Düsseldorf. Rembrandt lüftete den Vorhang, Tizian verhüllte mit Hintersinn und Christo packt ein - Verhüllen und Enthüllen haben eine lange Tradition in der Kunst. Eine opulente Schau in Düsseldorf blickt hinter den Vorhang.

Da hängt der dicke rote Samtvorhang an einer goldenen Gardinenstange vor der Wand, er muss wohl ein Gemälde verdecken. Der Vorhang zieht den Betrachter magisch an, die Neugier ist unbändig.

Ein schneller heimlicher Blick von der Seite hinter den Vorhang. Doch da ist - nichts. Der Künstler Hans-Peter Feldmann hat mal wieder einen Schabernack mit den Erwartungen in der Kunst getrieben.

Feldmanns "Vorhang Rot" ist das Entrée zu einer opulenten Themenausstellung im Düsseldorfer Museum Kunstpalast über das Verhüllen und Enthüllen, Verschleiern und Entschleiern in der Kunst. Der scheidende Direktor Beat Wismer (63), der in einem Jahr das Museum verlässt, hat noch einmal alle Register gezogen. Für die letzte von ihm entwickelte Ausstellung "Hinter dem Vorhang" (1.10.-22.01.) trug er mehr als 200 Kunstwerke aus aller Welt zusammen.

"Bilderjäger" hat Ko-Kuratorin Claudia Blümle den Schweizer Wismer sehr treffend genannt. Über 140 Künstler sind in der Schau vertreten, viele von ihnen gehören zur Weltklasse von der Renaissance bis heute: Tizian, Lucas Cranach d. Ä., El Greco, Tintoretto, Arnold Böcklin, Max Beckmann, James Ensor, Robert Delaunay, Cindy Sherman, Christo oder Gerhard Richter.

Die Ausstellung ist ein Parforce-Ritt durch die Kunstgeschichte, die diesmal aus dem Blickwinkel des Vorhangs untersucht wird. Ein "Bild-Essay" sei die Schau, nicht nur zu Grundfragen der Kunst, sondern auch zum Thema des Sehens und Erkennens, sagt Wismer. Und sie verändere den Blick auf die Kunst: "Plötzlich sieht man nur noch Vorhänge und Schleier."

Und das ist tatsächlich so. Nicht mehr auf das Jesus-Kind mit Maria achtet man, sondern auf den Faltenwurf der Samtvorhänge hinter ihnen. Auch die drei nackten Grazien (1763) von Charles-André Vanloo interessieren weniger als der im Baum verschlungene Vorhang dahinter.

Der Vorhang hat unzählige Funktionen in der Kunst, lernt man in der fast übervollen Schau. So gehörte er als Symbol etwa zur Inszenierung der Macht - oder der Ohnmacht, wie das zentrale Tizian-Gemälde "Bildnis des Filippo Archinto" zeigt. Der Mailänder Erzbischof ist halb verdeckt von einem transparenten Vorhang - er war nämlich entmachtet.

Der Vorhang verschleierte Gewaltakte auf Bildern oder weckte erotische Erwartungen. Der Schleier der Frau kann Scham darstellen und er kann bedrohlich wirken. Da ist das Foto der vom schwarzen Tschador bedeckten Frau, die eine Pistole auf den Betrachter richtet. Shirin Neshats Bild könnte heute symbolisch für die Debatte um das Burka-Verbot stehen.

Verhüllen und Enthüllen sind außerdem die Mittel der erotischen Aktmalerei par excellence. Eugène Delacroix malte besonders perfide, als er den Ehebruch inszenierte: Der Herzog von Orléans hebt den Schleier von seiner auf dem Bett liegenden Mätresse und zeigt deren Gemahl nur den Unterleib, nicht aber ihr Gesicht.

Zum Verbergen gehört in der Kunstgeschichte auch das Täuschen - zu besichtigen beim Amerikaner Raphaelle Peale (1774-1825). Täuschend echt sieht das weiße, an einer Leine hängende Tuch aus, an dessen Enden ein Fuß und ein Arm der Göttin Venus hervorscheinen.

Christo, der Meister der Verpackung, spielt genauso mit dem Geheimnis des Verhüllens wie alte Meister. Er verpackte 1964 einen Käfer in gelbes Tuch und verzurrte ihn mit Stricken. Dann blickt man auf sein "Portrait of Ray" (1969) - ein in Segeltuch eingepackter Bilderrahmen. Aber man hat im Lauf der Ausstellung gelernt, dass Künstler aller Epochen gern auch mal etwas vorgaukeln. Hat Christo wirklich ein Bild eingepackt? Oder ist es hinter dem Segeltuch so leer wie hinter Feldmanns rotem Vorhang?