Essen . Mit seiner Hauptrolle in „Uhrwerk Orange“ wurde Malcolm McDowell zum Weltstar. Der Ruhm war für den Briten ein zweischneidiges Schwert.

Interviews sind normalerweise das Ergebnis langer Verhandlungen und Anbahnungen. Bei Malcolm McDowell sieht das so aus: Ein Freund und Kontaktmann von ihm meint, man solle einfach anrufen. Der britische Schauspieler, der in der idyllischen kalifornischen Kleinstadt Ojai lebt, geht sofort ans Telefon und würde am liebsten gleich loslegen. Weil es zu dem Zeitpunkt in Deutschland kurz vor Mitternacht ist, vertagt man sich – und spricht ganz ohne PR-Berater, die ja sonst immer auf die Zeit achten. Nur vereinzelt meldet sich McDowells dritte Ehefrau, die mithört, zu Wort und ergänzt ein Detail. Mit Malcolm McDowell sprach Rüdiger Sturm.

Sie wurden in den 70er-Jahren mit Filmen wie „Uhrwerk Orange“ berühmt und drehen mit 73 immer noch ein Projekt nach dem anderen. Haben Sie schon mal an Ruhestand gedacht?

Malcom McDowell: Nein. Wenn mal das Telefon nicht mehr bei mir klingelt, dann werde ich wohl langsamer treten. Aber momentan klingelt es so häufig wie noch nie. Vielleicht liegt das daran, dass meine Konkurrenten alle aussterben. Ich bin jedenfalls jemand, der nicht zurückschaut. Wenn mich Leute fragen: „Was ist Ihre Lieblingsrolle?“, dann sage ich: „Die nächste.“ Deshalb war ich auch froh, als mir Amazon die wunderbare Serie „Mozart in the Jungle“ anbot, wo ich den ehemaligen Dirigenten der New Yorker Symphoniker spiele.

Ab 27. Oktober sehen wir Sie auch noch als „Master Death“ in dem blutigen Horrorfilm „31“. Wie sind Sie in dem Film gelandet?

Weil der Regisseur Rob Zombie ein Freund von mir ist. Er wollte mich seinerzeit in seinem Remake von „Halloween“ besetzen, wir trafen uns und schüttelten uns eine Stunde nur so vor Lachen. Ich mag es, mit Freunden zu arbeiten.

Und Sie mögen Horrorstreifen?

Nicht besonders. Die sehe ich mir bei der Premiere an, und dann lasse ich’s gut sein. Aber die Dreharbeiten sind immer sehr spaßig. Da liegen die Leichen auf dem Boden, auf einmal heißt es „Pause“, und alle stehen auf und setzen sich zum Essen hin.

Mit Stanley Kubricks „Uhrwerk Orange“ wurden Sie zum Weltstar. Aber das kann auch eine Bürde sein.

Das Ganze war ein zweischneidiges Schwert. In den zehn Jahren danach habe ich den Film gehasst. Ich konnte ihn nicht mehr ertragen. Denn die Leute meinten, ich könnte nichts anderes als diese Sorte von Rollen und sollte immer das Gleiche machen. Aber ich wollte den Teil von mir, der diese Rolle geschaffen hatte, nicht wieder anrühren. Das war ein Geheimnis von Stanley und mir. Man denkt, Hollywood sei das Zentrum der Kreativität, aber eigentlich ist es das Gegenteil – das Zentrum des Business. Und Geschäftsleute brauchen Versicherungen. Man besetzt einen Tom Cruise, denn mit dem gibt es eine Versicherung, dass genügend Zuschauer am Startwochenende in die Kinos gehen.

Sie haben erwachsene Kinder. Was sagen die zu den großen Filmen ihres Vaters?

Um das Beispiel meiner Tochter zu nehmen: Die hat „Uhrwerk Orange“ lange Zeit gar nicht gesehen. Als sie ins Wohnheim ihrer Uni zog, war sie ganz erstaunt, weil alle möglichen Studenten das Poster im Zimmer hängen hatten. Ich erklärte ihr: „Junge Leute lieben diesen Film, und jede Generation entdeckt ihn neu.“ Sie konnte es nicht glauben, aber als sie ihn dann sah, verstand sie’s. Sie wollte übrigens eine Zeit lang sogar selbst Schauspielerin werden, aber inzwischen bekam sie Kinder und ist damit sehr glücklich.

Haben Sie Ihre Kinder ermuntert, in die Branche einzusteigen? Ihr Sohn ist Regisseur ...

Ich habe ihnen das garantiert nicht aufgedrängt. Dieses Metier kann auch echt schrecklich sein. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn du händeringend auf Jobs warten musst.