München. Der „Tatort“ aus München kommt den Ermittlern Batic und Leitmayr ganz nah. Die Freundschaft der Unzertrennlichen driftet in die Krise.

So lädiert hat man Batic und Leitmayr noch nicht gesehen, so alt und verbraucht haben sie nie gewirkt. Der eine nach metertiefem Sturz auf Krücken, der andere gerade aus dem künstlichen Koma erwacht, eine Kugel haben sie aus ihm herausoperiert.

„Wie soll das weitergehen mit uns?“, fragt der Leitmayr, und das trifft den Kern dieses außergewöhnlichen Münchener „Tatorts: Der Tod ist unser ganzes Leben“. Die Freundschaft der beiden Unzertrennlichen driftet in die Krise, und was hält das Leben eigentlich sonst noch bereit für zwei Polizisten ohne Familie?

Kommissare fassen den kalten, irren Mörder schon am Anfang

Zuerst immerhin macht sich Befriedigung breit bei den Ermittlern. Sie schnappen den Messerstecher, der ihnen vor einem Jahr (in der grandiosen Folge „Die Wahrheit“) durch die Lappen ging. Ein Mann, der wahllos tötet und den Zufall zum Sinn erklärt. Gerhard Liebmann stattet diesen kleinen, kalten, irren Mörder mit leisem Spott aus, ein Typ, bei dem uns fröstelt.

Krimis fangen in der Regel nicht mit der Verhaftung des Täters an, aber hier löst sie eine fesselnde Kettenreaktion aus. Denn Holger Joos’ geschickt gestricktes Drehbuch ist zunächst als Rückblende angelegt: Leitmayr (Udo Wachtveitl) muss in einem Untersuchungsausschuss den Internen erklären, was beim Gefangenentransport schief ging, bei dem er und Batic (Miroslav Nemec) mit von der Partie waren.

„Nur Leichen“ am „Tatort“ München

„Der Tod ist unser ganzes Leben“: Düster beginnt die „Tatort“-Folge aus München, und obwohl die Kommissare Batic und Leitmayr (Udo Wachtveitl, Mitte, mit Goetz Schulte und Lina Wendel) einen alten Fall lösen, wird der hervorragende Krimi kein bisschen heller. Was passiert ist, ist unklar, nur so viel: Die Untersuchungskommission setzt Leitmayr unter Druck, gegen Batic auszusagen.
„Der Tod ist unser ganzes Leben“: Düster beginnt die „Tatort“-Folge aus München, und obwohl die Kommissare Batic und Leitmayr (Udo Wachtveitl, Mitte, mit Goetz Schulte und Lina Wendel) einen alten Fall lösen, wird der hervorragende Krimi kein bisschen heller. Was passiert ist, ist unklar, nur so viel: Die Untersuchungskommission setzt Leitmayr unter Druck, gegen Batic auszusagen. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Ivo Batic (Miroslav Nemec) liegt mit einer schweren Schusswunde im künstlichen Koma auf der Intensivstation.
Ivo Batic (Miroslav Nemec) liegt mit einer schweren Schusswunde im künstlichen Koma auf der Intensivstation. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Franz Leitmayr würde seinen Freund und Kollegen gerne besuchen und ihm Fragen stellen – aber sein Zustand ist kritisch.
Franz Leitmayr würde seinen Freund und Kollegen gerne besuchen und ihm Fragen stellen – aber sein Zustand ist kritisch. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Rückblende: Die Kriminalhauptkommissare Leitmayr und Batic nehmen einen Verdächtigen fest. Er soll der lang gesuchte Mörder sein, der einen Familienvater vor den Augen von dessen Frau und Sohn erstochen hat.
Rückblende: Die Kriminalhauptkommissare Leitmayr und Batic nehmen einen Verdächtigen fest. Er soll der lang gesuchte Mörder sein, der einen Familienvater vor den Augen von dessen Frau und Sohn erstochen hat. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Weil sie das Motiv des Mannes nicht verstehen, fahren die beiden Ermittler mit, als der Verdächtige in ein anderes Gefängnis gebracht werden soll.
Weil sie das Motiv des Mannes nicht verstehen, fahren die beiden Ermittler mit, als der Verdächtige in ein anderes Gefängnis gebracht werden soll. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Doch der Polizei-Transport hat eine Panne. Die Justizbeamten Sabine Merzer (Friederike Ott) und Robert Steinmann (Jan Bluthardt) scheinen Verstärkung zu rufen.
Doch der Polizei-Transport hat eine Panne. Die Justizbeamten Sabine Merzer (Friederike Ott) und Robert Steinmann (Jan Bluthardt) scheinen Verstärkung zu rufen. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Der Täter kann fliehen: Batic und Leitmayr haben eine Vermutung, wo er sich verstecken könnte.
Der Täter kann fliehen: Batic und Leitmayr haben eine Vermutung, wo er sich verstecken könnte. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Die Kriminalhauptkommissare durchsuchen eine Fabrik-Ruine.
Die Kriminalhauptkommissare durchsuchen eine Fabrik-Ruine. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Plötzlich hört Leitmayr Schüsse – und versucht, noch rechtzeitig einzugreifen.
Plötzlich hört Leitmayr Schüsse – und versucht, noch rechtzeitig einzugreifen. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Justizvollzugsbeamter Steinmann stirbt an seiner Schussverletzung.
Justizvollzugsbeamter Steinmann stirbt an seiner Schussverletzung. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Auch Batic ist angeschossen.
Auch Batic ist angeschossen. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Der Fall ist noch längst nicht abgeschlossen: Leitmayr ermittelt von zu Hause aus weiter.
Der Fall ist noch längst nicht abgeschlossen: Leitmayr ermittelt von zu Hause aus weiter. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Mit Kommissar Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) versucht Leitmayr auf der Landstraße, wo es zur Panne des Gefangengentransports kam, zu verstehen, wer wann geschossen hat.
Mit Kommissar Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) versucht Leitmayr auf der Landstraße, wo es zur Panne des Gefangengentransports kam, zu verstehen, wer wann geschossen hat. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
Was ist hier wirklich passiert – und warum? Eine existentiellere Krise hat Franz Leitmayr in seinem Berufsleben wohl noch nicht gehabt.
Was ist hier wirklich passiert – und warum? Eine existentiellere Krise hat Franz Leitmayr in seinem Berufsleben wohl noch nicht gehabt. © Bayerischer Rundfunk | Hagen Keller
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Ein düsteres Ding in kalten Grautönen

Es gibt eine vorgetäuschte Panne, es gibt Tote in einer stillgelegten Papierfabrik, zwei schwer verletzte Kommissare, und es gibt viele Ungereimtheiten über den Ablauf eines brutalen Dramas, das an Blut im Übrigen wahrlich nicht spart.

Ein düsteres Ding in kalten Grautönen mit viel Beton und heruntergerocktem Industrieambiente hat Philip Koch da inszeniert, das in Bild und Struktur mit den Sehgewohnheiten des Sonntagabend-Krimifreunds phasenweise Achterbahn fährt. Schon weil es mit der Wahrheit spielt: Koch serviert das Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven und lässt erst mal offen, ob die Bilder eine Lüge des Schildernden sind oder Realität.

Kreativer Dreh eröffnet spannende Möglichkeiten

Das ist nicht nett, wenn man’s gerne bequem hat und daher sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber es ist ein kreativer Dreh, der spannende Möglichkeiten eröffnet. Für den kühlen Stil der Inszenierung hat Sebastian Pille einen passenden Klangteppich gewoben. Die dunklen Töne brummen unaufdringlich, aber bedrohlich im Hintergrund. Die erzählerische Ästhetik vernebelt nie den Kern der Geschichte, der vor allem die zweite Hälfte prägt: die Krise des „alten Ehepaars“ Batic und Leitmayr, deren gegenseitiges Vertrauen auf die Probe gestellt wird, deren Freundschaft abzusaufen droht, weil der eine nicht mehr versteht, was den anderen antreibt.

Wie sie über ihr Leben philosophieren, das erreicht keine Schopenhauer’schen Dimensionen, gewiss, aber immerhin ungewohnte „Tatort“-Tiefe: Wachtveitl und Nemec gelingt es auch nach 26 Jahren, diesen Buddies immer noch neue Facetten zu entlocken. So privat wie diesmal war es mit den beiden lange nicht mehr.

Fazit: Ein tiefer Blick in die Kommissarseelen. Ein starker „Tatort“-Abend.

• Sonntag, 30. April, ARD, 20.15 Uhr

Rückblick auf den Beginn des Falls Schröder im Münchner „Tatort: Die Wahrheit“:

Leitmayr und Batic gehen an ihre Grenzen

Ein Familienvater wird im „Tatort“ München vor einer Ladenfront niedergestochen. Ayumi Schröders (Luka Omoto) Ehemann Ben (Markus Brandl) stirbt in ihren Armen.
Ein Familienvater wird im „Tatort“ München vor einer Ladenfront niedergestochen. Ayumi Schröders (Luka Omoto) Ehemann Ben (Markus Brandl) stirbt in ihren Armen. © X Filme/Hagen Keller | BR
Taro Schröder (Leo Schöne), der Sohn des Opfers, steht erschrocken am Tatort.
Taro Schröder (Leo Schöne), der Sohn des Opfers, steht erschrocken am Tatort. © X Filme/Hagen Keller | BR
Manche Taten nehmen auch hartgesottene Ermittler mit: Ivo Batic (Miroslav Nemec, r.) erklärt seinem Kollegen Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) aufgewühlt den Tathergang. Im Hintergrund beginnt Ritschy Semmler (Stefan Betz) mit der Zeugenbefragung.
Manche Taten nehmen auch hartgesottene Ermittler mit: Ivo Batic (Miroslav Nemec, r.) erklärt seinem Kollegen Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) aufgewühlt den Tathergang. Im Hintergrund beginnt Ritschy Semmler (Stefan Betz) mit der Zeugenbefragung. © X Filme/Hagen Keller | BR
Frau und Sohn des Opfers können den Verlust kaum ertragen und sind nun allein auf sich gestellt.
Frau und Sohn des Opfers können den Verlust kaum ertragen und sind nun allein auf sich gestellt. © X Filme/Hagen Keller | BR
Dezernatsleiter Karl Maurer (Jürgen Tonkel, r.) beauftragt Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr mit der Leitung der Soko.
Dezernatsleiter Karl Maurer (Jürgen Tonkel, r.) beauftragt Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr mit der Leitung der Soko. © X Filme/Regina Recht | BR
Die Leiterin der Operativen Fallanalyse, Christine Lerch (Lisa Wagner), wird von Leitmayr gebeten, bei der Aufklärung des Mordes an Ben Schröder zu helfen.
Die Leiterin der Operativen Fallanalyse, Christine Lerch (Lisa Wagner), wird von Leitmayr gebeten, bei der Aufklärung des Mordes an Ben Schröder zu helfen. © X Filme/Hagen Keller | BR
Leitmayr, Lerch und Batic untersuchen den Tatort erneut.
Leitmayr, Lerch und Batic untersuchen den Tatort erneut. © X Filme/Hagen Keller | BR
Lerch versucht, die Hinweise am Tatort zu deuten.
Lerch versucht, die Hinweise am Tatort zu deuten. © X Filme/Hagen Keller | BR
Batic und Leitmayr verfolgen einen Verdächtigen.
Batic und Leitmayr verfolgen einen Verdächtigen. © X Filme/Hagen Keller | BR
Das Münchener Ermittler-Duo will den Anwohner Murat Günes (Cem Ali Gültekin) befragen.
Das Münchener Ermittler-Duo will den Anwohner Murat Günes (Cem Ali Gültekin) befragen. © X Filme/Hagen Keller | BR
Gerichtsmediziner Dr. Matthias Steinbrecher (Robert Joseph Bartl) erläutert Hinweise, die er am Opfer gefunden hat.
Gerichtsmediziner Dr. Matthias Steinbrecher (Robert Joseph Bartl) erläutert Hinweise, die er am Opfer gefunden hat. © X Filme/Hagen Keller | BR
Penible Kleinstarbeit: Die Kommissare lassen von den Kollegen der Spurensicherung jedes Detail des Tatortes einzeln untersuchen.
Penible Kleinstarbeit: Die Kommissare lassen von den Kollegen der Spurensicherung jedes Detail des Tatortes einzeln untersuchen. © X Filme/Hagen Keller | BR
Da ist Einfühlungsvermögen gefragt: Kriminalhauptkommissar Batic versucht, das Vertrauen von Taro Schröder zu gewinnen.
Da ist Einfühlungsvermögen gefragt: Kriminalhauptkommissar Batic versucht, das Vertrauen von Taro Schröder zu gewinnen. © X Filme/Hagen Keller | BR
Mit einer emotionalen Ansprache richtet sich Franz Leitmayr an seine Kollegen.
Mit einer emotionalen Ansprache richtet sich Franz Leitmayr an seine Kollegen. © X Filme/Hagen Keller | BR
Ermittlungen auf Hochtouren: Alle Polizeikollegen, die zur Verfügung stehen, helfen den Hauptkommissaren dabei, die Gentests an den Hunderten Verdächtigen durchzuführen.
Ermittlungen auf Hochtouren: Alle Polizeikollegen, die zur Verfügung stehen, helfen den Hauptkommissaren dabei, die Gentests an den Hunderten Verdächtigen durchzuführen. © X Filme/Hagen Keller | BR
Dem Zugriff ganz nah? Batic und Leitmayr verfolgen den Mörder. Die Wohnung, die sie finden, ist mehr als merkwürdig.
Dem Zugriff ganz nah? Batic und Leitmayr verfolgen den Mörder. Die Wohnung, die sie finden, ist mehr als merkwürdig. © X Filme/Hagen Keller | BR
Diskussion unter Kollegen: Leitmayr und Batic sind sich nicht einig, wie es weitergehen soll.
Diskussion unter Kollegen: Leitmayr und Batic sind sich nicht einig, wie es weitergehen soll. © X Filme/Hagen Keller | BR
Die Ermittlungen laufen nicht wie erhofft: Erschöpft genehmigen sich Leitmayr und Batic ein Bier.
Die Ermittlungen laufen nicht wie erhofft: Erschöpft genehmigen sich Leitmayr und Batic ein Bier. © X Filme/Hagen Keller | BR
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