Der Wald ist gerade ein einziger Kindergarten: Rehe, Rothirsche, Wildschweine und viele andere Tiere haben Babys bekommen. Ihr Beschützer-Instinkt ist sehr groß.

Kennt ihr die Redewendung „scheu wie ein Reh“? Damit ist gemeint, dass jemand zurückhaltend und schüchtern ist. So wie man es vom Reh eben kennt. Das Huftier lebt zwar gerne in der Nähe von Menschen, flüchtet aber, wenn einer vorbeikommt.

Rehe sind nicht immer so scheu. In diesen Tagen erleben manche Waldspaziergänger die Tiere angriffsbereit und unerschrocken. Etwa in der Üfter Mark, einem Waldgebiet in unserem Nachbar-Bundesland Nordrhein-Westfalen. Ein Hundebesitzer hat Revierleiter Christoph Beemelmans ein Foto geschickt. Daraufhin stellt sich am Waldrand ein weibliches Reh, eine Ricke, dem Schäferhund des Hundebesitzers furchtlos entgegen.

Ist das Tier etwa krank? Nein, weiß der Förster: Im Dickicht hockt das Baby der Ricke, das Kitz. Es ist nicht zu sehen. Der Schäferhund hat es wahrscheinlich noch nicht einmal wahrgenommen. Dennoch erkennt die Ricke die Bedrohung, erklärt Christoph Beemelmans: „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie mutig diese kleinen Tiere werden. Die kommen dann aus dem Busch gestampft als wollten sie sagen, bleib bloß weg!“

Der Wald ist gerade ein einziger Kindergarten. Es ist Brut- und Setzzeit. Viele Waldbewohner bringen ihre Kinder zur Welt. Rehe, Kaninchen, Rothirsche und Wildschweine, aber auch Vögel wie Zilpzalp, Meise und Schnepfe.

Hohe Geldbußen

Die meisten Tiere nehmen es mit Schutz und Brutpflege sehr genau. Zum Beispiel das Reh: In den ersten Tagen wird das Kitz jede Stunde gesäugt. Ebenso oft leckt die Ricke ihr Baby ab, um Zecken fernzuhalten. Wachsam hält sie Ausschau nach hungrigen Füchsen oder Dachsen. Dabei ist sie aber nicht immer in der Nähe, um die Feinde nicht anzulocken. Deshalb müssen die Waldbesucher, also die Menschen, sich an bestimmte Regeln halten. Die wichtigste lautet: Hunde gehören an die Leine. Denn ein herumstreifender Hund, der im Wald zufällig auf ein Kitz trifft, greift sich in den meisten Fällen das Tier, sagt der Förster.

Wer in der Brut- und Setzzeit seinen Hund nicht anleint, muss mit hohen Geldbußen rechnen. Ein Förster kann aber auch einen Waldverweis aussprechen. Das heißt, ein Hundebesitzer darf einen Wald eine Zeit lang nicht betreten.

Alles richtig gemacht

Der Schäferhund-Besitzer, der das Foto geschickt hat, hat alles richtig gemacht. Sein Hund war angeleint. Der Mann hat seinen Vierbeiner, der vom mutigen Verhalten des Rehs ebenso überrascht war wie er selbst, von der Stelle weggezogen und ist weiter gegangen. Als er sich noch einmal umgedreht hat, ist die Ricke gerade zurück zu ihrem Baby ins Dickicht gekrochen.