Berlin. Wie leicht werden Kinder online zu Opfern von Sexualverbrechern? Wie schützt man sie? Erhellendes brachte die Maischberger-Runde nicht.

Vielleicht lag es daran, dass das Thema bereits vorab im Spielfilm behandelt wurde. Oder daran, dass ein Teil der Gäste sich zuvor schon im Live-Chat mit den Zuschauern ausgetauscht hatte. Sandra Maischbergers Talk-Runde plätscherte in dieser Woche jedenfalls sonderbar seicht vor sich hin. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Es tut gut, wenn sich Gäste in Talkshows ausnahmsweise mal ausreden lassen. Aber noch besser wäre, wenn man dann auch etwas sagt, das dem Zuschauer neue Erkenntnisse liefert.

„Tatort Internet: Ein Spielplatz für Sexualverbrecher?“ lautete der vielversprechende Titel am Mittwochabend. Das klang nach Brisanz. Nach besorgten Eltern, die ihren Kindern das Internet am liebsten komplett verbieten würden und gegenredenden Medienpädagogen, die für ein gesundes Heranführen ans Netz plädieren.

Denn genau diese Gratwanderung gilt es zu bestehen: Wie viel Internet ist gut fürs Kind? Ab welchem Alter sollte das Surfen erlaubt sein? Wie begleitet man das Kind dabei und zeigt ihm, wo die Tücken liegen? Und wie merkt man, wenn es trotz allem doch in Kontakt mit den Falschen gerät? All diese Fragen hätte man gerne beantwortet gehabt. Kaum eine wurde überhaupt gestellt.

Maischberger-Talk verliert sich in Beschreibungen

Stattdessen begnügte sich Maischbergers Runde weitgehend damit, die aktuelle Lage zu beschreiben. Keine Frage, es ist wichtig und interessant zu wissen, dass es vermutlich kein Kind in Deutschland gibt, so schätzte der Kriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger, das nicht schon einmal mit einem Täter in Kontakt gekommen ist.

Es ist wichtig und interessant zu wissen, dass im vergangenen Jahr etwa 2000 Fälle zur Anzeige gebracht wurden, in denen Kinder im Internet Opfer sexuellen Missbrauchs geworden sind, die Taten insgesamt aber um ein Vielfaches zahlreicher sein dürften. Oder dass man offenbar nur wenige Sekunden in einem Chatportal verbringen muss, um als 14-jähriges Mädchen Angebote zu bekommen wie „Lust, einen 29-Jährigen zu foltern?“ oder „Lass uns zusammen shoppen gehen! Ich bezahle alles, du musst mir nur einen kleinen Gefallen dafür tun“.

Nur wenige Handlungsempfehlungen

Solche Erkenntnisse sind erschreckend, die Frage ist bloß: Was tun dagegen? Hier blieben Gäste und Moderatorin leider viele Antworten und nicht gestellte Fragen schuldig. Die Ausbeute im Überblick:

• Vor der ersten Nutzung aufklären: „Ab da, wo Kinder alleine ins Internet gehen, muss ich sie vor den Risiken warnen und zwar nicht mit dem Weichspülprogramm, denn die Täter sind auch nicht zimperlich“, sagte Beate Krafft-Schöning. Die Journalistin gibt sich seit Jahren auf Chatseiten als Kind aus und hat so bereits mehrere Täter gestellt. Wie eine solche Aufklärung konkret aussehen könnte, blieb allerdings unerklärt.

• Mehr Interesse zeigen: „Ich glaube, es gibt eine zu große Sorglosigkeit bei den Eltern“, sagte TV-Moderatorin Yvonne Willicks, die sich wohl allein deshalb als Gast für die Runde qualifizierte, weil sie Mutter von drei Kindern ist. Sie selber habe für ihre Sprösslinge damals klare Regeln aufgestellt: 30 Minuten am Tag in einem bestimmten Zeitraum und smartphonefreie Zonen. So sind ihre Kinder unbeschadet durch die Pubertät gekommen. Also sollte das jeder so machen? Sind das gute Richtwerte? Sind eher lockere Regeln besser als Verbote? Genaueres erfuhr man nicht.

• Mehr sichtbare Polizeipräsenz im Netz: „Wir müssten mit sichtbarer Präsenz die Sicherheit im Netz herstellen wie im Straßenverkehr“, meinte Kriminologe Rüdiger. Größenordnung: mehrere Hunderttausend Polizisten. Was genau tun die? Warum fehlt es daran? Hat niemand gefragt.

• Mehr Anzeigen: „Die Aufklärungsquote ist gut: 85 Prozent“, so Rüdiger. Das Problem ist aber, dass die Polizei meist gar nicht informiert wird. Warum? „Das hat viel mit Schamgefühl zu tun“, sagte Krafft-Schöning. Also offener kommunizieren, dass es traurigerweise die Regel ist, dass man online mit sexualisierten Inhalten in Kontakt kommt und sich deshalb niemand zu schämen braucht? Man kann es nur mutmaßen.

Zuschauer blieb am Ende ein wenig ratlos zurück

All diesen Punkten hätte man noch tiefer auf den Grund gehen können. Zeit dafür wäre gewesen, wenn man nicht noch ein neues Fass hätte aufmachen wollen: den erwachsenen Single, der auf Facebook in die Sex-Falle tappt. Ganz ehrlich: Gesunden Menschenverstand anschalten, hätte in diesem Fall gereicht.

Und so blieb man am Ende doch ein wenig ratlos zurück. Schade. Da wäre mehr drin gewesen.

Hier geht es zur aktuellen Ausgabe von „Maischberger“ in der Mediathek.