Cannes. US-Produktionen sind auf der TV-Messe Mipcom in Cannes nicht mehr das Maß aller Dinge. Europäische TV-Serien sind so begehrt wie nie.

Die Plakate sieht man in diesen Tagen häufig in Cannes: Sie zeigen ein junges Mädchen mit kurzen Haaren, das eine Gasmaske trägt. Daneben steht der Schriftzug „La Zona“. Das Plakat wirbt für die gleichnamige spanische Serie, die in ihrem Heimatmarkt noch gar nicht gezeigt wurde. Auf der TV-Messe Mipcom in Cannes, die diesen Freitag zu Ende geht, wird sie aber bereits in alle möglichen Märkte verkauft.

„La Zona“ erzählt eine düstere Geschichte um eine Mordserie in einem Sperrgebiet, der „Zona“, wo sich ein paar Jahre zuvor eine folgenschwere Kernschmelze in einem Atomkraftwerk ereignet hat. Mit einem Preis von einer Million Euro für eine Sendestunde ist die Serie für spanische Verhältnisse ungewöhnlich teuer.

„La Zona“ ist beispielhaft für Reihe von europäischen Produktionen

Da es sich bei ihr um eine internationale Co-Produktion handelt, waren die Kosten jedoch kein Problem. Bei „La Zona“ sind auch die Münchener Vertriebsfirma Beta Film und das ZDF an Bord, das die Serie 2018 auf ZDF Neo zeigen wird. Damit ist der spanische Mehrteiler beispielhaft für eine Reihe von Produktionen, die sich auf der Mipcom 2017 größten Interesses erfreuen.

Anspruchsvolle europäische TV-Serien sind begehrt wie nie. Die US-Amerikaner sind zwar in diesem Herbst auch wieder alle nach Cannes gekommen. Die großen Studios wie Warner Brothers, Disney und Sony Pictures haben wie immer ihre riesigen Stände am Rande des Ausstellungsgeländes mit Blick auf das Mittelmeer aufgebaut.

Immer mehr Streaming-Dienste schließen Allianzen

Doch US-amerikanische TV-Ware ist in diesem Jahr nicht so gefragt. Auf den Partys am Abend tuscheln die Messebesucher über den bedauernswerten Chefeinkäufer einer großen deutschen Senderfamilie, der sich mit langfristigen Verträgen an die US-Studios gebunden habe und sich dafür nun bei seinen Vorgesetzten rechtfertigen müsse. Die Europäer haben gelernt, wie man anspruchsvolle, horizontale Serien komponiert. Die Etats, die ihnen dafür zur Verfügung stehen, sind größer denn je. Produzenten, Vertriebsfirmen, Sender und immer mehr Streaming-Dienste schließen Allianzen, um die Kosten aufwendiger Produktionen gemeinsam zu schultern. Vorbild vieler TV-Macher ist das gerade auf Sky angelaufene 20er-Jahre-Drama

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Im April auf der Mip-TV – der Frühjahrsausgabe der Mipcom – wurden die Pay-TV-Rechte der mit Produktionskosten von knapp 40 Millionen Euro teuersten Serie der deutschen TV-Geschichte verkauft. Nun werden in Cannes die Free-TV-Rechte des Mehrteilers gehandelt. „Wir haben dieses Jahr eine richtig gute Messe“, sagt Nico Hofmann, Chef der größten deutschen Produktionsfirma Ufa. „Der deutsche Markt hat sich völlig neu positioniert, nach Hoch-Zeiten der skandinavischen Produktionen, sind jetzt deutsche Produktionen extrem gefragt.“

Achtteilige Produktion kostet 25 Millionen Euro kostet

Galten noch bis vor kurzem Formate wie das dänische Politdrama „Borgen“ oder die norwegische Krimi-Groteske „Lilyhammer“ als das Beste, sind nun deutsche Produktionen das Maß der Dinge. Den erfolgreichen deutschen TV-Produzenten widmet das renommierte amerikanische Branchenblatt „Variety“ ein Sonderheft. Hofmann freut sich über das große Interesse, das die Branche seiner Serie „Deutschland 86“ entgegenbringt, die noch gar nicht abgedreht ist. Sie ist die Fortsetzung des Ost-West-Agentendramas „Deutschland 83“, das weltweit mit großem Erfolg lief und nur auf dem heimischen Markt, bei RTL, floppte.

Deshalb holte die Ufa den Online-Konzern Amazon als Produktionspartner an Bord, der die Serie 2018 auf seiner Plattform „Amazon Video“ zeigen wird. Für Gesprächsstoff in Cannes sorgt auch die Serie „Das Boot“, die dort ansetzt, wo das Original von Wolfgang Petersen endete. Die achtteilige Produktion, die 25 Millionen Euro kostet, wird von der Münchener Bavaria, Sky und der US-Firma Sonar Entertainment produziert. Sie wird im Herbst 2018 auf dem Pay-TV-Sender zu sehen sein.

Durch Lizenzverkäufe lassen sich 50 Prozent der Produktionskosten hereinholen

Jan Mojto, der 69 Jahre alte Grandseigneur der Branche, ist so etwas wie der Großmeister internationaler Co-Produktionen. „In diesem Herbst haben wir 16 Serien auf der Mipcom präsentiert – so viele wie noch nie“, sagt er. Mojtos Beta Film war auch an der Produktion von „Babylon Berlin“ beteiligt. Es sei „die größte Einzelinvestition“ seiner Firma in ein einzelnes Format gewesen. Prinzipiell gebe es zwei Möglichkeiten für TV-Produzenten, sich zu finanzieren: „Entweder Sie lassen sich die Produktion von einem Auftraggeber komplett bezahlen und verzichten auf sämtliche Rechte. Oder aber Sie finanzieren sich aus mehreren Quellen.“ Nicht nur Mojto sieht in Co-Produktionen die Zukunft.

Nach Angaben von Branchenkennern lassen sich durch Lizenzverkäufe bis zu 50 Prozent der Produktionskosten hereinholen. Doch nicht überall auf der Mipcom werden solch hochmögende Serien gehandelt wie die, für die Hofmann und Mojto stehen. Fragt man an den Ständen von Studio Hamburg und der Bavaria, was ihre Bestseller sind, fallen die Namen der Telenovelas „Rote Rosen“ und „Sturm der Liebe“. Im nicht ganz so anspruchsvollen Massenmarkt sind die Deutschen ebenfalls gut vertreten.