Braunschweig. Tim Bendzkos Single „Nur noch kurz die Welt retten“ wurde ein Hit. In der Meier Music Hall in Braunschweig traf er kürzlich Leserinnen unserer Zeitung zum Interview.

Bendzkos erste Single avancierte schnell zum Ohrwurm. Im Herbst gewann er den Bundesvision Song Contest und den Newcomer-Bambi.

Am 26. August spielt Bendzko erneut in Braunschweig: beim Open Air im Raffteichbad.

Maria: Du hast einige Jahre bei Union Berlin Fußball gespielt. Warum hast Du Dich statt einer Karriere als Fußballer für die Musik entschieden?

Ich wollte einfach nie Fußballer werden. Ich habe mit acht Jahren angefangen, und da hatte ich kein Ziel vor Augen. Ich wollte nicht irgendwann Weltmeister werden, sondern in erster Linie Fußball spielen. Mit zehn habe ich dann beschlossen, dass ich Musik machen möchte. Deshalb habe ich irgendwann aufgehört mit dem Fußball. Es war weniger eine Entscheidung gegen den Fußball als eine für die Musik.

Jennifer: Du hast mit 16 angefangen, Gitarre zu spielen und Lieder zu schreiben. Waren die auch schon in deiner heutigen Musikrichtung? Sind einige sogar auf deinem Album?

Die waren schon sehr ähnlich. Wenn wir nicht mittlerweile zu viele neue Songs hätten, würden wir sie dreisterweise auch noch spielen.

Es wäre aber für die meisten Besucher meiner Konzerte ziemlich hart, wenn sie 13 Songs vom Album kennen und wir 40 spielen würden, von denen sie 27 nicht kennen. Das mag für drei, vier Fans toll sein – aber der Rest würde einschlafen. Also bleiben die alten Songs außen vor.

Es ist ja auch so, dass man am Anfang Songs nicht von Grund auf selber schreibt. Man hat Zeilen im Ohr, die man in irgendwelchen Liedern gehört hat, und bastelt daraus seine ersten eigenen Songs zusammen.

Melanie Doering: Wer oder was hat Dich zu dem Lied „Wenn Worte meine Sprache wären“ inspiriert?

Ich mich selber. Ich bin beim Songschreiben ja die ganze Zeit damit beschäftigt, Worte zu finden. Und das ist mir bei diesem Lied einfach nicht gelungen. Ich hatte den Refrain im Kopf. Dann wollte ich die Strophe schreiben, und mir ist nichts mehr eingefallen. Da dachte ich, gut: Wenn Worte meine Sprache wären…

Ungelogen: Weil mir nichts eingefallen ist, ist mir diese Zeile gekommen. Das Ding ist: Man kann sowas nur einmal machen. Dabei könnte ich diese Zeile jede Woche neu erfinden...

Melanie Bierski: Du hast als Vorgruppe für Elton John und Joe Cocker gespielt. Wie bist Du dazu gekommen?

Ich habe einen Vertrag mit einer Booking-Agentur, die sich um meine Konzerte kümmert. Wenn ich ein Album herausbringe, dann will die Agentur, und ich auch, dass ich vor einer internationalen Größe spiele, um bekannter zu werden. Sie haben bei Joe Cocker angefragt. Normalerweise dauert es Monate, bis man eine Antwort erhält, am besten erst einen Tag, bevor die Tour losgeht. Doch bei Cocker war es so, dass schon fünf Stunden später die Zusage kam. Joe Cocker hat wahrscheinlich nie gehört, was wir machen. Aber sie haben uns mitfahren lassen.

Bei Elton John war es ähnlich. Bei den Konzerten hat man mit denen aber nichts zu tun. Ich habe Elton John hinter der Bühne nicht einmal gesehen. Der ist nach den Konzerten immer sofort ins Auto gehüpft und nach Hause geflogen.

Und Joe Cocker, dem habe ich einmal die Hand geschüttelt. Die großen internationalen Stars kommen direkt zum Singen. Die sind nicht die ganze Zeit vor Ort.

Ich könnte mehr über die Techniker von den beiden erzählen. Mit denen war es interessant zu arbeiten. So ein Stab von internationalen Leuten, die sind schon verdammt professionell. Bevor man beim Soundcheck auch nur einen Ton gespielt hat., sagt der Bühnenchef gleich: Freunde, das hier ist keine Probe. Und nach zwei Minuten muss man dann schon wieder runter. Aber es ist eine gute Schule. Wenn man das überstanden hat, ist alles gut.

Melanie B.: Hast Du eigentlich ein Vorbild?

Ein Vorbild kann für mich nur jemand sein, den ich persönlich kenne. Natürlich sieht man Menschen, die Sachen gut oder schlecht machen und orientiert sich eher an den Guten. Aber es gibt niemanden, den ich so im Fernsehen sehe, bei dem ich denke: Genau so will ich sein. Das gab es vielleicht, als ich fünf war. Jetzt nicht mehr.

Melanie B.: Aber Du hast doch mal ein Casting gewonnen, bei dem ein zweiter Xavier Naidoo gesucht wurde...

Na ja, diese Nähe zum Herrn Naidoo wird mir ja nicht erst seit kurzem unterstellt, sondern seitdem ich singe. Es war einfach klar, dass ich da mitmachen und das Ding gewinnen muss. Das war eine Mission, die ich da gewittert habe. Und es wäre ein Skandal gewesen, wenn jemand anders das gewonnen hätte. Ich hatte anderthalb Wochen Zeit, ein Video zu drehen, das war alles so eng gestrickt, das musste einfach gemacht werden. Und es hat ja auch geklappt.

Melanie D: Thema Fanpost – hast Du jemals einen Brief bekommen, der Dich richtig überrascht hat?

Nee. So richtig viel Fanpost bekomme ich gar nicht. Weil ich auch gar keine richtige Fanpost-Adresse habe. Aus dem einfachen Grund, dass ich die Briefe eh nicht beantworten würde. Was soll man auch schreiben, wenn man in jedem zweiten Brief gefragt wird: Wie gehts dir, was machst du, wie bist du zur Musik gekommen? Das kann man alles in Google nachlesen.

Aber es gibt eine Adresse für Autogrammwünsche. 90 Prozent möchten gerne ein Autogramm haben. Da stehen keine aufregenden Sachen drin. Witzig ist natürlich, wenn junge Frauen ein Foto mitschicken und gerne mal mit einem Kaffee trinken gehen würden.

Jennifer: Also ist Dein E-Mail-Postfach gar nicht so groß, dass da 148713 Mails reinpassen?

Naja, ich habe ganz zum Anfang eine Fan-E-Mail-Adresse eingerichtet und kam auf die glorreiche Idee, sie bei Facebook zu posten. Ich habe sie dann nach drei Tagen wieder gelöscht. Innerhalb von zwei Stunden waren 3000 E-Mails da drin. 2800 mit der Frage: Wie gehts dir? Oder: Was machst du? Was soll man darauf antworten? Ich kann ja nicht ständig dieselbe Antwort reinkopieren. Copy und Paste.

Jennifer: Auf Deiner Homepage steht, dass Du wusstest, dass Deine Zeit als Musiker irgendwann kommen würde. Was hättest Du gemacht, wenn es nicht passiert wäre?

Die Möglichkeit hat für mich nicht existiert. Ich bin die ganze Zeit durch die Gegend gelaufen und habe jedem erklärt: Freunde, es wird so kommen. Ich glaube, es waren eine ganze Menge Leute ziemlich genervt von mir. Und es gab keinen Plan B. Weil ich mir auch immer schon eingeredet habe: Hat man einen Plan B, dann kommt es auch dazu.

Wenn ich beispielsweise die Stücke für ein Konzert festlege und vorher zu meiner Band sage, diesen und jenen Song lassen wir vielleicht weg, dann werden wir das mit absoluter Sicherheit tun, egal wie gut das Konzert wird.

Deshalb gilt: kein Plan B. Aber ich habe mir jetzt was überlegt: Wenn meine musikalische Karriere in Kürze zu Ende wäre, würde ich Rennfahrer werden.

Jennifer: Kariert ist Dein Lieblingsmuster, oder?

Nö, gar nicht.

Jennifer: Aber Du trägst ständig karierte Hemden.

Das stimmt überhaupt gar nicht. Nee, nee, nee. Das letzte karierte Hemd habe ich vor einem halben Jahr getragen. Na ja, sagen wir: vor vier Monaten. Über die karierten Hemden bin ich hinweg. Ich bin jetzt bei Jeanshemden angelangt. Mein Gitarrist Darius, der trägt immer karierte Hemden. Drei Stück hat er. Und obwohl ihm Fans einige neue geschenkt haben, zieht er die einfach nicht an.

Melanie D: Gibt es etwas, das Du bereust?

Nö. Natürlich macht und sagt man ständig Sachen, die man nicht hätte sagen oder machen sollen. Aber es wäre extrem müßig, sich da ständig mit zu beschäftigen. Ich bin einfach nicht der Hätte-, Wenn- und Aber-Typ. Eher der Basta-Typ.

Jennifer: Geht Ihr nach Konzerten feiern?

Nee, da bin ich raus. Meine Band kann das machen, aber ich muss ja singen am nächsten Tag. Auf Tour spielen wir 32 Konzerte am Stück, da ist nichts mit Feiern. Wenn ich Alkohol trinke, bin ich die nächsten drei Tage außer Gefecht. Für die Stimmbänder ist es auch doof, wenn sie trocken werden durch den Alkohol.

Jennifer: Hast du ein Mitspracherecht bei deinen Videos?

Andersrum: Es gibt andere Leute, die ein Mitspracherecht haben. Aber die Ideen kommen von mir. Klar: Wenn jemand aus meinem Management sagt: Da hattest du eine Kack-Idee, dann beraten wir uns noch mal. Aber es ist nicht so, dass die Plattenfirma alles vorschreibt. Bei Leuten, die aus Castingshows kommen, mag das schon eher sein.

Jennifer: Arbeitest du lieber im Studio und an deinen Videos, oder trittst du lieber live auf?

Das sind völlig unterschiedliche Sachen. Aber über Konzerte geht nichts. Wenn man nur auf Videos hin arbeiten würde, wäre das der falsche Beruf.

Zur Person:

Aufgewachsen ist der 26-Jährige im Berliner Bezirk Köpenick. Als Jugendlicher spielte er beim 1. FC Union Berlin Fußball. Später studierte er Evangelische Theologie und Nichtchristliche Religionen. Seine Musiker-Karriere begann mit Gitarrenunterricht, im Alter von 16 Jahren schrieb er die ersten Lieder. Als Sieger eines Talentwettbewerbs durfte er im Sommer 2009 vor rund 20 000 Zuschauern auf der Berliner Waldbühne auftreten. Es folgte ein Plattenvertrag bei Sony Music.