Er wird bald 80 und ist produktiver denn je. Mit „Alien: Covenant“ knüpft Ridley Scott an seinen ersten Erfolg vor 40 Jahren an.

Wie, dieser Mann soll 79 sein? Ridley Scott wirkt viel jünger. Aufgeweckt, offen und voller Tatendrang. Unglaublich, wie viele Filme dieser Mann, der im November 80 wird, noch so vorhat. Dabei könnte er sich doch sonnen in seinem Ruhm. Immerhin hat er mit Klassikern wie „Alien“, „Blade Runner“ oder „Gladiator“ mehrfach Filmgeschichte geschrieben. Und mit „Der Marsianer“ vor kurzem seine eigenen Einspielrekorde gebrochen. Aber jetzt hat er mit „Alien: Covenant“, der nächste Woche ins Kino kommt, noch mal an seinen großen „Alien“-Erfolg angeknüpft, der immerhin fast 40 Jahre her ist. Die Hälfte seines Lebens.

Als er seinen Film in Berlin vorstellt, tut er das in aller Stille. Ohne Premiere. Ohne Fotoshooting. Nur ein paar Interviews gibt er. Wir treffen ihn im Hotel de Rome. Schon bei der Begrüßung gibt sich der Altmeister völlig uneitel und bescheiden. Auf die Frage, ob wir ihn seit seiner Ernennung zum Ritter Sir Ridley ansprechen sollen, meint er schlicht, „Herr Scott“ tue es auch.

Herr Scott, die Alien-„Filme“ lösen Alpträume aus. Können Sie als ihr Erschaffer eigentlich ruhig schlafen?

Ridley Scott: Und ob! Schlaf ist sehr wichtig. Ich habe einmal in meinem Leben unter Schlaflosigkeit gelitten, als mein älterer Bruder gestorben ist. Das war in meinen Vierzigern, ich hatte zwei Jahre lang richtige Insomnie. Eine schlimme Zeit. Seither stelle ich immer sicher, dass ich mindestens acht Stunden am Tag schlafe. Es ist ganz einfach: Du darfst nichts zu Aufwühlendes im Fernsehen gucken, bevor du ins Bett gehst. Und nie die Nachrichten! Mein Anti-Stress-Programm: erst Tee und dann Melatonin.

Schlafmittel, wirklich?

Nur eine. Und nur Melatonin. Nehmen Sie nicht Amnion. Das ist ein Desaster.

Er hat es wieder getan: Ridley Scott am Set von „Alien: Covenant“
Er hat es wieder getan: Ridley Scott am Set von „Alien: Covenant“ © 20th Century Fox | 20th Century Fox

Früher haben Sie keine Fortsetzungen gemacht. Das haben Sie anderen überlassen. Jetzt haben Sie mit „Prometheus“ und „Alien: Covenant“ gleich zwei neue „Alien“-Filme gemacht. Und auch den neuen „Blade Runner“ mitproduziert. Werden Sie auf Ihre alten Tage noch zum Serientäter?

(lacht) Nein, das nicht. „Blade Runner“ wollte ich auch selber machen. Ich habe zweieinhalb Jahre an einem Skript gesessen. Dann habe ich mich mit Hampton Fancher zusammengesetzt, der auch damals das Drehbuch verfasst hat. Aber der wollte dann nur einen Roman draus machen. Bei „Alien“ habe ich die Fortsetzungen erst mal anderen überlassen. Die von James Cameron war gut, die anderen beiden, naja, die gingen. Als dann „Alien vs. Predator“ kam, hat das der Serie den Todesstoß versetzt. Gott, wie fürchterlich! Ich wollte die Reihe nicht sterben lassen, also sagte ich, ich kann das wiederbeleben.

Indem Sie, wie George Lucas bei „Star Wars“, die Vorgeschichte erzählen? Das Prequel?

Ich hatte eine gute Idee, aus der nie was gemacht wurde. Im ersten Teil traf man auf dieses Raumschiff in Form eines Croissants. In der Mitte ein Loch mit Eiern, und darüber ein Skelett im Pilotsitz. Niemand hat je gefragt, wieso, wer, wo? Das habe ich nie verstanden. Das schrie doch danach, dass dass jemand weiterführt. Stattdessen haben sie immer nur die Unbezwingbarkeit des Aliens wiederholt. Dabei wissen wir doch, was für ein fieses Monster das ist. Daran wollte ich anknüpfen. Ich dachte mir, sie haben das Alien als biomechanische Waffe eingesetzt und ein ganzes Kampfschiff damit befrachtet. Welche Zivilisation würde solche scheußliche Waffen kreieren?

Und stimmt es, dass Sie jetzt noch mindestens zwei weitere Alien-Filme drehen wollen?

Ja, ich schreibe jetzt an „Covenant 2“, das wird wohl Ende nächsten Jahres ins Kino kommen. Und dann wird noch einer kommen, der das ganze wieder in die Garage fährt, also dahin zurückbringt, wo der allererste angefangen hat. Wissen Sie, das Schöne am Schreiben ist, dass es organisch ist. Man kommt immer wieder an Punkte, wo einem dieses und jenes einfällt. So wächst sich das auch. Ich glaube, so kam auch die Evolution von „Star Wars“ zustande. Obwohl: Für mich gab es nur einen guten „Star Wars“-Film. Der erste! Der, den George Lucas noch selbst gedreht hat. Der Rest war langweilig.

Das Monster ist zurück. Und sorgt für ein paar hässliche Szenen
Das Monster ist zurück. Und sorgt für ein paar hässliche Szenen © 20th Century Fox | 20th Century Fox

In „Prometheus“ kam nicht der einst von H.R. Giger entworfene Xenomorph zum Einsatz. Das hat viele enttäuscht. In „Covenant“ ist das Monster aber wieder da?

Ja, ein paar Fans waren da ziemlich frustriert. Sie wollten mehr vom Original-Monster sehen. Ich dachte, ich wäre damit durch, das war für mich gegessen.Doch ich lag offensichtlich falsch .

In „Prometheus“ und jetzt auch in „Covenant“ werden eine Menge Fragen gestellt, wer wir sind und wo wir herkommen. Da sind die Raumfahrer auf der Suche nach ihren Erschaffern. Sind Sie ein religiöser Mensch, treiben Sie solche Fragen um?

Religiös? Nein. Das sind einfach Fragen, die wir Menschen uns immer stellen. Wer sind wir, wo kommen wir her? Das erste, was in langer Vorzeit, vor einer halben Milliarde Jahre aus dem Wasser stieg, war ein Salamander. Die Menschheit gibt es erst seit 7500 Jahren. Das ist nichts im Vergleich, in der Zeitrechnung des Weltraums gerade mal ein Augenzwinkern. Warum, muss man sich fragen, hat es so lange gedauert, bis wir uns entwickelt haben? Haben wir Hilfe von außen gekriegt? Oder hat sich der Mensch auf zwei Beinen aufgerichtet, weil er Nahrung vom Baum zupfen wollte? Ich glaube an letzteres.

Ihre Kreaturen wollen immer ihre Kreatoren umbringen. Nicht nur die Aliens. Auch die Androiden, die doch vom Menschen entwickelt wurden.

Ich denke, das ist normal. Vielleicht ist das so ein Stammesprinzip. Ich schaue ja gerne Tierdokumentationen, die werden immer besser. Und in einer Doku über Löwen habe ich gelernt: Wenn ein männlicher Löwe zu groß wird, gibt sein Vater ihm zu verstehen, dass er gehen muss oder er ihn sonst tötet. Weil er Angst hat, dass der Sohn sonst übernehmen will. Das ist die Natur. Dass habe ich einfach auf künstliche Intelligenz übertragen. Wenn man die ohne Kontrollmechanismus einbaut, ist man verrückt. Man braucht eine Firewall, damit die Technik nicht zu weit geht.

© 20th Century Fox | 20th Century Fox

Glauben Sie, dass wir die Kontrolle über unsere Technik verlieren könnten?

Das beginnt doch schon. Edward Snowden, der Whistleblower, hat ja publik gemacht, dass die amerikanische Regierung sich überall einlocken kann. Wenn Sie Ihren Laptop aufgeklappt lassen, werden Sie aufgenommen! Das zeigt die vielen scheußlichen Möglichkeiten digitaler Elektronik und künstlicher Intelligenz. Und wir machen uns nicht mal Gedanken darüber.

Das Kino heutzutage ist voller Action- und Comichelden. Was halten Sie, als Altmeister, davon?

Ach, das ist alles so langweilig! Ich muss jetzt wohl vorsichtig sein, was ich sage. Es sagt sich auch leicht, vor 30, 40 Jahren waren die Filme besser. Das war eine andere Zeit, es war auch ein anderes Publikum. Aber es gab schon mal viel weniger Filme! Und in diesen weniger Filmen gab es viel mehr Schichten zwischen Low Budget und Riesenproduktion. Und sie waren alle viel persönlicher. Und wohldurchdacht. Heutzutage gibt es viel zu viele Fortsetzungen. Dabei müssen Sie bei einem Teil Zwei oder Drei erst recht überlegen, wie man das zu etwas Neuem macht. Nicht nur einfach einen Erfolg wiederholen.

Sie produzieren auch TV-Serien wie „Good Wife“ oder „Mercy Street“. Glauben Sie, wie so viele derzeit, Fernsehen ist das neue Kino? Und dass Amazon und Netflix das Kino ersetzen werden?

Sie versuchen es ja schon. Das führt hoffentlich dazu, dass ein paar wenige wie ich noch härter dagegen ankämpfen. Aber das muss heutzutage leider immens viel Geld einspielen. Egal, wer du bist. Wenn man weiter erfolgreiche Filme schafft, wird das Kino überleben. Das hoffe ich zumindest. Aber die Konkurrenz ist groß. Die Fernseher werden bald schon so groß sein wie diese Zimmerwand da. Da werden sich Familien schon fragen, warum sie ins Kino gehen sollen, was pro Ticket 15 Dollar aufwärts kostet, plus Popcorn, plus was zu trinken. Da sind Sie schnell bei 200 Dollar am Abend. Und für 600 kriegt man in den USA schon ein richtig gutes Gerät.

So wie Sie „Alien“ jetzt anlegen, hätte man das auch als Serie im Fernsehen konzipieren können.

Möglich. Aber wissen Sie, wenn man einmal wirklich Erfolg hatte im Kino, wird man immer dabei bleiben. Ich muss immer groß denken. Das kann man einfach nicht vergleichen.

Viele Regisseure in Ihrem Alter lassen es etwas ruhiger angehen. Bei Ihnen scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Woher nehmen Sie Ihre Energie?

Ich denke nicht darüber nach, ich mach es einfach. Das ist Teil meines Ethos. Ich glaube, das war schon als Kind so. In den Sommerferien, an Ostern, zu Weihnachten habe ich immer Jobs gehabt. Mein Dad, der Berufssoldat war, hat mich immer arbeiten lassen. Ich habe als Betonarbeiter für die Royal Air Force geschuftet, für Start- und Landebahnen. Komisch, ich habe nie daran gedacht, meine Kinder arbeiten zu lassen. Aber mein Vater hielt das für sinnvoll. Er hatte recht. Ich hatte die Hände immer voller Blasen. Aber damals habe ich gelernt: Du wirst mit dem Job nie zu einem Ende kommen. Das war wohl Teil seiner Lektion.

Der Regisseur (2.v.l.) mit seinen Stars bei der Premiere in London
Der Regisseur (2.v.l.) mit seinen Stars bei der Premiere in London © dpa | Ian West

Sie planen so viele weitere Filme. Wir wollen Ihnen nicht zu nahe treten, aber wann wollen Sie die alle noch drehen?

Ich würde am liebsten drei pro Jahr drehen, aber das ist wohl unmöglich. Allerdings kann man das heute alles viel schneller schaffen. Beim Filmen muss man ja viel warten. Bis man das Geld zusammenkriegt. Bis man die Schauspieler zusammen hat. Bis die Digital-Effekte entwickelt sind. In der Zwischenzeit kann man schon die nächsten Filme entwickeln. Und muss auch nicht mehr um die halbe Welt fliegen, um mit Leuten zu sprechen. Das mach ich heute alles per Skype. Auf Skype kann ich von London aus sehen, wie die Computereffekte in L.A. aussehen. Du musst nicht mehr so viel reisen, was im Alter am meisten in den Knochen steckt.

Hat diese Energie vielleicht auch damit zu tun, dass Sie als Regisseur ein Spätzünder waren?

(lacht) Stimmt, meinen ersten Film habe ich erst mit 40 gedreht. Aber bis dahin hatte ich ja schon Tausende Werbespots gemacht, in New York, Frankreich, Los Angeles, überall. Ich war ein richtiger Geschäftsmann, ich liebte auch die wirtschaftliche Seite daran. Etwas zu tun, was du gern machst, ist eine gute Sache.