Paris. Hohe Kiefern und Ginster, weißer Sand und Holztreppen: Die sommerliche Kulisse bei der Modenschau von Chanel hätte echter kaum wirken können.

Die Januarkälte im ungeheizten Pariser Grand Palais ließ die Illusion von Sonne und Wärme in Karl Lagerfelds Haute-Couture-Präsentation allerdings schnell verfliegen. In dicke Mäntel gehüllt, blickten die Besucher auf den Laufsteg-Strand, auf dem schicke Belle-Epoque-Damen - also wie aus der Wendezeit vom 19. zum 20. Jahrhundert - auf dem Weg ins 21. Jahrhundert flanierten. Angezogen waren sie mit Kleidung, die für Frühjahr und Sommer 2013 bestimmt ist.

Geschickt mischte Lagerfeld historische Inspirationen und moderne Elemente. Zum goldschimmernden Tweedkostüm mit Pelerinenkragen und breitem Hut kombinierte er Spitzensandalen mit hohem Schaft, die an Leggings erinnerten.

Dem schwarzen Kleid im 60er-Jahre-Stil verpasste er einen silbernen Brokatsaum und lange Silberhandschuhe: Schon wirkte es zeitgemäß. Lagerfeld versteht es meisterhaft, zwischen verschiedenen Zeitebenen hin- und herzuzischen. Am Ende sieht es immer perfekt aus. Nur ein paar lange Kleider mit buntem Blütendruck, die an Duschvorhänge erinnerten, wirkten gewöhnungsbedürftig.

Jahreszeitlich schloss Chanel an Dior an: Raf Simons Haute-Couture-Schau vom Vortag glich einem Gedicht über die Schönheit des Frühjahrs. Jedes Kleid erinnerte an eine Blüte, jede Naht war wohlgesetzt wie ein guter Reim. Aus der Tiefe stiegen die Models in eine Gartenkulisse mit Buchsbaumhecken und Haselsträuchern hinauf, «erblühten» somit förmlich und bevölkerten den Laufsteg mit einem Meer von Farben.

Das kräftige Rot von Tulpen, das Violett von Lavendel, Mimosengelb, Veilchenblau oder blasses Hortensiengrün kontrastierte Raf Simons zu Schwarz oder Weiß. Kunstvolle Blütenstickereien schmückten die geschwungenen Entwürfe, deren schmale Oberteile sich zu kelchförmigen Röcken öffneten oder in schmale Hosen mündeten. Die Mannequins trugen dazu freche Kurzhaarfrisuren und knallrot geschminkte Glitzermünder - Elfen des 21. Jahrhunderts.

Zahlreiche Prominente besuchten die poetische Dior-Schau: Fürstin Charlène von Monaco (34), Frankreichs «Première Dame» Valérie Trierweiler (47), Model Laetitia Casta (34) sowie die Schauspielerinnen Sigourney Weaver, Rosamund Pike, Jessica Alba, Leelee Sobieski und Zhang Ziyi saßen im Publikum.

Hinter der Bühne zeigten sie sich beeindruckt von der ätherischen Inszenierung. «Diese Kleider sind eigentlich zu schade für die Oscars», sagte US-Star Sigourney Weaver (62) nach der Schau auf die Frage, ob die Roben für die Verleihung der Kinopreise in Hollywood taugten. Der rote Teppich sei dort so voll geworden. «Da trampeln dann 5000 Leute auf den zarten Entwürfen herum.» Andererseits seien sie so schön, dass sie mit Sicherheit in der Oscar-Nacht zu sehen sein dürften.

Gegen «Couture-Dinosaurier» wie die Häuser Chanel und Dior anzukommen, ist für junge Designer nicht gerade einfach. Der Niederländerin Iris van Herpen gelingt dies nun schon seit ein paar Saisons. Auch ihre Schauen gelten als Sensationen.

Van Herpen arbeitet in ihren Kollektionen interdisziplinär, tauscht sich mit Künstlern, Architekten und Wissenschaftlern aus. Diesmal beschäftigte sie sich mit Physik und versuchte, elektrische Spannung in Stofflichkeit zu übersetzen.

In der Tat vibrierten die Entwürfe. Skulptural geformte Kostüme waren von Lasern durchschnitten. Schwarzglänzende Kabelbinder zitterten in langen Streifen auf einem Entwurf. «Ich denke, je weiter sich Technologie entwickelt, desto mehr nähert sie sich wieder der Natur an», sagte van Herpen nach der Schau. Ihre Beschäftigung mit Elektrizität und Technik schließe somit an ihre früheren Entwürfe an, die sich mit organischen Formen beschäftigt hatten. (dpa)

Website des Pariser Verbandes der Modeschöpfer der Couture und des Prêt-à-Porter, der die Schauen organisiert

zahlreiche Bilder und aktuelle Berichte zu einzelnen Schauen

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Website von Dior

Website von Iris van Herpen