Berlin. Vier Wochen haben Union, FDP und Grüne um Einigkeit gerungen – vergebens. Bei „Hart aber fair“ bekam man eine Vorstellung davon, warum.

Das Gespräch bei „Hart aber fair“ läuft noch keine halbe Stunde, da dämmert es nicht nur Gastgeber Frank Plasberg, wieso es mit Jamaika nichts geworden sein könnte. „Man bekommt gerade einen Eindruck, was Angela Merkel leisten musste“, bemerkt der Moderator spitz, nachdem sich die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer und Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter ein weiteres Mal uneins über ihre angebliche Einigkeit waren.

Bei der Bildung hätte man Kompromisse gefunden, der Digitalisierung, dem Soli, sagte Peter. Nein, nein, von wegen! Bei der Bildung seien Investitionen in Qualität ja schon nicht möglich gewesen, entgegnet Beer, und von der Digitalisierung wollen wir lieber gar nicht erst anfangen.

Hat es also tatsächlich einfach nicht gepasst zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen? So leicht wollen die Sitzengelassenen die FDP dann aber doch nicht davon kommen lassen.

Sündenbock 1: Die FDP

„Taschenspielertricks“ nennt Peter das, was FDP-Chef Christian Lindner da am späten Sonntagabend im Abbruch der Sondierungsgespräche hatte gipfeln lassen. Und auch CSU-Staatssekretärin Dorothee Bär ist „insgesamt von der FDP enttäuscht“. In allen Krisengebieten der Welt erwarte man, dass sich die Parteien zusammensetzen und eine Regierung bilden und dann scheitere es in Deutschland an Themen wie dem Soli: „Ich weiß nicht, ob es das wert war.“

Sündenbock 2: Die SPD

Viel schlimmer noch als das Ende der Sondierungen durch die FDP scheint für die CDU aber das Verhalten der SPD zu sein. Die FDP habe immerhin noch sondiert, sich mit Inhalten beschäftigt, sagt Paul Ziemiak, Vorsitzender der Jungen Union, wohingegen die SPD nach der Bundestagswahl zuerst geschaut habe, was das Beste für ihre Partei sei.

„Also wenn sich vier Leute streiten, soll der Fünfte Schuld sein?“, fragt der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Ralf Stegner zurück. „Vier Wochen lang haben Sie vom Balkon gewunken und nichts ist dabei herausgekommen!“ Doch er bekommt weiter Kontra.

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    „Um 18.03 Uhr haben sie sich damals vor die Kameras gestellt und gesagt: ‘Erst die Partei, dann das Land’“, sagt Bär. „Während wir unserer Verantwortung gerecht werden, sagen Sie selbstgefällig, ‘wir stehen nicht zur Verfügung’. Ich bitte die SPD schon, die Worte unseres Bundespräsidenten ernst zu nehmen.“

    Was für den Kurs der SPD spricht

    Frank-Walter Steinmeier hatte am Montagnachmittag alle Parteien ermahnt, ihre Entscheidungen noch einmal zu überdenken. Dennoch werde der Bundespräsident zunächst „Tacheles mit Lindner reden“, glaubt der „Welt“-Journalist Robin Alexander. Die SPD, die weiter darauf beharrt, keine große Koalition eingehen zu wollen, habe nämlich ein gutes Argument: „Die Parteien links und rechts an den Rändern sind stärker geworden, seit die große Koalition regiert.“ Nun wieder neuen Wettbewerb mit unterschiedlichen Konzepten zu schaffen, „ist prinzipiell keine schlechte Idee“, so Alexander.

    Überhaupt gibt die in weiten Teilen rege Debatte Anlass zur Hoffnung, dass statt des jahrelangen großkoalitionären Einheitsbreis endlich wieder politisch schärfere Konturen erkennbar werden könnten.

    Vielleicht auch mit einer Minderheitsregierung?

    „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass unser Land auch eine Minderheitsregierung aushält“, sagt Politikwissenschaftler Werner Patzelt. Faktisch sei die schließlich schon da, weil der Bundesrat in vielen Belangen zustimmen und deshalb die Opposition umworben werden müsse. „Was sich auflöst, ist das nachgerade arrogante Durchregierung“, so Patzelt. Eine offenere Debattenkultur könne Deutschland nicht schaden.

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      Neuwahlen dann?

      Damit hat Patzelt schon mehr Probleme. Zwar seien Neuwahlen im Grundgesetz vorgesehen, „dass es allerdings gleich so schnell nach der Wahl passieren könnte, ist schon merkwürdig und gibt Anlass für Zweifel.“ Auch die Auflösung des Bundestages könne noch einmal eine ganz eigene Dynamik auslösen, die schwer abzusehen sei.

      Und noch mehr Stimmen für die AfD bringen?

      Nicht unbedingt, findet Alexander: „Ich weiß nicht, ob die AfD schon verstanden hat, dass das nicht unbedingt eine gute Kampagne für sie werden muss.“ Denn in den Sondierungsgesprächen hätten sich alle zu einer Obergrenze bereit erklärt. „Die Grünen sind dem Unionskompromiss beigetreten“, so der Journalist. Oder etwa nicht?

      „So war das nicht!“, sagt Peter, während sich FDP-Politikerin Beer fast ins Fäustchen lacht. Sie sieht den Widerspruch der Grünen als weiteres Indiz dafür, dass ihre Partei die Entscheidung nicht leichtfertig getroffen hat. Beer: „Das war nicht der einzige Punkt, in dem man sich angeblich einig war ...“