Berlin. Ein Fernsehabend wie ein zu langer Weihnachtsmarktbesuch: Nach drei Stunden wurde „The Voice“ zäh. Von 20 Sängern kamen sechs weiter.
So ein bisschen hat „The Voice“ am Donnerstagabend an einen Weihnachtsmarktbesuch erinnert. Der ist nämlich zu Beginn noch ganz großartig, wenn der Duft nach frischgebrannten Mandeln über den Markt zieht, die Bratwurst fröhlich vor sich hin brutzelt und der Glühwein gemächlich seine Wirkung entfaltet. Nach spätestens zwei Stunden aber sind die Füße kalt, alle drängeln, und dann fängt es auch noch an zu nieseln.
Tja, und so ähnlich war es auch bei „The Voice“. Schade eigentlich, denn in der Show ging es um nichts weniger als die zweite Runde der „Sing Offs“. Sprich: Von zehn Kandidaten sollten Yvonne Catterfeld und Samu Haber die drei vielversprechendsten Talente für das Halbfinale herausfiltern. Mordsaufgabe, keine Frage, zumal die zehn Frauen und zehn Männer gesungen haben, als gäbe es einen Grammy zu gewinnen.
Proben mit Alicia Keys in London
Doch 195 Minuten Sendezeit können auch bei den begabtesten Bewerbern so zäh sein wie die bereits erwähnte Bratwurst – wenn sie, von allen Grillmeistern vergessen, ein paar Stunden zu viel auf dem Rost verbringt.
Dabei geht es bei „The Voice“ zeittechnisch fast zu schnell. Erst ein paar Aufnahmen von den Proben mit Superstar Alicia Keys in London, dann ratzfatz der Auftritt im Studio, schon sitzt Mathea Elisabeth Höller auf dem „Hot Seat“. Der Platz hätte ihr im Idealfall ein Ticket für das Halbfinale gesichert – wäre da nicht Yvonne, die Schreckliche, gewesen. Erst muss Mathea nach ihrer „Purple Rain“-Performance neun Runden ausharren, und dann schickt Catterfeld die Österreicherin in der allerletzten Minute nach Hause. Hea mi auf.
Vorliebe für schwimmreifengroße Kreolen
Aber das alles ist ja kein Kindergeburtstag, sondern eine Casting-Show. Und so müssen auch Nico Laska („Keep Your Head Up“) und Alessio Loriga den Abgang machen; ihn trennen wohl doch noch „20.000 Meilen“ von seinem Traum als „The Voice of Germany“. Marie Claudia Apenou war gesangtechnisch leider noch nicht „Hotter Than Hell“, wobei sich Coach Catterfeld auch für Pauline Steinbrecher und ihre Performance von „Fire Under My Feet“ nicht erwärmen konnte.
Und da wir schon dabei sind, verabschieden wir auch gleich Vanessa Iraci. Die Sängerin lieferte laut Samu Haber zwar die „What-the-fuck-beste Performance des Abends“ ab. Doch am Ende bleibt ihr von „The Voice“ nur die Erkenntnis, dass sie und Alicia Keys eine Vorliebe für schwimmenreifengroße Kreolen verbindet. Hallelujah!
„Toller Umgang mit der deutschen Sprache“
Das dürften sich auch Friedemann Petter, Boris Alexander Stein und Vera Tavares gedacht haben. Denn das Trio geht im Team Catterfeld ins Rennen um den Titel! Petter überzeugte mit seiner Darbietung von „Keine Rosen“, die „voll geil“ (Smudo) gewesen ist. Na, er hat eben auch „einen tollen Umgang mit der deutschen Sprache“ (Catterfeld).
Kandidaten der Sing Offs bei „The Voice“
Wie das beim Treffen der Töne behilflich ist, konnte bis Redaktionsschluss leider nicht herausgefunden werden. Boris Alexander „zugeinkt bis unters Kinn“ Stein zeigte bei dem gefühlvoll dargebotenen Song „Eiserner Steg“ von Philipp Poisel, wieso er kurz vorm Ziel steht. Und Vera Tavares sorgte mit „I Say a Little Prayer“ für „magische Gefühle“ bei Andreas Bourani. Für Samu Haber ist sie schlichtweg eine „Nachtigall“.
Letzten Zwölf treten am Sonntag an
Nachtigall, ick hör dir trapsen. Und genau: Auch zehn Kandidaten aus Team Samu sehen sich im Halbfinale! Habers rechte Hand kam für das Coaching sogar extra aus Kanada: YouTube-Sensation Shawn Mendes, 18 Jahre, 19 Mal Platin, 5 Mal Gold. Der Milchbubi und Motivationsguru löste bei Kandidatin Laura Ritter („Habits (Stay High)“) gleich so viel Begeisterung aus, dass Haber „200.000 Euro für Taschentücher“ ausgeben musste – die Summe für die gleiche Menge nach Ausscheiden aus der Show noch nicht eingerechnet.
Wer darf die letzten Zwölf am Sonntag ebenfalls vom Sofa aus verfolgen? Da wären Fabian Ludwig („Treat You Better“) und Anna-Lena Schäfer, die zwar einen Song von Mark Foster performen kann, aber Stars wie Katy Perry und Coldplay „noch nicht gewachsen ist“. Dorothea Proschko, die sich jetzt auch fragen dürfte: „What do you want from me, Samu Haber?“ Oder Andrina Travers („Best of You“), die sich das Tattoo von Foo-Fighters-Frontmann Dave Grohl nun wohl entfernen lassen wird. Glück gebracht hat es nämlich nicht.
Weniger ist mehr, gilt auch für Casting-Shows
Andreas Steiger hatte zwar viel „Human“-Power, fürs Halbfinale aber anscheinend nicht genug. Anna-Maria Nemetz wird so schnell wohl auch nicht von „Paparazzi“ abgelichtet, obwohl sie „93 Prozent gegeben und eine wunderschöne Stimme hat“. Haber ist, weil sie „The Voice“ verlassen muss, auch wirklich „so, so sorry“. Wir sind sorry, dass wir nach der Hälfte der Show nicht mehr wissen, wer eigentlich was wann gesungen hat. Weniger ist mehr. Gilt auch für Casting-Shows.
Und weil langsam die Füße kalt werden, schnell noch die drei Sieger: Flo Unger, der mit „Männer weinen nicht“ bewiesen hat, dass man Deutsch auch international singen kann; Robin Resch, der sich trotz wunderschöner Vorstellung von „Wonderwall“ noch hinter seinem Pony versteckt, das aber gar nicht nötig hat. Zumal ihn Yvonne Cattterfel von Anfang an im Finale gesehen hat (Ist klar). Last but noch least Stas Schurins, der zwar „Skyscraper“ gesungen hat, das Publikum aber laut Shawn Mendes auch mit „Schlaf, Kindchen, schlaf“ umgehauen hätte.
Danke, aber drei Stunden „The Voice“ reichten am Donnerstagabend auch.