Bray/Dublin . Die irische Sängerin Sinéad O´Connor kämpfte gegen Kirche, Staat und das Establishment. Ihre Gesundheit hat dabei schwer gelitten.

Bray ist das Brighton von Irland. Ein Badeort an der Westküste, 45 Autominuten südlich von Dublin, in den am Wochenende ganze Heerscharen von Touristen einfallen. Zum Unmut von Sinéad O´Connor, die hier ein Haus direkt am Strand besitzt – unschwer zu erkennen an den Ecksteinen in Grün und Rot, den Nationalfarben von Jamaika, der Insel, der sie ihre Liebe zum Reggae verdankt. „Jeder weiß, wo ich wohne“, empfängt sie mit einem spröden Lächeln.

„Aber weil mich die meisten Leute für verrückt halten, lassen sie mich in Ruhe. Was ich sehr begrüße“, so die Frau mit den grauen Haarstoppeln und den Tattoos, die unter einem Schlabberpulli hervorlugen. „Ich wohne hier mit meinen beiden jüngsten Söhnen, die gerade in der Schule sind“, sagt sie und führt in ein Haus, das dezent chaotisch wirkt: In der Küche türmt sich schmutziges Geschirr, überall liegen Spielzeug und Kleidung, und ein imposanter Kater thront auf einem der schwarzen Ledersessel im Wohnzimmer.

Brutalität von kirchlichen Einrichtungen

O’Connor, die an diesem Donnerstag bereits 50 Jahre alt wird, bittet in die erste Etage, in ihren „Vishnu Room“: Ein rosa gestrichenes Zimmer, ausgelegt mit orangenen Matratzen, Rastafari-Symbolen und Zeichnungen von Hindu-Gottheiten. „Hier ziehe ich mich zurück, um zu lesen, zu schreiben und zu rauchen“, grinst sie. „Das ist die Ruhe, die ich brauche.“ Schließlich, so gibt sie zu, leide sie immer noch unter den Anfeindungen und dem Hass der späten 80er und frühen 90er, als sie sich mit der katholischen Kirche, aber auch der konservativen Gesellschaft angelegt hat.

„Ich habe alles getan, was irische Frauen normalerweise nicht tun: Ich habe die Brutalität von kirchlichen Einrichtungen und die sexuellen Übergriffe meines Vaters angeprangert, mich für das Recht auf Abtreibung ausgesprochen, ein Bild vom Papst zerrissen und meine Sexualität ausgelebt – mit Männern und Frauen.“

Sprachrohr einer liberaleren Inselnation

Was die Tochter aus gutbürgerlichem Hause zum Schreckgespenst des Establishments und zur Heldin der Jugend gemacht hat. Eben als feministische Ikone, als Sprachrohr einer liberaleren Inselnation und nicht zuletzt als Popstar, der mit den ersten Alben „The Lion And The Cobra“ (1987) und „I Do Not Want What I Haven’t Got“ (1990) und natürlich mit „Nothing Compares 2 U“ international Erfolg feierte. Den nutzte sie zur Flucht von der Insel. „Mit 17 bin ich nach London und später nach Los Angeles – weil ich hier wegmusste. Aber 2000 bin ich zurückgekehrt, um mich meinen Kritikern zu stellen.“

Das hat sie Energie, Kraft und Gesundheit gekostet. „Ich habe zu viel getrunken und geraucht, mir zu viele Tattoos stechen lassen, um zu zeigen, wie stark ich bin, und ich habe mich mit den falschen Menschen eingelassen.“ 2011 ist ein besonders dramatisches Jahr, in dem sie Suiziddrohungen und verzweifelte Hilferufe ins Internet stellt. Wenige Monate später sagt sie ihre geplante Tour wegen einer manisch-depressiven Erkrankung ab.

O’Connor gilt als suizidgefährdet

Auch in diesem Jahr beunruhigt sie ihre Angehörigen und Fans wieder: Zuerst im Mai, als sie zu einer Radtour in der Nähe von Chicago aufbricht und nicht gleich zurückkehrt – sie gilt als suizidgefährdet. Die Polizei findet sie kurze Zeit später, und O’Connor beklagt sich bitterlich über ihre Familie auf Facebook. Ende Oktober gibt sie bekannt, dass sie nach „30 Jahren als Kifferin“ einen Drogenentzug gemacht habe, nun clean sei und für ein Jahr in einer Einrichtung für ehemalige Abhängige leben werde.

Ihre berühmte Äußerung, zu drei Vierteln hetero und zu einem Viertel lesbisch zu sein, kommentiert sie heute mit einem trockenen Lachen: „Ich musste mir irgendwann eingestehen, dass ich Sex mit Männern befriedigender finde. Und ich mag ihn sehr. Er hat etwas Göttliches. Das ist etwas, auf das ich nicht verzichten könnte.“ Dennoch sei sie jetzt Single. „Ich habe keine Lust mehr, verletzt zu werden, und ich habe genug um die Ohren, mit den Vätern meiner Kinder klarzukommen.“