Berlin. Oliver Polak startete mit „Applaus und Raus!“ eine neue Talkshow auf ProSieben. Das Konzept machte selbst Oliver Pocher sprachlos.

Hätte Inna Polak ihrem Sohn Oliver doch nur die 10.000 D-Mark geschenkt. Das Geld, das sie für Hinweise auf den Mörder ihrer Katze ausgesetzt hatte, als diese vor Jahrzehnten einen elenden Tod durch Vergiftung sterben musste. Dann hätte der junge Oliver die Scheine nehmen und sich ein schönes Leben machen können. So aber taucht er seit Montagabend bei ProSieben auf.

Denn aus dem kleinen Oliver Polak ist ein gestandener Comedian geworden, und gestandene Comedians gehören zu ProSieben. Gleich nach den Chef-Heinis Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt darf der 40-Jährige fortan seine Late-Night-Talkshow „Applaus und Raus!“ präsentieren. „Raus!“ ist in diesem Fall ganz wörtlich zu nehmen, denn das Konzept der Sendung ist so simpel wie dreist: Mit seinen Überraschungsgästen, die nur sein Team vor der Sendung kennt, unterhält sich Polak nur so lange, wie er sie spannend findet. Öden ihn die Politiker/Schauspieler/Familienmitglieder aber an, drückt er auf einen Buzzer – und der Gesprächspartner ist raus. Speed-Dating, nur anders.

Oliver Pocher ist sprachlos

Und so rast Polak tatsächlich durch die Sendung, als habe er nach der Live-on-tape-Show noch Besseres vor (nicht abwegig). Die ersten Gags nach seinem Erfolgsprinzip „Judenwitze aller Art“ heruntergerasselt – nachzulesen in ähnlicher Form auch in seinen Büchern „Der jüdische Patient“ und „Ich darf das, ich bin Jude“ –, geht es gleich ans Eingemachte. In Jogginganzug und mit Sneaker, wir sind ja bei ProSieben, landet schon der erste Gast auf dem Stuhl neben dem Polakschen Pult: Oliver Pocher. Für sein vorlautes, bisweilen unverschämtes Mundwerk ebenso bekannt wie Polak selbst, ist Pocher wohl zum ersten Mal in jüngerer TV-Geschichte sprachlos.

Denn die erste Frage, die ihm sein früherer Viva-Kollege stellt, trifft die Gürtellinie. Mit wem er denn gerade Geschlechtsverkehr habe, will Polak in etwas deftigerer Wortwahl wissen. „Wieder eine Frau, die kleiner ist als du?“ Sogleich bittet der Gastgeber eine Kleinwüchsige aus dem Publikum auf die Bühne. „Willst du Olis Nummer haben?“ Die Zuschauerin wirkt erstaunlich entspannt, Pocher weniger – erst recht, als es auf seine von Polak vorgeworfene Unterbeschäftigung geht. „Ich habe ganz viel zu tun, aber verteidigen muss ich mich ja eigentlich nicht!“, stammelt Pocher. „Machst du aber!“, ruft Polak und grinst von Pausbacke zu Pausbacke. Schlag auf den Buzzer, Pocher raus. Erster Abgang des Abends? Erledigt!

Neun Gäste in 55 Minuten Sendezeit

Einen anderen Abgang, nämlich den des Stefan Raab, macht sich Polak in seinem Einspielfilm zu Nutze. Seit dem (selbstredend) fiktiven Tod des Ex-ProSieben-Patriarchen habe er das Zepter übernehmen müssen, nun aber stürze die Aktie des Münchner Senders in den Keller. Überhaupt sei er die Hassfigur Nummer eins in Deutschland. Nichts für ungut, doch wollen wir vorerst auf dem Berliner Studioboden bleiben, ganz so schlimm ist es dann noch nicht mit dem Bad-Boy-Image. Auch wenn mancher Gag durchaus Explosionsgefahr hat: „Bei ProSieben und mir ist es wie bei Germanwings und den Piloten – die wissen, da stimmt was nicht, lassen mich aber erstmal machen.“ Trotzdem muss noch mehr kommen, als neun Gäste in 55 Minuten Sendezeit inklusive dreier Werbepausen im Fließbandprinzip nach Hause zu schicken.

Wer durfte überhaupt länger als 90 Sekunden mit Polak reden? Margarete Stokowski, dem Gastgeber Paroli-bietende Autorin und Kolumnistin eines deutschen Nachrichtenmagazins, konnte in neuem Late-Night-Talkshow-Rekord ihr Buch zur sexuellen Freiheit in Deutschland ankündigen und Polak für den Hashtag zur Show, „gastoderspast“ kritisieren. Fand der Stand-up-Comedian, der bislang sein Leben als Jude in Deutschland auf die Schippe genommen hat, nicht so knülle.

Abfuhr als Konzept zieht nicht

Sympathischer erschien ihm offensichtlich Thelma Buabeng, die Polak mit den Worten „Wer bist du denn?“ begrüßt. Die Schauspielerin, die in der „Lindenstraße“ eine nigerianische Aidskranke gespielt hat und jetzt Staatsanwältin für das ZDF sein durfte, kann mit Polak über sein Spezialgebiet sprechen, den Rassismus. Hochspannung sieht anders aus, next, please. Der Buzzer ist an diesem Montagabend am meisten gefordert. Zitat Polak: „Ey, das macht voll viel Spaß, ich könnte das jetzt drei Stunden machen!“

Würden wir so nicht unterschreiben, schlichtweg, weil die Abfuhr als Konzept nicht recht ziehen will. Zwar ist es ok, dem 40-Jährigen für knapp eine Stunde zuzuschauen, wie er etwa Geografin Christiane Heinicke zu ihrer simulierten Mars-Mission auf Hawaii und Online-Aktivist Sascha Lobo zum Nackt-Fotoshooting in einer Schubkarre befragt. Aber so richtig Laune macht „Applaus und Raus!“ dann doch nicht, dafür sind die Gesprächsquickies zu sehr Aneinanderreihung von Wortfetzen und/oder -witzen – die Polak allerdings schlagfertig zu verkaufen weiß. Und dass der Buzzer einen gewissen Reiz hat, wird spätestens bei Felicitas von Anhalt klar. Die Schauspielerin (???) schafft es gerade so zu erwähnen, dass sie von Haus aus Prinzessin ist. Wir gratulieren herzlich.

Polak will „berührt werden“

Aber Oliver Polak möchte eben von Menschen „berührt werden“ und „spannende Geschichte hören, die man vorher noch nie gehört hat“, wie er laut ProSieben vor der Premiere der auf fünf Folgen angelegten Show gesagt hat. Und so richtig bewegen kann ihn dann am Ende nur seine typisch jüdische Übermutti, Inna. Wenn er bei ihrem Anblick auch erstmal die Hände vor dem Gesicht zusammenschlägt: „Soll ich die Fragen stellen oder willst du gleich übernehmen?“

Nee, nee, übernehmen muss sie nicht gleich. Jetzt kann sich ihr Sohnemann erstmal ein schönes Leben auf ProSieben machen.