Berlin. Musiker Patrice liebt das Leben und gibt sich als Optimist – seinen Kampf gegen den Rassismus bezeichnet er dennoch als verloren.

Patrice begegnet den Unsicherheiten dieser Zeit mit einer klaren Haltung:Er bleibt Optimist.
Patrice begegnet den Unsicherheiten dieser Zeit mit einer klaren Haltung:Er bleibt Optimist. © Massimo Rodari

Reggae-Sänger Patrice (37) veröffentlicht am 30. September sein siebtes Studioalbum; „Life’s Blood“. Der als Patrice Babatunde Bart-Williams in Kerpen geborene Sohn eines Dichters aus Sierra Leone und einer Deutschen pendelt zwischen Köln, Paris und New York – wo Frau und Kinder leben. Er wurde mit Hip-Hop groß und mixt heute Reggae mit Soul, R&B, Blues und Funk. Nadine Emmerich sprach mit ihm über die Entstehung seiner neuen Platte, das Leben in Paris nach den Anschlägen und sein Engagement gegen Rechtsextremismus.

Ihr neues Album klingt weniger nach Reggae als die früheren.

Es ist auf jeden Fall ein etwas anderer Sound. Anfänglich war ein Best-of-Album geplant. Dazu habe ich eine Single gemacht und noch ein paar andere neue Lieder. Und dann haben wir uns gedacht: Das ist jetzt zu schade für ein Best of. Ich schreibe und produziere auch für andere und habe mir dann viele dieser Stücke noch mal angeguckt – ob sie auch für mich passen würden. Dadurch ist das Album losgelöster von meiner Person.

Was bedeutet der Albumtitel für Sie?

„Life’s Blood“ (engl.: „Das Blut des Lebens“) ist Wasser. In einer Welt, in der viele Werte verschoben sind, macht es Sinn, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Und Wasser ist das Wertvollste, was wir haben, weil wir es neben Luft am meisten brauchen.

Sie leben zeitweise in Paris. Wie fühlt es sich für Sie nach den Terrorakten an, dort zu sein?

Die Leute, die im November das Konzert im Bataclan veranstaltet haben, machen auch meine Konzerte. Es wurden Menschen angeschossen, mit denen ich arbeite, es war also schon sehr nah an mir dran. Natürlich war der Spirit in den nächsten Tagen ein ganz anderer. Menschen haben mich angesprochen und mir geraten, was ich zu tun habe, falls jemand anfängt aus dem Fenster zu schießen.

Sind Sie jetzt seltener dort?

Nein. Aber würde bei einem Konzert von mir etwas passieren, wäre das schlimm für mich. Ich fühle mich verantwortlich, die Leute sind wegen mir da. Ich finde auch nicht gut, wie Medien berichten. Dass man so ausgiebig darüber redet und die ganze Zeit Angst predigt, ist, als würde man Werbung für Terrorismus machen. Einer aus meiner Booking-Agentur hat unter Einsatz seines Lebens über 30 Leute aus dem Bataclan rausgeschleust. Darüber wird nicht geredet. Das wäre ein viel besseres Signal nach draußen: Am Ende gewinnt die Menschlichkeit.

Sie beschreiben sich dennoch als Optimisten.

Ich denke, dass meine Sicht realistisch ist. Man muss manchmal einen Schritt zurückgehen. Die Basis von allem ist: Ich lebe, ich darf hier sein. Das ist ein unglaubliches Privileg.

Ein großes Thema der Platte

sind Werte und Haltungen.

Ich glaube, dass wir in einer verwirrenden Welt leben. Ich verstehe Politik und das Finanzwesen nicht wirklich. Aber nicht, weil ich dumm bin. Sondern weil sich Werte verschoben und verzerrt haben. Was wir als Norm empfinden, ist nicht normal. Wir werden in einen Krieg geboren – die Regierung unterstützt etliche Kriege – und merken es nicht.

Sie waren Teil der Initiative Brothers Keepers, die sich im Jahr 2000 als Zeichen gegen wachsenden Rechtsextremismus gründete. Wäre es nicht Zeit, sich mit ihnen musikalisch zurückzumelden?

Den Kampf kann man als verloren bezeichnen. Die rechtspopulistische Propaganda gegen Flüchtlinge, die Verschiebung der Mitte nach rechts – ich kann Songs machen, ich kann Konzerte spielen, aber gegen solche Strömungen komme ich nicht an. Das ist frustrierend zu sehen, weil man versucht hat, das Ganze in die andere Richtung zu pushen. Aber Leute, die rassistisch sein wollen, die wollen das einfach. Die wollen etwas anderes glauben.