Kassel. Als sich documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev Gedanken über ein Wahlrecht für Erdbeeren machte, befürchteten manche schon das Schlimmste. Doch nun sieht es ganz danach aus, dass sie ihre Sache ziemlich gut gemacht hat.

Noch vor der offiziellen Eröffnung am Samstag bekommt die documenta viel Lob. Während frühere Ausgaben der weltweit bedeutendsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst oft mit ätzender Kritik und Spott überzogen wurden, wird die 13. Ausgabe als abwechslungsreich, inspirierend und durchdacht gewürdigt.

So zeigte sich Kasper König, Direktor des Kölner Museums Ludwig und einer der einflussreichsten deutschen Ausstellungsmacher, bei einem Rundgang begeistert. «Unbedingt hinfahren!», sagte er der Nachrichtenagentur dpa. «Es lohnt sich auf jeden Fall.» Dabei empfahl er allen Besuchern, sich lieber für einige ausgewählte Dinge richtig Zeit zu nehmen anstatt möglichst abhaken zu wollen.

Das Medienecho fiel durchweg positiv aus. «Diese Documenta steckt voller Überraschungen», schrieb «Die Welt». «Sie lohnt den Besuch, lohnt die Beschäftigung mit ihr. Auf hoch respektable Weise setzt sie die Geschichte des stolzen Ausstellungsformats fort.»

Die Wochenzeitung «Die Zeit» meint: «Wohl noch nie war eine Documenta so kontemplativ.» Sueddeutsche.de urteilt: «Nachdem die vorangegangene zwölfte Documenta (...) als nicht besonders geglückt abgehakt wurde, ist diese vielfältige dreizehnte Ausgabe als Setzung konsistent, vielgestaltig und sprechend.» Das «Hamburger Abendblatt» sieht es ähnlich: «Eine Weltkunst-Schau, die sich lohnt.»

Kritik kam allerdings von dem Bildhauer und Kunstprofessor Stephan Balkenhol. Für ihn demonstriert die documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev einen «Machtanspruch, der sehr gefährlich ist». Die künstlerische Leiterin hatte eine Männer-Skulptur von Balkenhol auf einem Kirchturm in der Kasseler Innenstadt verhindern wollen, weil die documenta ihrer Meinung nach dadurch gestört wurde. Wenn so etwas um sich greife, sei «die Freiheit der Kunst bedroht», sagte Balkenhol der dpa. Christov-Bakargiev hatte sich bei der Pressekonferenz am Mittwoch allerdings verteidigt: «Ich habe nie etwas zensiert!», sagte sie.

Fast 300 Namen stehen auf der Teilnehmerliste der documenta - die wenigsten davon sind bekannt. Nicht nur Künstler sind dabei, sondern auch Wissenschaftler und Schriftsteller. Bis Mitte September erwartet das «Museum der 100 Tage» 750 000 Besucher. Offiziell eröffnet wird die Weltkunstschau, die nur alle fünf Jahre stattfindet, am Samstag von Bundespräsident Joachim Gauck.

Neben traditionellen Ausstellungsorten wie den Kasseler Museen und Parks wird die Kunst auch in einem alten Bahnhof, in einem Bunker und in einem Hotel gezeigt. In einem Kaufhaus soll eine kaum zu hörende Tonspur «die Konsumatmosphäre untergraben».

Die Besucher können ab Samstag viel Überraschendes entdecken. So finden sich allein in der zentral gelegenen Karlsaue eine aus der Sahara importierte Zelt-Küche, ein Hypnose- und Duft-Pavillon und ein Sanatorium: «Da werden sehr liebenswürdig und wunderbar leicht neun verschiedene Therapien angeboten, das empfehle ich sehr», sagte Kasper König dazu. Manchmal ist die Kunst auch unsichtbar, so wie im Erdgeschoss des Fridericianums, wo dem Besucher in leeren Räumen nur eine leichte Brise entgegenweht: Dem englischen Künstler Ryan Gander geht es darum, jeden Stil und jede Handschrift zu vermeiden.

Dass Carolyn Christov-Bakargiev ein Herz für Tiere hat, ist bekannt, seit sie über ein Wahlrecht für Hunde (und Erdbeeren) philosophierte. Diese Tierliebe spiegelt sich auch in der Ausstellung. So hat der kanadische Künstler Brian Jungen einen Spielplatz für Hunde aufgebaut; im Begleitbuch heißt es dazu: «Müssen Hunde in einem Park normalerweise an der Leine bleiben, so dürfen sie hier verschiedene Skulpturen erkunden, um sich von den Beschränkungen des Stadtlebens zu erholen.» (dpa)

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