Berlin. Was lernen wir aus der Wahl in Österreich? Die Runde bei „Hart aber fair“ landete schnell bei Flüchtlingen – mit ungewohnten Allianzen.

Stellen wir uns für einen Moment vor, die Grünen würden nicht etwa Cem Özdemir, Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin über ein Jamaika-Bündnis sondieren lassen. Stattdessen würde Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, mit der CSU über eine neue Bundesregierung verhandeln.

Was würde wohl passieren?

„Die Regierungsbildung wäre sicherlich einfacher“, sagte CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber am Montagabend bei „Hart aber fair“. Nur einfacher? Wer die beiden Politiker in Frank Plasbergs Runde sah, gewann eher den Eindruck, zwischen sie passt nicht mal das sprichwörtliche Blatt Papier. Zumindest in der Flüchtlingspolitik spielten sich Palmer und Stoiber die Bälle zu.

„Starke Kandidaten, starke Wahlergebnisse – Weckruf für Angela Merkel?“ , lautete die Fragestellung einer Sendung, die schnell wieder beim alles dominierenden Thema der letzten zwei Jahre angekommen war: der sogenannten Flüchtlingskrise.

Sebastian Kurz: Hoffnungsträger oder Rechtspopulist?

Es passte ja auch: Der 31-jährige Sebastian Kurz hat am Sonntag die Wahlen in Österreich für sich entschieden. Sein Erfolgsrezept: Klare Kante gegen Flüchtlinge. 60 Prozent der Wähler setzten ihr Kreuz bei der konservativen ÖVP oder der rechten FPÖ – das ergibt eine starke national-konservative Mehrheit.

In einem Einspieler präsentierte die Redaktion Aussagen des Shooting-Stars: Mittelmeer-Route schließen, schnelle Abschiebungen, Grenzen der Belastbarkeit. Alles Statements, die man in Deutschland von der CSU kennt. Und die dem Grünen Palmer gefallen. „Ich kann nichts Skandalöses an den Aussagen von Sebastian Kurz erkennen“, urteilte der Kommunalpolitiker. „Er ist kein Rechtspopulist!“

Konservative ÖVP klarer Favorit bei Wahl in Österreich

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    Wann wechselt Palmer seine Partei?

    „Ich stimme Boris Palmer vollkommen zu“, säuselte Edmund Stoiber seinem Sitznachbarn zu. Palmer, so Stoiber, verdiene Respekt, weil er sich oft mit dem Mainstream seiner Partei und der Öffentlichkeit anlege.

    Palmer bedankte sich artig, lobte den Kompromiss, den CDU und CSU kürzlich in der Flüchtlingsfrage gefunden haben. „Hätte die Union das schon vor einem Jahr gesagt, wäre das CSU-Ergebnis bei der Bundestagswahl womöglich besser gewesen“, so Palmer. Über die Instrumente – etwa die Begrenzung des Familiennachzugs – könne man streiten, aber: „Es geht hier um 70.000 bis 200.000 Menschen, die weniger kommen“, sagte er.

    CSU entdeckt ihr Herz für die kleinen Leute

    Palmer und Stoiber erklärten jedes Wählerverhalten – sowohl in Deutschland als auch in Österreich – stets mit dem Thema Flüchtlinge. Dabei ist gerade Österreich ein Land, das jahrelang nur von Großen Koalitionen regiert wurde, ein Land, in dem die rechtspopulistische FPÖ sogar von der sozialdemokratischen SPÖ umschmeichelt wurde. „Die Achse in Österreich hat sich schon länger verschoben – nach rechts“, stellte der ehemalige SPD-Chef Matthias Platzeck zu Recht fest.

    Doch Edmund Stoiber sah nur die 8,5 Prozent, die die Union bei der Bundestagswahl verloren hatte. Seine Schlussfolgerung: Die CSU müsse wieder ihr Herz für die „kleinen Leute“ entdecken. „Wir müssen wieder die Menschen erreichen, die nicht der Erasmus-Generation angehören, die einfache Berufe haben“, sagte er. Sie seien es, die angeblich unter den Flüchtlingen zu leiden hätten.

    Palmer klingt selbst mitunter wie ein Rechtspopulist

    Der Journalist Peter Zudeick sah in diesen Ausführungen eine „archaische Fremdenangst“. In Richtung Palmer, der sein Unbehagen über Ausländer in der Bahn bei Facebook öffentlich teilte, fragte er: „Wo ist der Unterschied, wenn rechte Schläger oder besoffene Fußballfans in der Straßenbahn stehen?“

    „Die sind nicht neu dazu gekommen“, gab Palmer zurück. Er lasse sich nicht vorschreiben, wie er Diskussionen zu führen habe. Palmer, das merkte man jedenfalls wieder, liebt die Provokation – auch auf die Gefahr hin, selber wie ein Rechtspopulist zu klingen.

    Rechtsruck in Österreich

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      Die hitzige Diskussion ließ nur wenig Raum, die andere Wahl vom Sonntag zu analysieren, die in Niedersachsen. Dort siegte mit Stephan Weil ein Sozialdemokrat, der bescheiden auftritt, für Verlässlichkeit und Seriosität steht – und der im Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union der rechtspopulistischen AfD das Wasser abgegraben hat.

      Niedersachsen-Wahl fiel unter den Tisch

      Schade, dass diese Wahl so unter den Tisch fiel. Aber Sebastian Kurz aus Österreich schillert eben mehr als der spröde Stephan Weil. Und inhaltlich passt er auch besser – zumindest zu Boris Palmer und Edmund Stoiber.

      „Hart aber fair“ in der ARD-Mediathek