Berlin. Auf der Bühne ist Alice Cooper ein Schock-Rocker. Privat sieht das ganz anders aus. Er spielt Golf und geht regelmäßig in die Kirche.

Er ist ein Mann mit Geschichte: Durch Bühnenshows mit Schlangen, Guillotine und Kunstblut setzte Alice Cooper Schockrockmaßstäbe für Nachfolger wie Marilyn Manson. Zu seinem Über-Hit „Poison“ rockten Generationen in Partykellern und auf Abifeiern. Der 69-Jährige aus Detroit war Inspiration für die Rocky Horror Picture Show und wurde in die Hall of Fame aufgenommen.

Bei so einem wilden Leben kann man schon mal was vergessen. Cooper fand jetzt zufällig in einem Lager seinen 40 Jahren alten Warhol-Siebdruck wieder, der jetzt Millionen wert ist. Am Freitag erscheint Coopers neues Album „Paranoid“.

Wie soll ich Sie ansprechen: Alice Cooper oder Vincent Damon Furnier?

Alice Cooper: Nur meine Mutter hat mich Vincent Damon Furnier genannt. Es gibt zwei Alices: mich und den Typen auf der Bühne. Für diesen Charakter schreibe ich Songs.

Warum trennen Sie so scharf zwischen dem Bühnencharakter Alice und Ihrer wahren Identität?

Alice Cooper spielt sogar Golf.
Alice Cooper spielt sogar Golf. © imago/ZUMA Press | imago sport

Cooper: Sehen Sie mal: Jim Morrison, Jimi Hendrix oder Kurt Cobain sind gestorben, weil sie zu jeder Zeit wie ihr Bühnencharakter sein wollten. Dafür haben sie gesoffen und Drogen genommen. Ich habe das bei Jim Morrison beobachtet, der ein sehr guter Freund von mir war. Nur um sein Image leben zu können, hat er sich Pillen eingeschmissen, wie andere Leute Bonbons essen und dann noch mit Jack Daniels runtergespült. Als ich mit dem Saufen aufgehört habe, habe ich für mich entschieden: Ich will mit der Bühnenfigur Alice Cooper koexistieren. Ich will sie aber nicht ständig sein. Lass Alice auf der Bühne sein, wie er ist: Der arrogante, bösartige Typ. Er ist nicht verheiratet, er möchte keine Kinder haben und kein Golf spielen. Er will einfach nur performen. Ich ­freue mich, Alice auf der Bühne sein zu können, weil ich noch ein normales Leben neben dieser Figur haben kann. Wenn der Vorhang fällt, bin ich eine völlig andere Person als auf der Bühne.

Hat der Bühnen-Alice zu Ihrer Alkohol- und Drogensucht beigetragen?

Cooper: Ich bin der Erzeuger von Alice, und der hat manchmal mehr Probleme als Alice selbst. Als ich getrunken und Drogen genommen habe, hat mich mein Psychiater gefragt: Wie viel trinkt Alice auf der Bühne? Ich habe geantwortet: Er trinkt niemals. Der Arzt hat dann gesagt: Alice ist nicht das Problem, er ist immer nüchtern. Sie selbst sind das Pro­blem. Meine Alkohol- und Drogensucht hatte nichts mit Alice zu tun, sondern nur mit mir selbst.

Sie sind gläubiger Christ. Wie denken Sie über den weit verbreiteten Okkultismus und Satanismus im Hardrock-Business?

Cooper: Mein Vater war Pastor. Ich bin in einer protestantischen Familie aufgewachsen. Davon habe ich mich im Laufe meines Lebens weit entfernt. Als ich beinahe an meiner Alkoholsucht zugrunde gegangen bin, kehrte ich zurück, weil ich die Verbindung zu Jesus Christus vermisst habe. Viele Menschen haben die seltsame Vorstellung, das Christentum sei eine Ansammlung von rechtskonservativen Typen, die Schwule und andere Gruppierungen hassen. Ich hasse niemanden. Gleichzeitig heißt es: Christen können keine Rockstars sein. Jesus hat noch nie zu mir gesagt: Übrigens, du kannst kein Rockstar sein. Er hat gesagt: Wenn du Rockstar sein willst, sei der beste. In meiner Show gibt es nichts Satanisches. Dort gibt es eine Menge schwarzen Humor und andere lustige Dinge. Blasphemische Aspekte wird es aber nie geben.

Sie stellen im Rock-Business eine Ausnahme dar: Sie sind seit 41 Jahren mit derselben Frau verheiratet.

Cooper: Meine Frau ist immer bei mir. Sie spielt die Krankenschwester. Die Jungs pfeifen hinter ihr her und sagen: Wow, schaut euch diese Krankenschwester an. Sie ist 60 Jahre alt, sieht aber aus wie 30. Ich habe meinen Glauben, an dem ich versuche, mein Leben auszurichten. Ich habe niemals meine Frau betrogen, ich trinke keinen Alkohol und nehme keine Drogen mehr. Ich gehe in keine Stripbars. Warum sollte ich? Ich habe eine tolle Frau. Ich bin bestimmt nicht Mister Holy Holy, doch ich versuche so zu leben, wie ich denke, dass es Gott gefallen würde. In der Welt des Rock ’n’ Roll ist dies ein durchaus ungewöhnlicher Lifestyle.

Haben Sie zu Gott gebetet, dass er Ihnen hilft, von Ihrer Sucht loszukommen?

Cooper: Oh ja, und auch meine Frau und der Vater meiner Frau. Das Lustige ist: Unsere Kinder, so verrückt sie sein mögen, hatten niemals Probleme mit Alkohol oder Drogen. Meine Tochter ist die Sängerin der Metalband Beasto Blanco, und dennoch schafft sie es, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen.

Begleiten Sie Ihre Tochter dorthin?

Cooper: Na klar, unsere ganze Familie geht regelmäßig in die Kirche. Ich lese auch jeden Tag 20 Minuten in der Bibel. So bleibe ich mit Gott in Verbindung. Nach dem Frühstück lese ich in der Bibel, dann gehe ich neun Bahnen Golfspielen und anschließend bereite ich mich auf die Show vor.