„Die allermeisten Menschen erliegen der ,Tarnkappen- Illusion’.“

Oh, da drüben diese Frau: Welche törichte Zeitschrift liest die eigentlich? Dann erst dieser Mann da! Den schaut man lieber nicht richtig an, sonst denkt der glatt, man wär’ neidisch auf seine beknackte Brille... Und man selbst denkt: Wie gut, dass mich keiner so im Visier hat!

So ist der Mensch. Dies ist keine Kolumnisten-Weisheit. Nein, die Psychologin Erica Boothby von der Uni Yale hat’s herausgefunden. Die Quintessenz des Aufsatzes: Die allermeisten Menschen erliegen der „Tarnkappen-Illusion“, bilden sich ein, sie würden andere wesentlich genauer beobachten, als sie selbst beobachtet würden. Werden also beglotzt und bespannt. Schämen sich aber fürs Glotzen und Spannen, das allerdings meist gar nicht als solches wahrgenommen wird…

Merkwürdiges Wort übrigens: Spannen. Klingt unanständig, fast pervers, ist aber in nicht sexuellem Sinne als Wort für „Ausgucken“, „Ausbaldowern“ schon in der Gaunersprache des 18. Jahrhunderts belegt. Aber was ist jetzt mit Erica Boothbys Erkenntnissen? Ich sollte wohl in diesem Jahr mal genauer darauf achten, inwieweit ich selbst betrachtet werde, während ich andere anschaue, das dürfte ich schon hinbekommen. Schamloses Glotzen will ich aber unbedingt vermeiden. Vorsatz 2017: Mein Hemd soll weniger spannen. Und ich soll es gar nicht.