Im neuen Kölner „Tatort“ ist Humor eine todernste Sache
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Von Frank Preuß
Köln. Die Kölner „Tatort“-Kommissare Ballauf und Schenk ermitteln im närrischen Trubel. Bei einer Karnevalsgesellschaft kracht es gewaltig.
Von wegen Frohsinn: Man ahnt ja, dass es nirgendwo humorloser zugeht als im Karneval – vor allem hinter den Kulissen. Das richtige Umfeld also auch für einen Krimi, und der muss bitteschön aus Köln kommen. Kurz vor Altweiberfastnacht will der „Tatort: Tanzmariechen“ aus der Feder von Stammautor Jürgen Werner in die Narrenwelt eintauchen. Er schwimmt allerdings weitgehend an der Oberfläche herum.
Natürlich kracht es in der Karnevalsgesellschaft „De Jecke Aape“ kurz vor Sessionsbeginn gewaltig. Der ehrgeizige Chef, Bauunternehmer Kowatsch (Herbert Knaup) träumt vom großen Auftritt seiner Tanztruppe in der Köln Arena. Die Tänzerinnen zicken herum, weil jede das „Tanzmariechen“ sein will. Die Trainerin (Katja Heinrich) droht mit dem Ausstieg. Plötzlich liegt sie erschlagen zwischen den Pappköpfen, und Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) müssen sich auf der Suche nach dem Täter in die närrischen Befindlichkeiten einarbeiten.
Berührende Charakterstudie
Dabei stapeln Jürgen Werner und Regisseur Thomas Jauch erst mal fleißig die Klischees. Knaup gibt als Präsident den Gernegroß mit Geltungsdrang und Zweitwohnung für die heimliche Freundin. Sinja Dieks und Natalia Rudziewicz legen ihre rivalisierenden Tänzerinnen als zischende Biester an, die sich in fast jeder Szene ihres gegenseitigen Hasses versichern. Die eine mobbt die Konkurrenz mit Nacktbildern im Internet, die andere giftet pausenlos herum.
Tanzmariechen im Kölner „Tatort“
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Immerhin gelingt Tristan Seith als kölschem Familienvater mit Ambitionen die durchaus berührende Charakterstudie eines Besessenen, der alles dem Karneval unterordnet und die eigene Familie mit ins Verderben reißt: Die Ehe mit seiner Frau (stark: Milena Dreißig) steht vor dem Aus, die Tochter hat sich von der Brücke gestürzt, der Sohn (Luke Piplies) müht sich in tragischer Vergeblichkeit als Büttenredner ab. Dieser Mann macht den Verein für seine Lebensmisere verantwortlich und steht damit auch auf der Liste der Verdächtigen.
Schnöde Routine
Selten indes hat man Ballauf und Schenk derart lustlos beim Abarbeiten der vielen Spuren erlebt, die das Drehbuch vor ihnen ausbreitet. Mit schnöder Routine spulen sie ihr Befragungsprogramm ab, ähnlich routiniert bis langweilig steuert das Geschehen auf eine relativ biedere Auflösung zu. Erzählerischer Fernsehkrimi-Standard, da hat der „Tatort“ längst mehr zu bieten.
Sicher, Jürgen Werner streift die Auswüchse des Mobbings und vermittelt etwas vom Leistungsdruck im Karnevalsgeschäft. Aber das bleibt seltsam lehrbuchhaft. So fühlt man sich am Ende wie der muffige Ballauf, dem sie auf dem Revier die rote Pappnase aufzwingen: ein bisschen genervt.