„Warum habe ausgerechnet ich so lange geschwiegen?“

Nun hat ja fast jeder seinen Senf gegeben. Zum Luther-Jahr ist eigentlich alles gesagt. Aber noch nicht von mir! Wie kann das sein? Ja, das fragte ich mich am vorigen Sonntag während der anregenden, leider wirklich allerletzten landesmusealen Führung durch die Reformations-Ausstellung: Warum, zum Teufel, habe ausgerechnet ich, der ich doch so eine Freude an der derben Sprache des 16. Jahrhunderts habe, das elende Maul nicht aufgemacht? Oh, ich armer stinkender Madensack (echtes Zitat), warum rülpste und furzte ich nur (falsches Zitat), anstatt hier endlich mal in wittenbergischer Wut den wilden Wau-Wau von der Wortadella-Leine zu lassen? Bin ich ein Hanswurst? Oder gar (worst case, höhö) ein „Hans Worst“ wie seinerzeit der hiesige Herzog Heinrich, auf den der Zorn des Reformators herniederfuhr wie ein Blitz aus tosenden Unwettern? Sagte ich eben etwa Herzog? Gemeint war „der grobe Filtz, Rultz und Tölpel, der Esel aller Esel zu Wolfenbüttel“, kein anderer also als der falsche Flegel, der „seinen grind und gnatz zu reiben furgenommen“, der „unverschampte lugener“, der immerzu „flucht, lestert, plerret, zerret, schreiet und speiet…“

Ach, sie merken es: Ich wollte halt auch einmal was Heftiges vom Stapel lassen, bevor das Luther-Jahr allzu sanft entschlummert. Das Wort sie sollen lassen stahn.