses Tal der Tränen hindurchgehen.

Jonathan Cholewa: Sind Eurobonds sinnvoll?

Zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Es muss erstmal eine gemeinsame Verständigung über Reformen und Sparziele geben. Man kann nicht Eurobonds herausgeben, ohne konkrete Verabredungen zu haben – etwa auch über mögliche automatische Sanktionen.

Manuel Sandau: Muss der Staat mehr eingreifen – zum Beispiel mit der Finanz-Transaktionssteuer?

Wenn man das Geld für einen Sicherheitsfonds für künftige Bankschieflagen verwendet, habe ich nichts dagegen. Aber erstens ist das Kapital nicht an einen Ort gebunden, und man kann an Orte gehen, wo diese Steuer nicht bezahlt werden muss. Zweitens findet eine Reihe von Finanztransaktionen auch für Kleinanleger statt, etwa zur privaten Altersversorgung – die würden dann ja ein bisschen bestraft werden, denn eigentlich sollte es die Banken treffen. Was nicht passieren darf, ist, dass die Steuer im allgemeinen Bundeshaushalt verschwindet.

Manuel Sandau: Wie beurteilen Sie die amerikanischen Rating-Agenturen, und müsste es eine europäische geben?

Die Rating-Agenturen machen grundsätzlich einen guten Job. Sie haben vor der Finanzkrise 2008 bestimmte Risiken nicht richtig bewertet, das war problematisch. Mein Eindruck ist, dass sie, wo sie damals zu nachlässig waren, jetzt übertreiben in die andere Richtung. Es spricht nichts gegen eine europäische Rating-Agentur.

Mario di Guida: Glauben Sie, der Durchschnittsbürger sieht den Finanzsektor zu kritisch?

So ein Fall wie die Hypo Real Estate, die riesige Verluste gemacht hat und Unterstützung braucht, ist natürlich nicht gut für den Ruf der Branche und beschädigt ihn nachhaltig. Ohne eine funktionierende Bankenlandschaft würde der Wirtschaftskreislauf aber nicht funktionieren. Wir können uns nicht leisten, dass das zusammenbricht. Deshalb sind die Hilfen richtig. Zusätzliche Regulierungen für den Finanzsektor sind grundsätzlich jedoch sinnvoll und notwendig.