Berlin. Kippt die Stimmung gegenüber Flüchtlingen? Die Gäste bei Sandra Maischberger hatten kluge Antworten – mit einer Ausnahme.

Es dauerte nicht lange, bis Alice Weidel bei ihrem Lieblingsthema angelangt war. Schon die Kölner Silvesternacht, so das AfD-Bundesvorstandsmitglied, habe gezeigt, dass nicht jeder Flüchtling ein Geschenk sei. Sie lächelte. An der toten Freiburger Studentin trage Kanzlerin Angela Merkel Mitschuld – durch ihre Flüchtlingspolitik.

Ist das noch Kritik oder schon Hetze? Eine Stadt steht unter Schock, Experten warnen davor, Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen. Und in Sandra Maischbergers Talk schlachtete eine AfD-Politikerin den tragischen Tod für ihre Zwecke aus.

Bemüht um eine sachliche Diskussion

„Angst vor Flüchtlingen: Ablehnen, ausgrenzen, abschieben?“, lautete das Thema am Mittwochabend. Und ja: Die übrigen Gäste begegneten sich auf Augenhöhe, bemüht um eine sachliche Diskussion – trotz des tragischen Todesfalls.

„Wie Sie daraus billig politisches Kapital schlagen, ist schlimm“, ärgerte sich der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, über Weidels Polemik. Die zählt sich übrigens selbst zum liberalen Flügel der AfD.

Schwan: Migranten nicht Krimineller als Deutsche

Die Politikwissenschaftlerin und SPD-Politikerin Gesine Schwan betonte, dass Migranten nicht krimineller seien als Deutsche – der Fall dürfe nicht missbraucht werden, um Stimmung gegen Minderheiten zu machen.

Doch die spannende Frage lautet: Macht es einen Unterschied, ob ein Flüchtling oder ein Deutscher eine Straftat begeht? Immerhin erhält der Flüchtling Schutz – darf die Gesellschaft dann auch mehr erwarten?

„Es gibt die Haltung, dass jemand, der Hilfe braucht, später nicht zum Mörder wird“, sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Doch SPD-Politikerin Schwan warnte: Flüchtlinge seien nicht besser oder schlechter als Deutsche, für eine moralische Überprüfung gebe es keine Grundlage.

Flüchtlingshelfer erhält Drohanrufe und Hassmails

Was es heißt, im Moment mit Flüchtlingen zusammen zu arbeiten, berichtete der pensionierte Lehrer Hans Lehmann. In Freiburg betreut er Asylbewerber, nach dem Mord an der Studentin erhielt er Drohanrufe und Hassmails.

Vom tatverdächtigen Afghanen wisse er, dass er als liebenswerter, fleißiger Schüler galt. Der nicht im Heim lebte, sondern bei einer Familie. Also unter den Voraussetzungen, die sich Experten für eine gelungene Integration wünschen. Wie es dann zu der Tat kommen konnte, fragte Moderatorin Maischberger.

„Ich bin ratlos“, antwortete Lehmann. Es war der wohl ehrlichste Moment der Sendung. Doch was folgt daraus? Sowohl ARD-Moderator Ranga Yogeshwar als auch Tübingens Oberbürgermeister Palmer sagten, dass es keinen Zusammenhang zwischen Herkunft und Kriminalität gebe.

Weidel bedient Ressentiments

„Es kommt auf die soziale Position an“, sagte Palmer. Je niedriger die Bildung und das Einkommen, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit für Straftaten. Auch Alter und Geschlecht spielten eine Rolle. Korrigiere man die Statistik um diese Effekte, gebe es keine kriminellen Unterschiede zwischen Deutschen und Asylbewerbern, so Palmer.

Das interessierte Alice Weidel nicht, sie wollte lieber über Grundsätzliches sprechen. Es gebe in Deutschland No-go-Areas, ausländische Clans seien für Kriminalität in Großstädten und Nordafrikaner für die sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht verantwortlich.

Was Weidel sagte, war nicht immer falsch, aber doch nur die halbe Wahrheit. Auch der Grüne Palmer sagte, dass es Problemgruppen gebe, etwa allein reisende junge Männer – und dass es deswegen ein Fehler sei, den Familiennachzug zu erschweren. Wo Weidel das Ressentiment bediente, präsentierte Palmer Lösungsansätze.

Junge Union will mehr Druck bei Abschiebungen

Doch ein Jahr vor der Bundestagswahl verschärft sich die politische Debatte. Die CDU hat auf ihrem Parteitag eine härtere Gangart gegenüber Asylbewerbern gefordert. „Wenn wir nicht konsequent abschieben, führen wir das System ad absurdum“, sagte JU-Politiker Ziemiak.

1500 Euro kostet jede Abschiebung. Und bis Ende nächsten Jahres könnten davon knapp 500.000 Menschen betroffen sein. Wahr ist aber auch: Von ihnen wird nur ein Bruchteil freiwillig gehen. „Wir müssen mehr Druck machen“, meinte Ziemiak.

„Es sollte um Integration und nicht um Abschiebung gehen“, widersprach Gesine Schwan. Man müsse auch Menschen, die nicht aus Krisengebieten kommen, eine Perspektive geben – etwa über ein Einwanderungsgesetz. Das forderte auch der grüne OB Palmer. Und erhielt dafür sogar Unterstützung von AfD-Politikern Weidel: „Jeder, der sich in den Arbeitsmarkt integriert und unsere Sprache spricht, ist herzlich willkommen“. Das klang sogar ganz vernünftig.