Berlin. Für Regisseur Dani Levy ist die Familie ein zentrales Motiv. Auch sein Film „Die Welt der Wunderlichs“ erzählt von Familien-Neurosen.

Sein erfolgreichster Film war „Alles auf Zucker!“. Jetzt hat Dani Levy wieder eine überdrehte Familienkomödie gedreht: „Die Welt der Wunderlichs“, die gerade Kritiker und Kinozuschauer begeistert. Darin geht es um eine alleinerziehende Mutter, die nicht nur mit einem hyperaktiven Kind geplagt ist – alle Familienangehörigen haben irgendwelche Neurosen. Beim Interviewtermin mit Regisseur Dani Levy in einem Café in Berlin-Schöneberg ist auch der Schauspieler Sebastian Blomberg, der einst bei Levys „Väter“ die Hauptrolle spielte, vor Ort. Das ist nicht abgemacht, Blomberg sitzt ganz zufällig da. Aber natürlich müssen die beiden erst mal ausgiebig miteinander plauschen, bevor der Regisseur sich dem Interview zuwendet.

„Die Welt der Wunderlichs“ erzählt von einer völlig neurotischen Familie, in der jeder eine Störung hat; Depression, Borderline, Burn-out, ADHS, bipolare Störung. Ist das nicht eigentlich ein eher tragisches Thema, darf man darüber eine Komödie drehen?

Dani Levy: Man muss darüber sogar eine Komödie drehen! Schon die von uns so geliebten amerikanischen Komödien der 30er- und 40er-Jahre zeigen viele Psychos. Neurosen jeglicher Art sind schon immer der Nährboden gewesen für intelligente Komödien über Menschen, die vor Abgründen stehen. Es wurde damals halt nicht so benannt.

Früher hat man das alles unter dem Sammelbegriff Neurose gefasst. Heute wissen alle gut, was ADHS und was Borderline ist. Sind das neue Volkskrankheiten in unserer Leistungsgesellschaft?

Levy: Klar, in unserer Zeit mit all ihrer Schnelllebigkeit werden die Ansprüche immer größer. Und entsprechend auch der Preis. Aber die Störungen sind nicht neu. Sie sind jetzt nur in den Medien, in der allgemeinen Wahrnehmung, in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Noch vor 20 Jahren war jemand, der wegen Depressionen mit Tabletten behandelt wurde, ein Exot. Heute ist das nichts Außergewöhnliches mehr. Damals haben die Betroffenen das verborgen, heute reden sie offen darüber. Die Komödie hat ja die Aufgabe, Dinge ans Licht zu zerren und über das Lachen ein Bewusstsein darüber zu vermitteln. Das war auch immer der jüdische Witz: sich über die Dinge lustig zu machen, über die man eigentlich nicht reden darf.

Wie gut kennen Sie solche Störungen selbst? Haben Sie auch schon auf der Psycho-Couch gelegen? Woody Allen holt sich da seine Ideen . . .

Levy: Nee, bei mir hält sich das bislang noch in einer gesunden Balance. Auch wenn es letzten Endes immer sehr anstrengend, chaotisch, verzweifelnd ist, was ich da mache, bin ich in der privilegierten Situation, dass ich sehr glücklich bin mit meinem Beruf. Und auch eine intakte Familie habe. Aber was meinen Bekanntenkreis angeht – oh ja. Auch in der Familie, sowohl bei mir als auch bei meiner Frau – oh ja. Da gibt es eine ganze Menge von Erkrankungen.

Ob bei „Alles auf Zucker!“ oder „Meschugge“: Immer geht es Ihnen in Ihren Filmen um Familie. Ist das Ihr großes Lebensthema?

Levy: Ja, das ist ein zentrales Motiv. Familie hat mit Geschichte zu tun. Da werden Vererbungen und Familienkonstellationen weitergegeben, sehr oft unbewusst. Familie ist der Ort, der Hort auch, in dem so etwas nicht entkommen kann. Selbst wenn du mit allen brichst, bist du noch lange nicht draußen.

Wie schaut es denn mit Ihren eigenen Kindern aus? Revoltieren diese?

Levy: Ich finde, unsere Kinder heute sind alle kleine Diktatoren. Die haben viel zu viele Freiheiten. Ich finde es ganz wichtig, dass man ihnen alle Liebe gibt und sie auf uns zählen können. Aber ich kritisiere in unserem ganzen Umfeld und auch an meiner Familie, dass die Kinder viel zu viel Raum für ihre Launen kriegen. Und nicht mit Konsequenz dazu erzogen werden, dass sie Teil einer Gesellschaft sind, dass es soziale Verantwortung gibt. Ich denke oft, ich bin viel zu weich, viel zu tolerant als Vater. Ich bin gar nicht konfliktfähig.