Braunschweig. Trotz zunehmender Kritik am Altkanzler soll das Reformationsfenster bis Pfingsten eingebaut werden. Schröder geht erstmals auf Distanz zu Putin.

Die Hannoveraner Marktkirchengemeinde will am geplanten Einbau des von Gerhard Schröder gestifteten sogenannten Reformationsfensters in das zentrale Gotteshaus der Landeshauptstadt festhalten, obwohl die Kritik am Altkanzler wegen dessen Nähe zum russischen Präsidenten Putin an Schärfe zunimmt. Das teilte Marktkirchen-Pfarrer Marc Blessing gestern auf Anfrage mit.

Blessing erklärte, dass der Kirchenvorstand weiter zum im Januar 2017 demokratisch gefassten Beschluss stehe, Schröders Spende anzunehmen. Der Grund seien „die theologische Bedeutung und die Qualität des Kunstwerkes“ des namhaften Bildhauers und Malers Markus Lüpertz (80).

Pfarrer Blessing: Zwischen Spender und Kunstwerk ist zu trennen

„Das Fenster nötigt aus unserer Sicht zur Auseinandersetzung mit aktuellen Themen: Es geht um den angefochtenen Menschen, es geht um das Böse, es geht auch um die Frage: Wo ist Gott?“, erläuterte Blessing. Es sei wichtig „zu entwirren und zwischen der Person des Spenders und dem Werk des Künstlers zu unterscheiden“.

Das 13 Meter hohe Buntglasfenster zeigt unter anderem eine große weiße Figur, die Martin Luther darstellen soll, ein Gerippe mit angedeuteten Flammen, Muster, ein (Marien-)haupt im altmeisterlichen Stil und fünf große schwarze Fliegen, die für das Böse und die Vergänglichkeit stehen sollen. Sein Wert beträgt rund 150.000 Euro.

Vergleich vor Gericht macht Weg zum Einbau frei

Ein Abbild des von Markus Lüpertz entworfenen Kirchenfensters zum Thema Reformation, das Altkanzler Gerhard Schröder der Marktkirche Hannover gestiftet hat. Der Wert beträgt rund 150.000 Euro.
Ein Abbild des von Markus Lüpertz entworfenen Kirchenfensters zum Thema Reformation, das Altkanzler Gerhard Schröder der Marktkirche Hannover gestiftet hat. Der Wert beträgt rund 150.000 Euro. © picture alliance/dpa | Hauke-Christian Dittrich

Im Juni 2019 hatte der Stiefsohn Georg Bissen des Architekten Dieter Oesterlen, der die weitgehend zerstörte Marktkirche nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut und im Inneren neu gestaltet hatte, eine Klage gegen den geplanten Einbau des Fensters eingereicht. Seiner Meinung nach ist Lüpertz’ buntes Glaskunstwerk nicht mit Osterlens schlicht-erhabener Gestaltung des Innenraums vereinbar. Eine Initiative von Bürgern und Gemeindemitgliedern argumentierte ähnlich. Im vergangenen Dezember wurde der Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Celle durch einen Vergleich beigelegt: Der Kläger erklärte sich mit dem Fenster einverstanden, wenn die Marktkirchengemeinde daneben ein Schild anbringt, das auf Oesterlens Wiederaufbau und sein Raumkonzept verweist.

Damit war der Weg frei für den Einbau, der nun zwischen Ostern und Pfingsten diesen Jahres erfolgen soll. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine erscheint das erneut nicht unproblematisch. Denn Fenster-Stifter Schröder hat nicht nur als Aufsichtsratschef des staatlichen russischen Energiekonzerns Rosneft eine Nähe zur russischen Führung. Er gilt als langjähriger Freund und Vertrauter Putins. Erst vor kurzem gab zudem das mehrheitlich staatliche russische Energieunternehmen Gazprom bekannt, dass Schröder nun auch für einen Sitz im Gazprom-Aufsichtsrat kandidiere. Nachdem Schröder zuletzt Forderungen, der Ukraine auf ihren Wunsch Waffen zu liefern, als „Säbelrasseln“ bezeichnete, hatten ihn auch SPD-Politiker wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach scharf kritisiert.

Schröder nimmt erstmals Stellung zum russischen Angriff

Gestern Nachmittag allerdings forderte Schröder Russland online auf, den Krieg und das damit verbundene Leid für die Menschen in der Ukraine schnellstmöglich zu beenden. „Das ist die Verantwortung der russischen Regierung“, erklärte er auf seiner Seite im Netzwerk LinkedIn. Auch Sicherheitsinteressen Russlands rechtfertigten nicht den Einsatz militärischer Mittel.

Schröder betonte zugleich, bei notwendigen Sanktionen dürften die politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Verbindungen zwischen Europa und Russland nicht ganz gekappt werden. Sie seien die einzige Möglichkeit, wieder zum Dialog zu finden.

Beschluss zur Annahme des Fensters ist schon fünf Jahre alt

Marktkirchen-Pfarrer Blessing sagte unserer Zeitung: „Wir wissen, dass es Kritik am Spender gibt“. Dennoch bleibe der Kirchenvorstand bei seiner Position, dass der vor fünf Jahren gefasste Beschluss, die Spende anzunehmen, nicht rückgängig gemacht werden könne und dass zwischen dem Kunstwerk und der Person des Spenders zu trennen sei. Das Reformationsfenster wurde von einer Glasmanufaktur im Taunus bereits fertiggestellt.

Blessing erklärte auch, dass der russische Angriff auf die Ukraine ihn und die Gemeinde dringlich beschäftige. „Unsere Fürbitte und unsere Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine, das ist jetzt wichtiger als der Streit um das Kirchenfenster.“

Marktkirche ist auch Predigtkirche des Hannoveraner Landesbischofs

Die Marktkirche, die auch Predigtkirche des Landesbischofs, des Superintendenten und Stammkirche des Rates der Stadt und des Landtags ist, lade für Freitag um 17 Uhr zu einem interreligiösen Friedensgebet ein. Anschließend soll eine Kundgebung auf dem Marktplatz stattfinden, bei der auch Ministerpräsident Weil sprechen will.