Berlin. Geht es Ärzten nur noch um Rendite? Darum drehte sich der Talk von Frank Plasberg. Bei der Debatte ging es um vier zentrale Fragen.

Atteste und Reiseimpfungen, Selbstzahler-Sprechstunden, aber auch Vorsorgeuntersuchungen, Früherkennung und noch nicht anerkannte Therapien: Patienten müssen für einige Arztbesuche mittlerweile tief in die eigene Tasche greifen. Das liegt an der zunächst einmal recht harmlos klingenden Abkürzung IGel, den sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen. Für sie zahlt der Patient selbst, und zwar nicht zu knapp.

Die Redaktion von Frank Plasberg kam daher schon aus der Ferndiagnose zu dem Befund, der gleichzeitig Titel der Sendung war: „Diagnose Gier.“ Und der Moderator fragte: „Werden wir beim Arzt abgezockt?“. Die Diskussion drehte sich im Kern um vier Fragen.

1. Wird der Arzt zum Verkäufer und der Patient zum Kunden?

Verkaufscoachings für Ärzte und Ratgeberliteratur für Mediziner, die ihnen erklärt, wie IGeL-Leistungen ohne Gegenwehr verkauft werden. Der Arztberuf ist im Wandel, suggerierte ein Erklärvideo. Ärzte werden zunehmend zu Verkäufern, die Patienten zu Kunden. Rudolf Henke von der Bundesärztekammer verteidigte das bestehende System. „Natürlich gibt es auch Leistungen, die der Patient selbst bezahlen muss. Das kann man nicht alles als Geldschneiderei bezeichnen“, sagte der Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. „Das in Bausch und Bogen für Abzocke zu erklären, finde ich falsch.“

Ein gern gesehener Gast im Studio, SPD-Gesundheitsexperte und Mediziner Karl Lauterbach, wetterte gegen die Sonderleistungen und warnte vor Gefahren. „Jeder Dritte gesetzlich Versicherte bekommt in einem Jahr eine IGeL-Leistung angeboten, 90 Prozent davon sind unsinnig oder grenzwertig unsinnig. Teilweise richten sie sogar medizinischen Schaden an“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. Dazu zählten zum Beispiel die umstrittenen PSA-Tests zur Erkennung von Prostatakrebs.

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2. Werden Patienten zu IGeL-Leistungen gedrängt?

Daran ließ die Runde wenig Zweifel. Plasberg präsentierte einige Leserzuschriften. Eine Krebs-Patientin schrieb zum Beispiel von ihrer Erfahrung, dass ihr das Praxis-Personal Angst gemacht habe, wenn sie die IGeL-Leistung nicht annehmen würde. Moderator Plasberg stichelte in die Richtung von Bundesärztekammer-Chef Rudolf Henke: „Wenn eine Sprechstundenhilfe zu so etwas drängt, was ist dann noch der Unterschied zu einer Drückerkolonne, Herr Henke?“

Der stimmte überraschend zu. „Wenn so etwas passiert, dann hat das Elemente einer Drückerkolonne.“ Und in einem solchen Fall, beteuerte der Ärztevertreter, sei es unbedingt Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung einzuschreiten und Ermittlungen einzuleiten. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, saß direkt neben ihm und unternahm keine Anstalten, die Chance zu nutzen, um einzuschreiten. Er wollte nicht oder er konnte nicht.

3. Wie verändert dies das Verhältnis von Arzt und Patient?

Ganz fundamental. Und zwar zum Schlechteren. Das kritisierte Eckhart von Hirschhausen, nicht gerade mit den feinen Instrumenten. „Diese Verkäufer-Mentalität durch IGeL-Leistungen führt dazu, dass beim Patienten der Eindruck entsteht, dass jeder, der nicht bei drei auf dem Baum ist, eine neue Hüfte oder ein neues Knie eingebaut bekommt“, so der Mediziner. Das sei der eigentliche Skandal.

Der Gastgeber Plasberg führte die Absurdität des Angebots vor Augen: „Unter Hunderten von IGeL-Leistungen helfen laut unserer Informationen nur drei tatsächlich. Akupunktur gegen Migräne, Lichttherapie gegen saisonale Depression, Stoßwellentherapie beim Fersensporn.“ Interessant auch: Die Ärztevertreter am Tisch setzten nicht zur Gegenrede an.

4. Was sollten Patienten beachten?

Eine gute Übersicht über Vor- und Nachteile der Wahlleistungen liefert die Website www.igel-monitor.de, die diverse Angebote abklopft. Eckhart von Hirschhausen motivierte die Zuschauer dazu, Ärzten mit mehr Mut zu begegnen. „Patienten sollten sich fünf zentrale Fragen stellen“, so Hirschhausen. Wo ist der Nutzen? Was sind mögliche Schäden und Risiken? Wo ist der Beleg dafür, dass die Leistung anerkannt ist? Und: Was passiert, wenn der Patient mit den Beschwerden zunächst abwartet, zum Beispiel bei Bandscheiben-Beschwerden.

Christiane Grote von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen forderte die Mediziner dazu auf, die Leistungen besser zu erklären. Und sie hatte noch einen Ratschlag: Patienten sollten misstrauisch werden, wenn in Praxen Leistungen angepriesen werden, wie die Speisen in einem Fast-Food-Restaurant.