Berlin. Mit 73 Jahren zieht es Liedermacher Stephan Sulke wieder in die Öffentlichkeit. Der Schweizer ist seinem Thema treu geblieben: Liebe.

Stephan Sulke ist 73 Jahre alt – und kann immer noch wunderbar über Herzensangelegenheiten singen. Beim Interview im Berliner Hotel Steigenberger erzählt er, was für ihn Heimat ist, und plaudert über sein Lieblingsthema, die Liebe.

Ihre Eltern sind 1939 vor den Nazis aus Berlin geflohen. Vier Jahre später wurden Sie in Shanghai geboren, nach dem Krieg wuchsen Sie in der Schweiz auf. Wo fühlen Sie Heimat?

Stephan Sulke: Da muss ich Sie enttäuschen. Ich bin der 100-prozentig Heimatlose. Ich fühle mich wohl, dort, wo ich bin. Ich spreche vier Sprachen fließend und zwei noch so nebenbei. Ich bin wirklich sehr Europäer.

Das ist ja eigentlich eine Stärke.

Sulke: Es hat aber auch einen gewissen Nachteil. Das Stallgefühl geht komplett ab. Manchmal ist da bei mir so eine wehmütige Eifersucht auf Menschen, die immer an der gleichen Stelle gewesen sind. Die Wurzeln haben. Manchmal sehne ich mich nach so was.

Sie haben nun mit 73 Jahren ein neues Album herausgebracht. Es gibt ein Lied auf der neuen Platte, da singen Sie: „Wenn einer so wie ich erzogen ist, kein Wunder, wenn der mal den guten Ton etwas vermisst.“ Fehlt Ihnen der gute Ton heute manchmal?

Sulke: Und wie. Schauen Sie mal, ich wurde erzogen! Meine Mutter hat sich vor die Tür gestellt, mich angeguckt und gewartet, dass ich gefälligst die Tür aufmache. Das war einfach selbstverständlich. Oder dass du dich erst hinsetzt, wenn sie sitzt.

Klingt nach alter Schule.

Sulke: Das Schönste, was es gibt, ist doch dieser Unterschied zwischen Männlein und Weiblein. Ich bin absolut gegen das Emanzentum. Das widert mich an. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin nicht gegen Gleichberechtigung. Ich finde, dass eine Frau im Job den gleichen Preis bekommen muss wie ein Mann. Das ist für mich kein Diskussionsthema. Das ist selbstverständlich. Dass sie die gleichen politischen Rechte hat wie ein Mann. Alles okay. Und wenn sie mit Sex nichts zu tun haben will, ist das auch okay. Es geht mir darum, dass das Ritterliche verloren geht. Dass der Mann gefälligst ein bisschen Untertan sein soll gegenüber der Dame.

Spiegelt sich das in Liedern heute wider? Sind die Texte anders?

Sulke: Die Musik ist genau das Gegenteil. Wenn Sie die ganzen Hip-Hop-Typen sehen. Es gibt ja mittlerweile einen männlichen Chauvinismus, bei dem die Mädels nur noch reine Sexualobjekte sind. Wo genau das Gegenteil passiert. Würde mich nicht erstaunen, wenn das eine Reaktion ist. Wenn das Pendel zu ex­trem in die eine Richtung geht, dann geht es plötzlich in die andere Richtung zu extrem.

In Ihren Songs geht es auch um Liebe. Gibt es die große Liebe?

Sulke: Das Leben wird sehr öde, wenn man nicht irgendjemanden hat, den man hochtragen kann. Das ist eigentlich meine Definition von Liebe: Liebe hat für mich etwas mit Vergötterung zu tun.

Wie ist die Liebe mit 73?

Sulke: Sie ist weniger sexuell. Ist ja klar. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Liebe in Wirklichkeit eine unerreichbare Chimäre ist. Es geht einfach immer in die Hosen. Es ist irgendwo nicht machbar.

Also keine lebenslange Liebe?

Sulke: Natürlich gibt es die. Aber das ist Glückssache. Faust: „Ach, Augenblick, verweile doch“ – in Wirklichkeit sind es Momente, die ja dann auch nur Illusionen sind. Es sind diese Bilder, die man sich macht. Das hat doch jeder erlebt. Man hat irgendwie eine Jugendliebe, für ihn war sie die Göttin und für sie er der Gott. Dann trifft man sich per Zufall 40 Jahre später – und ist absolut erschrocken. Man merkt, dass man sich in etwas verliebt hat, das es gar nicht gibt.

Sie leben nun schon sehr lange mit einer Frau zusammen.

Sulke: Seit ewig. Seit 40 Jahren.

Spielen Sie die Lieder Ihrer Frau vor? Ist Sie von Ihrer Fantasie überrascht?

Sulke: Mache ich nie. Das habe ich immer getrennt. Erstens gibt es ein sprachliches Problem, weil ihr Deutsch niemals reichen würde für die Komplexität meiner Texte. Sie ist Italienerin. Zweitens: Wahrscheinlich würde sie mich stören.

Sie würde Sie stören?

Sulke: Ja, glaube ich schon.

Geht Sie denn auf Ihre Konzerte?

Sulke: Natürlich. Und scheißt mich dann die ganze Zeit zusammen, wie schrecklich ich sei.