Berlin. ARD-Komödie mit großartigen Hauptdarstellern: In „Harrys Insel“ streiten sich Katrin Sass und Wolfgang Stumph in der Wildnis Kanadas.

Sein Zellengenosse hat ihm zur Haftentlassung den Ratgeber „Überleben in der kanadischen Wildnis“ geschenkt, ein Vollzugsbeamter drückt Harry Stockowski (Wolfgang Stumph) mit aufmunternden Worten den „Schlüssel in ein neues Leben“ in die Hand. Der Schlüssel öffnet ein kleines Blockhaus auf Gull Island in Nova Scotia. Harry hat die Insel an der Atlantikküste Kanadas vor Jahren erworben.

Die Kamera begleitet den deutschen Spätaussteiger auf der Busfahrt durch eine atemberaubend schöne Landschaft. Dichte Wälder, Inseln, Fjorde, der weite Ozean – jedes Bild atmet grenzenlose Ruhe. Die Küste, das ist klar, spielt eine zentrale Rolle in dem ARD-Fernsehfilm „Harrys Insel“.

Zwei sture Außenseiter im Clinch

Mit der Ruhe ist es allerdings bald vorbei. Auf dem Eiland angelangt, stellt Harry fest, dass sich eine streitsüchtige Frau in der Hütte breitgemacht hat. Susan Bennett (Katrin Sass) verwehrt ihm den Zugang und setzt alles daran, den Eindringling wieder zu vertreiben. Es kracht im Gebälk.

Würden Harry und Susan in einer Klinik unter Palmen aufeinanderprallen, bestünde kein Zweifel am weiteren Verlauf: Zwei sture Senioren, beide Außenseiter und kaum mit Sozialkompetenz und Empathie gesegnet, raufen sich zusammen, und am Ende erblüht die späte Liebe. Eine solche Geschichte wäre in 45 Minuten erzählt, doch so einfach machen es sich die Autoren Scarlett Kleint und Alfred Roesler-Kleint nicht.

Figur der Annie Oakley wirkt wie Fremdkörper

Worum es ihnen geht, das erschließt sich dem Zuschauer freilich erst spät. Auch, weil die Regie (Anna Justice) lange Zeit nicht klarmacht, welchen Weg zwischen Komödie und Melodram sie einschlägt.

Diese Unentschiedenheit wirkt sich auf die Ausgestaltung der Charaktere aus. Leidtragende ist vor allem Katrin Sass. So großartig sie als Flintenweib auftrumpft – ihre Rolle als in die Jahre gekommene Annie Oakley aus „Annie Get Your Gun“ wirkt wie ein Fremdkörper. Dass sie zudem – Susan ist Kanadierin! – brüllen, schreien, fluchen muss wie eine Berliner Hinterhofgöre, trägt auch nicht zur Glaubwürdigkeit bei.

Am Ende triumphieren Sass und Stumph

So vergeht eine knappe Stunde. Was dann folgt, entschädigt allerdings für vieles. Wenn Harry und Susan ihre seelischen Mauern niederreißen, wenn mehr und mehr offenbar wird, welche vergleichbaren Schicksalsschläge, Erfahrungen, Wünsche und Hoffnungen sie in die Einsamkeit getrieben haben, dann ändert sich auch die Kameraeinstellung. In Großaufnahmen können Stumph und Sass zeigen, welch große Meister der leisen, intensiven Töne sie sind. Und so entwickelt sich die Geschichte zu jener melancholischen, nachdenklich stimmenden Komödie, als die sie angekündigt ist.

Fazit: Trotz zahlreicher Nebenrollen ein amüsantes Zwei-Personen-Kammerspiel mit ernsten Untertönen, in dem sich Katrin Sass und Wolfgang Stumph eindrucksvoll gegen eine unentschlossene Regie behaupten.

ARD, Freitag, 1. Dezember, 20.15 Uhr