Köln. Im Kölner „Tatort: Nachbarn“ geht es, wie der Name sagt, um die liebe Nachbarschaft. Kleine Dramen lassen nicht lange auf sich warten.
Putzige Häuser, manikürte Vorgärten mit frisch gepflanzten Bäumchen, lauter liebe Leute am Grill und Pharrell Williams’ federleichte Glücklichmacherhymne „Happy“ als musikalisches Entrée: Wüsste man nicht, dass man sich im Kölner „Tatort: Nachbarn“ befindet, wähnte man sich im Vorspiel zu einer seichten Vorabendfamilienkomödie. Dann aber kippt ein toter Mann von der Brücke auf die Straße, wird vom Lastwagen überrollt, und dann ist es auch schon vorbei mit der Vorstadtidylle.
Drehbuchautor Christoph Wortberg schickt die Routiniers Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) in ihrem 70. Fall in diese abgeschirmte Welt, um Zäune einzureißen und allerlei Lebenslügen freizulegen, bis sie den Mord an einem Einzelgänger schließlich klären. Zwar gehen die Rollos herunter, wenn sie auftauchen, und die Nachbarn hüllen sich erst mal in Schweigen, aber die Kölner Polizisten bohren mit entspannter Hartnäckigkeit nach. Wer ihnen über anderthalb Stunden geduldig folgt, wird Zeuge vieler kleiner Dramen.
Tatort: Ballauf, Schenk und die Nachbarn
Abgründe hinter den Fassaden
Das gut aufgelegte Ensemble gibt dabei prächtige Verdächtige ab in diesem urdeutschen Mikrokosmos: Werner Wölbern als impulsiver Nachbar Leo Voigt, der mit dem Mann namens Holtkamp vor dessen Ermordung in einem erbitterten Grundstücksstreit um ein paar Quadratmeter steckte.
Claudia Eisinger als Voigts erwachsene Stieftochter Sandra, für die sich der von Frau und Kind verlassene Holtkamp auffallend stark interessierte, eine glänzende Birgit Schade als desillusionierte Nachbarin, die regelmäßig zu Holtkamp ins Bett stieg, weil sich ihr Mann (hinreißend cool: Stephan Grossmann) nur noch für die Echsen im Terrarium interessiert. Und schließlich ein junges Ehepaar (Florian Panzner, Julia Brendler) mit Abgründen: Er ist offenbar der Vater von Sandra Voigts Tochter.
Fast jeder hatte ein Mordmotiv
Autor Christoph Wortberg spürt den Klischees der lieben Nachbarschaft nach, der heilen Oberfläche, unter der es natürlich stets brodelt. Jeder spielt hier vor der Tür seine öffentliche Rolle, in den eigenen Wänden knallt es.
Das klingt zunächst einmal keineswegs originell als Grundidee, weil es ja nicht überrascht, dass die größten Feindschaften am Gartenzaun blühen. Doch auf erfrischend altmodische Weise verstreut Wortberg die Spuren über die verschwiegene Gemeinde, bis jeder verdächtig ist, weil nahezu jeder hier ein Motiv hatte, Holtkamp zu beseitigen.
Kleiner, unaufgeregter Krimi
Regisseur Thorsten C. Fischer verzichtet auf Experimente und bastelt daraus ein schnörkelloses, wenn auch nicht übermäßig aufregendes Tätersuchspiel, in dem Ballauf und Schenk über ihre zuletzt eher stichwortgebenden Auftritte endlich einmal wieder hinauskommen. Schenks eigener Krawall mit einem Nachbarn, dessen Papagei unaufhörlich krächzt, ist indes eher ein mittelmäßiges Bonmot.
Und dass die beiden Kölner in ihrem 20. „Tatort“-Jahr innerhalb von nicht einmal drei Monaten zum dritten Mal ermitteln, ist nicht gerade ein Meisterstück der Programmplanung. Trotzdem: Glückwunsch zum Jubiläum.
Fazit: Kleiner, unaufgeregter Krimi mit gutem Ensemble.
Sonntag, 26. März, ARD, um 20.15 Uhr