Berlin. Helmfried von Lüttichau spielt mit Christian Tramitz den Staller in der ARD-Serie „Hubert und Staller“. Heute läuft die 100. Folge.

„Sie rufen aus Berlin an? Verstehen Sie dann überhaupt die Gags bei ‚Hubert und Staller‘, trotz Dialekt?“ So ganz scheint Helmfried von Lüttichau immer noch nicht fassen zu können, dass man auch woanders in der Republik Spaß hat an den urbayerischen Polizisten, die im trügerisch-idyllischen Voralpenland auf Verbrecherjagd gehen. Ist aber so, die durchschnittlich 2,36 Millionen Zuschauer können ja auch nicht alle aus dem Freistaat kommen. Seit 2011 ist Lüttichau der Vorabend-Bayer vom Dienst.

Seitdem spielt er den Polizeiobermeister Johannes Staller, der seine Ungeschicklichkeit mit Euphorie ausgleicht. An seiner Seite: sein alter Schulfreund Christian Tramitz. Am Mittwoch, 22. November, läuft um 18.50 Uhr in der ARD die 100. Folge, die Woche darauf geht es mit 16 neuen Folgen in die siebte Staffel. Zumindest für Lüttichau ist es die letzte. Er will sich künftig anderen Aufgaben widmen. Welche das sein werden und warum er mit der Rolle, die ihn spät berühmt machte, abschließt, darüber will er nicht reden.

Meister der Selbstironie

Nicht jetzt, um keine Aufmerksamkeit von Jubiläum und neuer Staffel abzuziehen. 61 Jahre ist der kinderlose Witwer gerade geworden. Zu jung, um sich nur noch Bergwanderungen und Weinverkostungen zu widmen. Aber auch kein Alter mehr, in dem es haufenweise neue Rollen gibt. Lüttichau wird wissen, was er tut. Schon sein ausgeruhter Sprachrhythmus klingt nach Gelassenheit, dazu kommt der selbstironische Humor irgendwo zwischen Bildungsbürger und Bohemien. Veränderte Situationen jedenfalls bringen ihn nicht aus der Balance.

Wer in seiner Kindheit einmal mit einem Einschnitt zurechtkam, ist gewappnet fürs Leben. Geboren in der Hochdeutsch-Hochburg Hannover zog er mit acht Jahren mit seiner Familie nach Bayern. „Ein Kulturschock“, erinnert er sich. „Es war hart, ich kam erst in die Dorfschule im Münchner Umland, da habe ich die Mitschüler gar nicht verstanden.“ Ein Mitschüler aus Holland, der schon länger in der Diaspora lebte, übersetzte dann für ihn.

Mittelmäßige Aufführung auf einer Provinzbühne

Heute sieht er sich als Bayer, auch wenn er Bairisch nur in seiner Rolle spricht: „Bayern hat mich geprägt. Ich hab diese Mentalität verstanden, diese Mischung aus unnahbarem Grant und tiefer Empfindung. Denn Bayerisch ist bei Weitem nicht nur das Krachledernde oder die CSU. Bayern ist auch Anarchie.“

Vor ziemlich genau 20 Jahren, mit 40, warf er einmal alles hin. Bis dahin hatte er immer feste Verträge an Theatern, in Berlin, Wuppertal, Oberhausen, Düsseldorf gehabt. Dann wollte er nur noch eines: weg. „Es gab am Theater so eine Grunddepression. Viele Leute waren resigniert und traurig“, sagt er. „Anfangs denkt man, man könnte die Welt verändern, und dann landet man in einer mittelmäßigen Aufführung auf einer Provinzbühne. Ich dachte, ehe ich auch so werde, mache ich jetzt mal was anderes.“

Bürgerliches Leistungsstreben nie oberste Tugend

Fernsehschauspieler, das war sein Ziel. Es lief gut an, er spielte „unrasierte Ganoven“ in Krimiserien wie „Tatort“ oder „Alarm für Cobra 11“. Und dann kamen die Durststrecken. Sich von denen nicht nervös machen zu lassen, das habe er, der den Graf im Namen trägt, seiner adeligen Herkunft zu verdanken. Zwar waren die Eltern beide Beamte, doch bürgerliches Leistungsstreben war daheim nie oberste Tugend.

Zuversicht, Haltung und ein Selbstverständnis, das sich nicht abhängig macht von Produktivität – das waren die wirklich wichtigen Werte. Also jobbte er bei mangelnden Angeboten mal in einer Weinhandlung, mal schrieb er Gedichte oder ein Kabarett – nicht, um es zu veröffentlichen, sondern aus Spaß daran. Seit er die 60 überschritten habe, sei er so erfolgreich, glücklich und fit wie nie. Dabei weiß er, wo er steht: „Man muss der Tatsache ins Auge sehen, dass man im letzten Drittel lebt.“ Eine bessere Zeit für einen Neuanfang wird es nicht geben.

Mittwoch, 22. November, 18.50 Uhr, 100. Folge „Hubert und Staller“.