Sydney. Zum dritten Mal tritt das Land beim Eurovision Song Contest an. Isaiah Firebrace (17) will mit seinem Auftritt Brücken schlagen.

Der Kandidat aus Montenegro trägt am liebsten außer seinem Zopf nur noch knallenge Lederhosen, die Isländerin singt eine Ballade über Papier: An schrägen Persönlichkeiten mangelt es auch dieses Jahr beim Eurovision Song Contest nicht. Der wohl ungewöhnlichste Kandidat aller Zeiten aber ist der erst 17-jährige Isaiah Firebrace. Denn er war noch nie in Europa. Er lebt sogar so weit weg von Europa, wie es nur möglich ist. Er hat auch keine europäischen Wurzeln.

Isaiah Firebrace ist Aborigine, australischer Ureinwohner. Da sein Land verrückt ist nach dem Eurovision Song Contest, darf es als eine Art Ehrengast am nächsten Samstag in Kiew zum dritten Mal an dem Gesangswettbewerb teilnehmen. Der trägt dieses Jahr das Motto: „Vielfalt feiern.“

Mit seinem schmalen Gesicht und den braunen Locken hat der Nachwuchssänger, der im vergangenen Jahr die Castingshow
„X Factor Australia“ gewonnen hat, das Zeug zum Teenie-Star. Sein Lied „Don’t Come Easy“ ist eine gefühlsgeladene Ballade, die bestens zur Eurovision-Tradition passt. In den skandinavischen Ländern ist der Titel schon jetzt ein Hit.

Der ehrgeizige junge Mann hat sich quasi selbst empfohlen für den Wettbewerb. Nach seinem Sieg bei „X Factor“ verriet er sein nächstes großes Ziel: die Teilnahme am Eurovision Song Contest. „Plötzlich tauchte ich auf Listen als einer der gehandelten Kandidaten auf“, sagt Isaiah. „Dann stiegen auf einmal alle darauf ein. Es wuchs zu einer Lawine heran, und plötzlich wurde es wahr.“

Isaiah ist keine aus dem
Nichts hochgespülte Castingshow-Sternschnuppe. Hinter seinem Erfolg steckt Arbeit. Denn dort, wo Isaiah aufwuchs, liegt
eine Popstar-Karriere nicht unbedingt nahe. Er kommt aus
Moama, einem 5500-Seelen-Nest im Südosten Australiens, im Landesinneren. Yorta Yorta nennt sich sein Volk, das den Osten des Kontinents seit über 40 000 Jahren besiedelt. Er hat zehn Geschwister, sein Vater schenkte ihm eine Gitarre. Täglich fuhr er drei Stunden mit dem Bus nach Melbourne zu seiner Gesangsschule und wieder zurück. Im Alter von 15 Jahren dann die große Chance: sein erster Fernsehauftritt. Doch er scheiterte. Auf der Bühne konnte er sich nicht mehr an seinen Liedtext erinnern. Lampenfieber und Nerven hätten auch beinahe seinen Start bei „X Factor“ im vergangenen Jahr torpediert, doch die Jury gab dem Teenager eine zweite Chance. Die nutzte Isaiah und gewann am Ende sogar das Finale. Sein Mentor ist der US-Popstar Adam Lambert („Ghost Town“): „Isaiah weiß, wie man Magie schafft“, sagt er über seinen Schützling, der bei manchen Tönen klingt wie Soullegende Marvin Gaye. „Er erreicht die Zuschauer mitten im Herz.“

Australien ist verrückt nach dem Eurovision Song Contest

Mit seinem Auftritt in der Ukraine hofft der junge Aborigine, auch andere indigene Kinder zu inspirieren. Denn obwohl mehr und mehr Ureinwohner auch in Politik und Entertainment präsent sind, sehen sich viele in Australien immer noch Vorurteilen und Benachteiligung ausgesetzt. Umso wichtiger ist es für Isaiah, Brücken zu bauen. „Ich bin mehr als aufgeregt und dankbar für die Chance, dieses schöne Land zu repräsentieren“, sagt er. „Ich will Australien stolz machen.“

Seit 1983 wird der Grand Prix in Australien ausgestrahlt – die vielen Nachfahren europäischer Siedler halten die Traditionen ihrer Herkunft hoch. Die Quoten sind gigantisch, und das, obwohl die Live-Sendung in Australien in die frühen Morgenstunden fällt. Als Dank für diese enorme Treue gestattete der Gesangswettbewerb dem Land anlässlich seines 60. Jubiläums vor zwei Jahren zum ersten Mal, auch einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Im vergangenen Jahr schaffte es die Sängerin Dami Im sogar auf den zweiten Platz.

In seinem Heimatort ist Isaiah schon längst ein Held. Ein Café hat sogar schon einen Smoothie nach ihm benannt – „Isaiah’s Dream“, also „Isaiahs Traum“.