Berlin. Wimbledon-Held? Pleitegeier? Wer ist Boris Becker? Die ARD ist dieser Frage vor dem 50. Geburtstag des Tennis-Helden nachgegangen.

Boris Becker sitzt im Sommer 2017 auf Ibiza, Frau Lily und Sohn Amadeus in seiner Nähe, die Sonne scheint, das Meer funkelt, und die deutsche Tennis-Ikone scheint beinahe so, als hätte er nicht seine kaputten Knochen unter Schmerzen herschleppen müssen, als hätte es die Monate zuvor kaum gegeben.

„Es hat uns wahrscheinlich näher zusammengebracht“, sagt Becker über sich und seine Frau. Er hat dabei das Jahr 2017 im Blick, das ihm bis dato wohl so viele harte Schlagzeilen eingebracht hatte wie nie zuvor. Becker wirkt dabei nicht naiv oder gekünstelt, sondern aufgeräumt und aufrichtig. Und spätestens jetzt dürfte sich so mancher Zuschauer wünschen, er könne eine Entschuldigung in den Fernseher brüllen.

Eine Entschuldigung dafür, dass man in den letzten Wochen und Monaten kaum noch den Menschen, kaum noch den Weltklasse-Sportler Boris Becker gesehen hat, sondern nur noch den Pleitegeier, der irgendwo zwischen Besenkammer und Pochers TV-Bühne falsch abgebogen war.

Das ist die Karriere von Boris Becker

Deutschland bekanntester Rotschopf, Tennis-Legende, vierfacher Vater und Frauenheld: Boris Becker hat in seinem Leben Höhen und Tiefen erlebt. Angefangen hat seine beispiellose Karriere schon sehr früh.
Deutschland bekanntester Rotschopf, Tennis-Legende, vierfacher Vater und Frauenheld: Boris Becker hat in seinem Leben Höhen und Tiefen erlebt. Angefangen hat seine beispiellose Karriere schon sehr früh. © REUTERS | IAN HODGSON
Denn mit gerade mal 17 Jahren wurde Boris Becker schlagartig berühmt. Am 7. Juli 1985 gewinnt er in Wimbledon. Den Südafrikaner Kevin Curren schlägt er in vier Sätzen und wird damit zum jüngsten Sieger eines Grand-Slam-Turniers.
Denn mit gerade mal 17 Jahren wurde Boris Becker schlagartig berühmt. Am 7. Juli 1985 gewinnt er in Wimbledon. Den Südafrikaner Kevin Curren schlägt er in vier Sätzen und wird damit zum jüngsten Sieger eines Grand-Slam-Turniers. © Reuters | Reuters Staff
Die Eltern Karl-Heinz und Elvira (v.l.) sowie die jüngere Schwester Sabine (r.) begleiteten den Tennis-Star nach Wimbledon. Geboren wurde Becker am 22. November 1967 in Leimen.
Die Eltern Karl-Heinz und Elvira (v.l.) sowie die jüngere Schwester Sabine (r.) begleiteten den Tennis-Star nach Wimbledon. Geboren wurde Becker am 22. November 1967 in Leimen. © Reuters | Reuters Staff
Bis heute ist Becker der jüngste Wimbledon-Sieger in der Geschichte des Turniers. Sein Markenzeichen: Der „Becker-Hecht“, bei dem er den Ball im Hechtsprung pariert.
Bis heute ist Becker der jüngste Wimbledon-Sieger in der Geschichte des Turniers. Sein Markenzeichen: Der „Becker-Hecht“, bei dem er den Ball im Hechtsprung pariert. © Reuters | Andrew Wong
In seiner Karriere siegt der Leimener in 49 Einzelspielen, darunter sechs Grand-Slam-Turnieren und dreimal in Wimbledon.
In seiner Karriere siegt der Leimener in 49 Einzelspielen, darunter sechs Grand-Slam-Turnieren und dreimal in Wimbledon. © REUTERS | Kieran Doherty
Sein Spitzname in der Zeit: „Bumm Bumm Becker“. Sogar ein Eis wird nach ihm benannt.
Sein Spitzname in der Zeit: „Bumm Bumm Becker“. Sogar ein Eis wird nach ihm benannt. © REUTERS | KIERAN DOHERTY
Seine aktive Karriere beendet Deutschlands Tennis-Legende 1999. Am 1. Juli 1999 verliert er das Match gegen den Australier Patrick Rafter. Es bleibt Beckers letztes Spiel.
Seine aktive Karriere beendet Deutschlands Tennis-Legende 1999. Am 1. Juli 1999 verliert er das Match gegen den Australier Patrick Rafter. Es bleibt Beckers letztes Spiel. © REUTERS | JUERGEN SCHWARZ
Privates Glück: Am 17. Dezember 1993 heiratet Becker Barbara Feltus.
Privates Glück: Am 17. Dezember 1993 heiratet Becker Barbara Feltus. © REUTERS | Peter Mueller
Die beiden bekommen zwei Söhne, Noah Gabriel (Jahrgang 1994) und Elias Balthasar (Jahrgang 1999).
Die beiden bekommen zwei Söhne, Noah Gabriel (Jahrgang 1994) und Elias Balthasar (Jahrgang 1999). © REUTERS
Nach nur sieben Jahren wird die Ehe 2001 geschieden.
Nach nur sieben Jahren wird die Ehe 2001 geschieden. © REUTERS | Marc Serota
Einer der Gründe: Die Besenkammer-Affäre mit dem russischen Model Angela Ermakowa. Mit ihr betrügt Boris Becker seine schwangere Ehefrau im Sommer 1999.
Einer der Gründe: Die Besenkammer-Affäre mit dem russischen Model Angela Ermakowa. Mit ihr betrügt Boris Becker seine schwangere Ehefrau im Sommer 1999. © REUTERS | JONATHAN EVANS
Bei der kurzen Affäre wird die uneheliche Tochter Anna (Jahrgang 2000) gezeugt – laut Becker auf einer Treppe zwischen den Toiletten des Londoner Nobelrestaurants Nobu. Hier sind Mutter und Tochter (v.r.) 2015 bei einem Event zu sehen.
Bei der kurzen Affäre wird die uneheliche Tochter Anna (Jahrgang 2000) gezeugt – laut Becker auf einer Treppe zwischen den Toiletten des Londoner Nobelrestaurants Nobu. Hier sind Mutter und Tochter (v.r.) 2015 bei einem Event zu sehen. © imago/Future Image | imago stock&people
Es folgen kurze Affären mit Rapperin Sabrina Setlur und ...
Es folgen kurze Affären mit Rapperin Sabrina Setlur und ... © Reuters | Ralph Orlowski
Alessandra Meyer-Wölden. Mit ihr verlobt sich Becker sogar.
Alessandra Meyer-Wölden. Mit ihr verlobt sich Becker sogar. © imago/Future Image | imago stock&people
Am 12. Juni 2009 heiratet Becker ein zweites Mal. Mit dem niederländischen Model Sharlely Kerssenberg, genannt „Lilly“, war er bereits 2007 kurzzeitig liiert.
Am 12. Juni 2009 heiratet Becker ein zweites Mal. Mit dem niederländischen Model Sharlely Kerssenberg, genannt „Lilly“, war er bereits 2007 kurzzeitig liiert. © imago stock&people | imago stock&people
Ein Jahr nach der Hochzeit kommt der gemeinsame Sohn Amadeus auf die Welt. Kurz vor ihrem neunten Hochzeitstag gibt das Paar die Trennung bekannt.
Ein Jahr nach der Hochzeit kommt der gemeinsame Sohn Amadeus auf die Welt. Kurz vor ihrem neunten Hochzeitstag gibt das Paar die Trennung bekannt. © imago/Future Image | imago stock&people
Nach seinem Karriereende bleibt Becker nicht nur wegen seines Privatlebens in den Medien präsent. Auch als Werbefigur ist er begehrt. Kultstatus erlangt sein AOL-Spot, in dem er die prägnante Frage stellt: „Hä? Bin ich schon drin, oder was?“
Nach seinem Karriereende bleibt Becker nicht nur wegen seines Privatlebens in den Medien präsent. Auch als Werbefigur ist er begehrt. Kultstatus erlangt sein AOL-Spot, in dem er die prägnante Frage stellt: „Hä? Bin ich schon drin, oder was?“ © REUTERS | Toby Melville
Auch in Sendungen wie „Wetten, dass..?
Auch in Sendungen wie „Wetten, dass..?" ist der Sportler ein gern gesehener Gast. 2009 gibt er in der Show alles. © REUTERS | Ina Fassbender
Das neue Hobby des Rotschopfs: Poker. Becker nimmt an Turnieren teil und ist von 2007 bis 2013 Werbefigur für ein Online-Pokerportal.
Das neue Hobby des Rotschopfs: Poker. Becker nimmt an Turnieren teil und ist von 2007 bis 2013 Werbefigur für ein Online-Pokerportal. © dpa | Slavomír Kubeš
Doch es folgen Tiefschläge: 2002 verurteilt Becker das Landgericht München wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 1,7 Millionen Euro zu zwei Jahren Haft auf Bewährung sowie zu einem Bußgeld in Höhe von 500.000 Euro. Auch mit seinen
Doch es folgen Tiefschläge: 2002 verurteilt Becker das Landgericht München wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 1,7 Millionen Euro zu zwei Jahren Haft auf Bewährung sowie zu einem Bußgeld in Höhe von 500.000 Euro. Auch mit seinen © REUTERS | LUKE MACGREGOR
In seinen Autobiografien „Augenblick, verweile doch“, die 2003 erscheint, und „Das Leben ist kein Spiel“, die zehn Jahre später auf den Markt kommt, blickt Becker auf seine Karriere und sein Privatleben zurück. Zweiteres Buch bezeichnet er später als Fehler.
In seinen Autobiografien „Augenblick, verweile doch“, die 2003 erscheint, und „Das Leben ist kein Spiel“, die zehn Jahre später auf den Markt kommt, blickt Becker auf seine Karriere und sein Privatleben zurück. Zweiteres Buch bezeichnet er später als Fehler. © imago stock&people | imago stock&people
Während sich in Deutschland viele über Bobbele lustig machen, feiern ihn die Briten als „Britain’s favourite German“. In Großbritannien kommentiert er u.a. Tennismatches für die BBC. Anerkennung bringt ihm dieser Job: Ende 2013 wird er Trainer von Novak Djokovic (r.), den er bis 2016 zu sechs Grand-Slam-Siegen führt.
Während sich in Deutschland viele über Bobbele lustig machen, feiern ihn die Briten als „Britain’s favourite German“. In Großbritannien kommentiert er u.a. Tennismatches für die BBC. Anerkennung bringt ihm dieser Job: Ende 2013 wird er Trainer von Novak Djokovic (r.), den er bis 2016 zu sechs Grand-Slam-Siegen führt. © REUTERS | Suzanne Plunkett
Im Sommer 2017 rücken wieder Beckers Finanzen in Blickfeld. Ein Gericht erklärt den Wahl-Londoner für bankrott und eröffnet ein Insolvenzverfahren. Becker betont, er sei weder vermögenslos noch pleite. Eine englische Privatbank habe Forderungen in Höhe von etwa 3,5 Millionen Euro plus Zinsen. „Die Forderung an und für sich bestreite ich nicht. Wir sind uns aber über die Höhe der Zinsen nicht einig“, so der Ex-Sportler.
Im Sommer 2017 rücken wieder Beckers Finanzen in Blickfeld. Ein Gericht erklärt den Wahl-Londoner für bankrott und eröffnet ein Insolvenzverfahren. Becker betont, er sei weder vermögenslos noch pleite. Eine englische Privatbank habe Forderungen in Höhe von etwa 3,5 Millionen Euro plus Zinsen. „Die Forderung an und für sich bestreite ich nicht. Wir sind uns aber über die Höhe der Zinsen nicht einig“, so der Ex-Sportler. © obs | Heiko Prigge
Unterkriegen lässt sich die Tennis-Legende nicht – und nimmt die Negativschlagzeilen mit Humor. Einer Schweizer Zeitung sagt er, er könne nicht jedes Jahr Wimbledon gewinnen und jährlich heiraten. „Aber mein Geschäft ist meine Marke, und die brennt gerade.“
Unterkriegen lässt sich die Tennis-Legende nicht – und nimmt die Negativschlagzeilen mit Humor. Einer Schweizer Zeitung sagt er, er könne nicht jedes Jahr Wimbledon gewinnen und jährlich heiraten. „Aber mein Geschäft ist meine Marke, und die brennt gerade.“ © obs | SWR - Das Erste
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„Mir geht’s gut, ich bin erwachsen“

Es ist die wohl größte Leistung der Doku „Boris Becker – Der Spieler“, die die ARD zum 50. Geburtstag des deutschen Tennis-Helden ausstrahlt, dass man sich am Ende fragt: Wer ist überhaupt dieser Boris Becker? Warum konnte es mit ihm so weit kommen? Und abgesehen davon: Hat mich das überhaupt etwas anzugehen?

Boris Becker und seine Ehefrau Lilly zu Hause in Wimbledon. Seit April 2009 ist das Paar verheiratet, hat den gemeinsamen Sohn Amadeus.
Boris Becker und seine Ehefrau Lilly zu Hause in Wimbledon. Seit April 2009 ist das Paar verheiratet, hat den gemeinsamen Sohn Amadeus. © SWR | SWR

Für Becker ist die Antwort klar: „Ich war noch nie euer Boris, ich war immer bei mir.“ 30 Jahre eine öffentliche Person zu sein, dafür habe er seinen Preis gezahlt. Aber die Vereinnahmung durch Medien, Fans, stellenweise sogar durch fast ganz Deutschland, das sei „das große Missverständnis“, sagt Becker. Es klingt nicht nach Vorwurf, nicht nach Resignation. Auch nicht, wenn er sagt: „Ihr müsst euch um mich keine Sorgen zu machen. Mir geht’s gut, ich bin erwachsen.“

Autoren durften sogar Geheimtraining mit Djokovic filmen

Es sind nicht nur diese Momente, die den Film so sehenswert machen. Die Momente, in denen die Autoren ganz nah dran sind an Beckers heutigem Leben – im Urlaub, bei Beckers zu Hause, auf dem großen Tennis-Zirkus oder sogar beim Geheimtraining mit Novak Djokovic und im OP-Saal.

Hans-Bruno Kammertöns und Michael Welch erzählen auch spannend vom rasendem Tempo, mit dem die Marke Boris Becker entstand, wie er auf die Empore des Nationalhelden und Weltstars gehoben wurde, die den vermeintlichen Fall der jüngeren Vergangenheit erst ermöglichte.

Die Anfänge in Leimen als Bub, der Umzug nach Monte Carlo mit 15 (!) Jahren, der unglaubliche Wimbledon-Sieg im Alter von 17 im Jahr 1985. Der Weg eines Ehrgeizlings, der sich selbst und seinen Körper auf dem Weg an die Spitze der Weltrangliste nicht schont.

Heikle Episoden wie die Affäre mit Angela Ermakova und eben die viel thematisierten Finanzprobleme werden nicht ausgeklammert – das große Drama gibt es aber nicht. Man sieht einen Mann, der privat und geschäftlich nicht das Händchen zu haben scheint, das er am Racket hatte. Und den Ex-Frau Barbara Becker trotz allem als „wahnsinnig verlässlich“ beschreibt.

Freunde, Familie und Weggefährten kommen zu Wort

Barbara Becker blickt gelassen auf die gemeinsamen Jahre mit Ex-Mann Boris zurück. Die gemeinsamen Söhne Noah und Elias Balthasar sind inzwischen erwachsen.
Barbara Becker blickt gelassen auf die gemeinsamen Jahre mit Ex-Mann Boris zurück. Die gemeinsamen Söhne Noah und Elias Balthasar sind inzwischen erwachsen. © SWR | SWR

Ehemalige Mentoren wie der frühere Trainer Günther Bosch und Ex-Manager Ion Tiriac kommen genauso zu Wort wie Mutter, Schwester, Freunde und frühere Konkurrenten. Allesamt zeichnen das Bild eines willensstarken und fairen Sportsmannes, der Teamplayer sein kann, der für seinen Sport lebt und dafür in vielen Teilen der Welt geschätzt wird. Nicht mehr, nicht weniger. „Im Tennis kenne ich mich richtig gut aus“, sagt Becker. Immer klingt ein wenig der Wunsch mit, dass er mehr gar nicht sein will, als mehr auch nicht gesehen werden will.

Dass man diese Facetten des bald 50-Jährigen kennenlernen kann, zumal nach all dem medialen Verriss dieses Jahres, könnte man auch als Geschenk für Becker ansehen. Und der Zuschauer kann sich mitfreuen.

• Montag, 20. November, 22.15 Uhr, ARD: „Boris Becker – Der Spieler“