Kassel. «Do you have a dog?», fragt der Mann am Eingang. Die Antwort ist «No». In dem Fall heißt es: Sorry, wir müssen draußen bleiben. Das documenta-Kunstwerk «Dog Run» des Kanadiers Brian Jungen steht nur Hunden und Hundehaltern offen.

Sabine Schade (53) gefällt das: «Endlich ist es mal umgekehrt, das find ich schön», sagt sie. «Für die Hunde wird ja eigentlich immer alles eingeschränkt.»

Schade ist ganz privat hier, mit ihrem Husky-Schäferhund Naila, aber sie hat auch beruflich mit Hunden zu tun. «Schreiben Sie: Ich bin zertifizierte Tiernahrungsexpertin.» Schon lange hat sie sich auf die Eröffnung dieses Kunstwerks in der Kasseler Karlsaue gefreut. Denn ein eingezäunter Hundeauslauf, der hat bisher immer gefehlt. Und genau das ist der «Dog Run»: eine Wiese mit Klettergeräten, Sandplätzen, einer Hütte und Balanciertürmen für Hunde.

Viele Kasseler Hundebesitzer haben die Entstehung des «Dog Run» in den vergangenen Wochen mit Interesse verfolgt. Der Rentner Klaus Löser (69) zum Beispiel geht fast jeden Tag mit seinem Griffon Janni in der Karlsaue spazieren. Dabei trifft er auch schon mal die documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev mit ihrer Malteser-Hündin Darsi. Bei solchen Gelegenheiten sagt er dann zu seiner Frau: «Guck mal, unsere Janni spielt wieder mit dem berühmtesten Hund von Kassel.»

Die Überlegungen der künstlerischen Leiterin zu einem Wahlrecht für Erdbeeren und Hunde sind an diesem Freitag natürlich das Thema auf dem Hunde-Parcours. «Was die Erdbeeren betrifft, bin ich skeptisch, aber bei den Hunden kann ich mir ungefähr vorstellen, was sie meint», sagt Ernst Fuchs-Wissemann (68), Lehrer für politische Bildung im Ruhestand. «Hunde sehen die Welt aus ihrem eigenen Blickwinkel. Die haben ihr eigenes Leben, ihren eigenen Willen.» Da kann Sabine Schade nur zustimmen: «Wir sehen alles zu sehr aus der Sicht des Menschen, und deshalb funktioniert es oft nicht. Wir müssen lernen, aus der Sicht des Hundes zu denken.»

Jetzt tollen gerade fünf Hunde auf einmal über den Platz, springen, bellen, kläffen und buddeln im Sand. «Ich könnte hier stundenlang stehen und gucken, wie die Hunde miteinander kommunizieren», sagt Schade. Aber was daran jetzt Kunst ist? Sie seufzt tief und schweigt. «Naja, es sieht hübsch aus.» Hübscher jedenfalls als in der Hundeschule.

Cornelia Deibl (50), die mit ihrem Mischling Donna hergekommen ist, hat festgestellt, dass manche der aufgestellten Geräte von den Hunden nicht genutzt werden können, weil sie zum Beispiel zu hoch sind zum Drüberspringen. Und das, das muss die Kunst sein, meint sie, denn es hat ja keinen praktischen Wert. «Hund und Kunst», sagt sie, «das ist nicht so einfach.»

Eine documenta-Mitarbeiterin hat die Hundehalter darauf hingewiesen, dass sie sich nicht auf die Geräte setzen dürfen, schließlich sind es ja Skulpturen. Nur die Hunde dürfen das. Im Begleitbuch der documenta heißt es dazu: «Müssen Hunde in einem Park normalerweise an der Leine bleiben, so dürfen sie hier verschiedene Skulpturen erkunden, um sich von den Beschränkungen des Stadtlebens zu erholen.»

Egal ob Herrchen oder Frauchen, die Besucher des «Dog Run» sind sich einig: Dieses Kunstwerk soll nie mehr abgebaut werden. Das wissen sie, noch bevor die documenta begonnen hat. (dpa)