Berlin. Bildschöne Seebestattung: In „Tatort“-Kommissarin Blums letztem Fall am Bodensee gibt es viel Abschied und ein wunderbares Wiedersehen.

Das war’s mit Kommissarin Klara Blum aus Konstanz: Der letzte Bodensee-„Tatort“ trug den klingenden Titel „Wofür es sich zu leben lohnt“ – und drehte sich verständlicherweise viel um Abschied. Und um das Thema Gerechtigkeit.

Schnelldurchlauf

Kommissarin Klara Blum (Eva Mattes) erfährt, dass ihr ein Herzmuskelriss droht. Mit dem Wissen um die Gefahr, in der ihr eigenes Leben schwebt, ermittelt sie im Fall des ermordeten Rechtsextremen. Während sie versucht zu ergründen, wie die drei rätselhaften älteren Frauen Catharina, Isolde und Margarethe (Hanna Schygulla, Irm Hermann, Margit Carstensen) in den Fall verwickelt sind, ermittelt ihr Kollege Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) im familiären Umfeld des Toten. Die Witwe und die Tochter sind nicht besonders hilfreich.

Unterdessen versucht der Schweizer Kollege Matteo Lüthi (Roland Koch), der die Leiche gefunden hat, den Fall eines am anderen Ufer getöteten Anlagebetrügers zu lösen, der eine ähnlich gewollt sphinxartige Witwe zurücklässt. Und dann ist da noch der Textil-Unternehmer (Matthias Habich), der zwar herzerweichend schön als Clown behinderten Kindern Spaß machen kann, aber eben auch in einer Fabrik in Bangladesch hat produzieren lassen, in der mehr als tausend Menschen bei einem Feuer umgekommen sind.

Der letzte gemeinsame Fall für Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) und Klara Blum (Eva Mattes).
Der letzte gemeinsame Fall für Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) und Klara Blum (Eva Mattes). © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer

Den knöpfen sich Catharina, Isolde und Margarethe vor, während Klara Blum in einen Volieren-artigen Käfig gesperrt zusehen muss. Denn die drei Frauen haben keine Lust, auf Recht und Rechtsprechung zu vertrauen: Sie wollen lieber selbst für Gerechtigkeit sorgen – und planen, den Textilfabrikanten genauso langsam ausbluten zu lassen wie das Opfer davor.

Bestes Bild

Eins wäre zu wenig: Bronze geht an Konstanz in der Dämmerung aus der Vogelperspektive und Silber bekommt der Nebel, der zur blauen Stunde aus den Wäldern steigt. Gold geht an das in wunderbaren Farben inszenierte Mordopfer gleich in der Anfangssequenz: Erst im weichen Schein der Fackeln, dann im harten Licht des Morgengrauens verblutet es in der barock geschmückten Barke, die über den See treibt – schönen Dank an Kamerafrau Conny Janssen für diesen gruseligen Augenschmaus.

Erzählerische Vorschlaghämmer

• Im Revier wird Blums Büro abgerissen.

• Der Rechtsextreme, der so schön stirbt, nachdem er gegen die vermeintliche Überfremdung des Abendlandes agitiert hat, heißt Josef Krist – alles klar? Dazu zitiert er Martin Luther King Jr. in einer seiner Reden: „Ich habe einen Traum.“

• Die Tochter des Neonazis hat selbstverständlich einen schwarzen Freund.

• Perlmann beobachtet mittelverknallt die verdächtige Anna Krist, wie sie betrunken in ihrem Haus tanzt, und während Sinead O’Conner davon singt, dass sie einen Drachen töten würde, lässt die schöne und vielleicht doch gar nicht so kalte Witwe den pelzbesetzten Mantel von der Schulter rutschen; so gibt sie den Blick auf ein vom Unterkleid kaum bedecktes Drachen-Tattoo frei.

Finale – Abschied vom „Tatort“ Bodensee

Es ist der letzte „Tatort“ vom Bodensee mit Eva Mattes als Klara Blum: Der Kommissarin geht es nicht gut, nach der Diagnose „drohender Herzmuskelriss“ steht die finale Folge unter dem Titel „Wofür es sich zu leben lohnt“.
Es ist der letzte „Tatort“ vom Bodensee mit Eva Mattes als Klara Blum: Der Kommissarin geht es nicht gut, nach der Diagnose „drohender Herzmuskelriss“ steht die finale Folge unter dem Titel „Wofür es sich zu leben lohnt“. © SWR | Stephanie Schweigert
Kollege Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) weiß, dass irgendetwas nicht stimmt mit seiner Chefin. Sie verrät ihm allerdings nicht, was.
Kollege Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) weiß, dass irgendetwas nicht stimmt mit seiner Chefin. Sie verrät ihm allerdings nicht, was. © SWR | Stephanie Schweigert
Klara Blum denkt darüber nach, sich zu schonen – und schon wird ihr Büro im Revier abgerissen.
Klara Blum denkt darüber nach, sich zu schonen – und schon wird ihr Büro im Revier abgerissen. © SWR | Stephanie Schweigert
Das Leben ist eine Baustelle – auch für die Kripo-Leute, die im Fall des...
Das Leben ist eine Baustelle – auch für die Kripo-Leute, die im Fall des... © SWR | Stephanie Schweigert
...ermordeten Hasspredigers Josef Krist ermitteln müssen. Der ist am Schweizer Ufer des Bodensees angespült worden, doch als die Leiche identifziert ist, wendet sich Kommissar Lüthi (Roland Koch) an die Kollegen in Konstanz.
...ermordeten Hasspredigers Josef Krist ermitteln müssen. Der ist am Schweizer Ufer des Bodensees angespült worden, doch als die Leiche identifziert ist, wendet sich Kommissar Lüthi (Roland Koch) an die Kollegen in Konstanz. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Wer hat Josef Krist so aufwändig inszeniert getötet?
Wer hat Josef Krist so aufwändig inszeniert getötet? © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Ganz oben auf der Liste der Verdächtigen: seine Witwe Anna Krist.
Ganz oben auf der Liste der Verdächtigen: seine Witwe Anna Krist. © SWR | Stephanie Schweigert
Die Kommissare Lüthi und Perlmann überbringen ihr die Nachricht vom Tod ihres Mannes.
Die Kommissare Lüthi und Perlmann überbringen ihr die Nachricht vom Tod ihres Mannes. © SWR | Stephanie Schweigert
Doch weder die Witwe noch die Tochter des Toten scheinen in Trauer zu versinken.
Doch weder die Witwe noch die Tochter des Toten scheinen in Trauer zu versinken. © SWR | Stephanie Schweigert
Diese Frau hat Hintergrundwissen.
Diese Frau hat Hintergrundwissen. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Eine botanische Frage führt Klara Blum zum Haus von Catharina (Hanna Schygulla, l.).
Eine botanische Frage führt Klara Blum zum Haus von Catharina (Hanna Schygulla, l.). © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Dort wohnt die ehemalige Gärtnerei-Betreiberin, die Blum bei ihrer Frage zu einer am Tatort gefundenen Blüte helfen kann, mit Isolde (Irm Hermann, l.) und Margerethe (Margit Carstensen).
Dort wohnt die ehemalige Gärtnerei-Betreiberin, die Blum bei ihrer Frage zu einer am Tatort gefundenen Blüte helfen kann, mit Isolde (Irm Hermann, l.) und Margerethe (Margit Carstensen). © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Margarethe (Margit Carstensen) ist unter den drei seltsamen Frauen vielleicht die mit dem schärfsten Verstand und dem bockigsten Kopf.
Margarethe (Margit Carstensen) ist unter den drei seltsamen Frauen vielleicht die mit dem schärfsten Verstand und dem bockigsten Kopf. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Ausgelassen feiern Catharina (Hanna Schygulla) und Isolde (Irm Hermann) das Königsfest, bei dem der symbolische König verbrannt wird.
Ausgelassen feiern Catharina (Hanna Schygulla) und Isolde (Irm Hermann) das Königsfest, bei dem der symbolische König verbrannt wird. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Isolde (Irm Hermann), Margarethe (Margit Carstensen) und Catharina (Hanna Schygulla) freuen sich gemeinsam mit Klara (Eva Mattes) an ihrem nächtlichen Feuerritual.
Isolde (Irm Hermann), Margarethe (Margit Carstensen) und Catharina (Hanna Schygulla) freuen sich gemeinsam mit Klara (Eva Mattes) an ihrem nächtlichen Feuerritual. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Unterdessen ermitteln Matteo Lüthi (Roland Koch) und Eva Glogger (Isabelle Barth) in einem Schweizer Mordfall, bei dem ein Anlagebetrüger umgebracht wurde.
Unterdessen ermitteln Matteo Lüthi (Roland Koch) und Eva Glogger (Isabelle Barth) in einem Schweizer Mordfall, bei dem ein Anlagebetrüger umgebracht wurde. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Die Witwe des Anlagebetrügers, Frau Mayer (Sarah Hostettler), ist ähnlich unsympathisch wie ihr toter Mann.
Die Witwe des Anlagebetrügers, Frau Mayer (Sarah Hostettler), ist ähnlich unsympathisch wie ihr toter Mann. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Auch diese Witwe gilt als verdächtig, ihren Mann getötet zu haben.
Auch diese Witwe gilt als verdächtig, ihren Mann getötet zu haben. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Und dann ist da noch Maximilian Heinrich (Matthias Habich).
Und dann ist da noch Maximilian Heinrich (Matthias Habich). © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Heinrich ist Chef der Billigklamottenkette Billinda. Zum Ausgleich tut er Gutes und spielt Clownsvorstellungen für behinderte Kinder.
Heinrich ist Chef der Billigklamottenkette Billinda. Zum Ausgleich tut er Gutes und spielt Clownsvorstellungen für behinderte Kinder. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Margarethe (Margit Carstensen, l.) und Catharina (Hanna Schygulla) geben vor, bei Billinda neue Kleidung kaufen zu wollen.
Margarethe (Margit Carstensen, l.) und Catharina (Hanna Schygulla) geben vor, bei Billinda neue Kleidung kaufen zu wollen. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Voll Innigkeit umarmt Isolde (Irm Herrmann) als vorgebliche Kundin den überraschten Chef von Billinda. Maximilian Heinrich (Matthias Habich) weiß nicht so richtig, wie ihm geschieht.
Voll Innigkeit umarmt Isolde (Irm Herrmann) als vorgebliche Kundin den überraschten Chef von Billinda. Maximilian Heinrich (Matthias Habich) weiß nicht so richtig, wie ihm geschieht. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Das ändert sich auch nicht, als es ihm an den Kragen geht.
Das ändert sich auch nicht, als es ihm an den Kragen geht. © SWR | Alexander Kluge
Hanna Schygulla als Catharina in „Wofür es sich zu leben lohnt“.
Hanna Schygulla als Catharina in „Wofür es sich zu leben lohnt“. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Klara Blum (Eva Mattes, l.) in der Gärtnerei mit gezogener Pistole – das scheint so gar nicht zu dieser zurückgezogenen Welt zu passen. Tatsächlich ist Isolde (Irm Hermann) auch gar nicht aus der Ruhe zu bringen.
Klara Blum (Eva Mattes, l.) in der Gärtnerei mit gezogener Pistole – das scheint so gar nicht zu dieser zurückgezogenen Welt zu passen. Tatsächlich ist Isolde (Irm Hermann) auch gar nicht aus der Ruhe zu bringen. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Gefahr in Verzug im alten Gewächshaus: Matteo Lüthi (Roland Koch) und Kai Perlmann eilen zu Hilfe.
Gefahr in Verzug im alten Gewächshaus: Matteo Lüthi (Roland Koch) und Kai Perlmann eilen zu Hilfe. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Isolde (Irm Herrmann), Catharina (Hanna Schygulla) und Margarethe (Margit Carstensen) sind seltsam, anziehend, ein bisschen verstörend.
Isolde (Irm Herrmann), Catharina (Hanna Schygulla) und Margarethe (Margit Carstensen) sind seltsam, anziehend, ein bisschen verstörend. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Sebastian Bezzel als Kai Perlmann
Sebastian Bezzel als Kai Perlmann © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) und Klara Blum (Eva Mattes) haben eine belastbare Beziehung zwischen Arbeit und Freundschaft. Oft ist Distanz zwischen ihnen, dann wieder...
Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) und Klara Blum (Eva Mattes) haben eine belastbare Beziehung zwischen Arbeit und Freundschaft. Oft ist Distanz zwischen ihnen, dann wieder... © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
...gibt es Momente großer Nähe.
...gibt es Momente großer Nähe. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
Eva Mattes als Klara Blum. 14 Jahre spielte sie die Rolle der Kommissarin vom Bodensee.
Eva Mattes als Klara Blum. 14 Jahre spielte sie die Rolle der Kommissarin vom Bodensee. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
„Wofür es sich zu leben lohnt“ ist der letzte „Tatort“ mit Eva Mattes als Klara Blum.
„Wofür es sich zu leben lohnt“ ist der letzte „Tatort“ mit Eva Mattes als Klara Blum. © SWR-Pressestelle | Patrick Pfeiffer
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Schlechteste Sprüche

• „Schreiben ist schreiben. Und leben ist leben.“ Witwe Krist zitiert ihren Mann.

• „Wir werden nicht ruhen, bis wir den Mörder Ihres Mannes gefunden haben.“ Kommissar Perlmann verliert sich beim Anblick der Witwe Krist in tiefempfundenen Plattitüden.

• „Du hast noch gar nicht erzählt, worum es bei der kleinblütigen Bergminze geht.“ Die mysteriöse Catharina ist – mysteriös.

• „Sie tragen immer noch blond.“ – „Ja. Männer mögen blond.“ Ein fast schon schmerzhafter Dialog zwischen Kommissar Lüthi und der verdächtigen Frau Mayer.

Wirrster Handlungsstrang

Wer nicht genau aufgepasst hat, sieht auf einmal eine derangierte Frau, die irgendwas immer wieder tun würde, wie sie Kommissar Lüthi entgegenschleudert. Das ist Frau Mieder, die Witwe des vom miesen, bereits toten und nie persönlich eingeführten Anlagebetrüger Mayer abgezockten Gabelstaplerfahrers Mieder, der sich das Leben genommen hat.

Stärkste Performance

Ganz locker: Die vier früheren Fassbinder-Stars. Eva Mattes, Hanna Schygulla, Irm Herrmann und Margit Carstensen – die seit dem Fassbinder-Drama „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ 1972 nicht mehr alle gemeinsam vor der Kamera standen – haben mehr Präsenz als die meisten anderen Tatort-Kommissare kombiniert. Und Regisseurin Aelrun Goette, die mit Sathyan Ramesh auch das Drehbuch schrieb, inszeniert den Tatort um diese vier Ausnahme-Schauspielerinnen herum. Leider sind die bedeutungsschwangeren Dialoge oft einfach zu manieriert und lenken von dem ab, was die Gesichter der Frauen auch ohne Worte sagen.

Mörder-Wahl

Gar nicht übel. Verdächtig sind in diesem „Tatort“ fast ausschließlich Frauen: Die Witwe des ersten Mordopfers Mayer und die Witwe eines Finanzopfers Mayers. Die Witwe und die Tochter des zweiten Mordopfers, und, in einem weiteren überflüssigen Plot-Schlenker: Bootsverleiher Willi, in dessen Boot das zweite Mordopfer gefunden wurde. Der hasste den Neonazi, im Film ist seine Rolle aber offenbar eher die, einen Hauch sexuelle Spannung ins Leben der müden Kommissarin Blum zu bringen. Dass die drei geheimnisvollen Frauen schließlich diejenigen sind, die schlechte Männer ins Jenseits befördern, ist keine große Überraschung, aber immerhin stimmig. Und gibt den großen Schauspielerinnen angemessen gewichtige Rollen.

Mord-Methode

Fantasievoll. Die Mörderinnen lassen zwei ihrer Opfer in üppig dekorierten Umgebungen langsam verbluten. „Wenn ich dafür sorge, dass jemand ganz langsam stirbt, „dann will ich, dass er leidet – oder noch was lernt“, hatte die kluge Klara schon zu Beginn analysiert.

Und die Moral von der Geschicht‘?

Es gibt einiges, wofür es sich zu leben lohnt, das machen die drei Damen trotz ihres spektakulären, selbstgewählten Endes der Kommissarin klar.

Und: Unterschätze nie ältere Frauen.