Essen. Zusammen mit Reinhold Messner bezwang Peter Habeler als erster Mensch den Mount Everest ohne Zusatz-Sauerstoff. Der Bergsteiger wird 75

Plötzlich war geschafft, was keiner für möglich gehalten hatte: Am Mittag des 8. Mai 1978 ging ein Skilehrer und Bergführer aus dem österreichischen Zillertal in die Geschichte ein. Zusammen mit seinem Partner Reinhold Messner stand Peter Habeler damals auf dem höchsten Punkt der Erde, dem 8848 Meter hohen Gipfel des Mount Everest. Als erste Menschen hatten sie ihn ohne zusätzlichen Sauerstoff bezwungen. Schluchzend vor Erschöpfung und Glück fielen die beiden sich in die Arme. Am Samstag ist Habeler 75 Jahre alt geworden.

„Es ist ein Wahnsinn, wenn man da oben steht“, erinnert sich der Extrembergsteiger im Interview mit dieser Zeitung und spricht von einer „unglaublichen Ausschüttung von Hormonen“ in jenen Tagen. Habeler und Messner, damals 35 und 33 Jahre alt, waren in der Form ihres Lebens. Den Berg Hidden Peak (8080 Meter) hatten sie schon 1975 ebenfalls ohne Zusatz-Sauerstoff gemeinsam bestiegen.

Niedriger Sauerstoffdruck

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    Eine Pioniertat. Außerdem hatten sie die Eiger-Nordwand so schnell durchklettert wie niemand zuvor. Ihr neues Ziel aber hatte eine ganz andere Dimension. „Wenn man sich damals in alpinen Kreisen gefragt hat, was wäre denn ein Überhammer, dann hat fast jeder gesagt: Der Everest ohne Sauerstoffgeräte! Wir waren vollkommen darauf programmiert, das zu tun. Und ich hatte den besten Partner der Welt. Wir haben uns gut und wortlos verstanden.“

    Das größte Problem: In dieser eisigen Höhe ist der Sauerstoffdruck so niedrig, dass ein Gehirnschaden oder ein Schlaganfall droht, oder aber eine Sehstörung, Bewusst- und Orientierungslosigkeit. Experten prophezeiten: Entweder kommen die beiden als Verrückte zurück oder gar nicht. Das Traumduo glaubte trotzdem an sich. „Wir waren jung, wir waren stark, wir waren höhentauglich“, sagt Habeler.

    Anstrengung und Willenskraft

    Im Morgengrauen krochen sie aus ihrem Zelt am Südsattel auf 8000 Höhenmetern. Der knietiefe Schnee, die brutale Kälte, der rasende Starkwind, die Atemnot und der tückische Nebel: All das machte jeden Tritt am Hillary-Step, der berühmten senkrechten Felsstufe, zu einer Frage von Leben und Tod. Teilweise robbten sie auf Knien und Händen. Acht Stunden später, nach unsagbarer Anstrengung und Willenskraft und zuletzt ohne Seilsicherung, hatten sie das Unmögliche möglich gemacht.

    Während Messner auf dem Gipfel weiter filmte, stieg Habeler in der Rekordzeit von nur einer Stunde zum Zelt ab, großteils auf dem Hosenboden rutschend, 45 Grad steil und scharf an einem 3000 Meter tiefen Abgrund entlang. „Ich hatte Glück. Die Sache ging sozusagen nicht in die Hose“, sagt er. Intuitiv habe er sich auf sein Können verlassen, das er schon als Kind erworben hat. Von Gehirnschäden blieben beide verschont. Es folgte der Ruhm: Die Aufnahmen von Habeler und Messner in ihren Thermo-Overalls gingen um die Welt.

    In Nepal kraxeln

    Bis heute ist Habeler fit. Im März erst ist er durch die komplette Eiger-Nordwand geklettert. Ohne Probleme. Vor wenigen Wochen verunglückte er dann aber doch. „Ich hatte erstmals mein E-Bike ausprobiert. Beim Bergauffahren bin ich gestürzt und in einen Graben geflogen.“ Nach einer kleinen Operation hat er jetzt einige Wochen Kletterpause. Bald wird er aber wieder in den Dolomiten und in Nepal kraxeln.

    „Mein Schlüssel zur Gesundheit ist es, das Leben einfach zu halten“, sagt er. „Einfach in der ganzen Gestaltung und einfach auch am Küchentisch. Und dann hatte ich immer eine positive Einstellung. Und – das ist ohnehin der beste Jungbrunnen – die Freude am Bergsteigen, an der Bewegung, Freude ­daran, Freunde zu treffen, die gleich denken. Das ist schon die halbe Maut. Wenn man sich seine Freude erhält, kann nichts schiefgehen.“

    Habeler sorgte für Imagewandel im Alpinismus

    Zum Hintergrund: Nur rund 150 Bergsteiger haben es bislang ohne Sauerstoffhilfe auf den Everest geschafft. Zum ersten Mal bestiegen wurde der Berg am 29. Mai 1953 von Edmund Hillary und Tenzing Norgay. Für den Alpinjournalisten Uli Auffermann ist Habeler einer der größten Bergsteiger. Der Österreicher habe den Alpinismus revolutioniert und mit seinem Stil vom „krachledernen Image entstaubt.“