Berlin. Der Maissirup Isoglucose kann in der EU jetzt unbegrenzt eingesetzt werden. Birgt er gesundheitliche Risiken?

„Isoglucose ist der Turbokiller unter den Zuckersorten“, „EU erlaubt gefährlichen Industriezucker“ – so lauten die ersten Schlagzeilen bei der Internetsuche nach Isoglucose. Dabei ist der Zucker in Europa schon lange in Lebensmitteln zugelassen. Laut dem Max-Rubner-Institut (MRI), zuständig für die Ernährungsforschung auf Bundesebene, schadet Isoglucose der Gesundheit nicht mehr als andere Zucker. Woher rührt die Angst vor dem Süßungsmittel?

In diesem Monat ist die bis dahin für Isoglucose geltende Quote von fünf Prozent auf dem Binnenmarkt der Europäischen Union gefallen. Hersteller dürfen den aus einem Gemisch von Fruktose und Glukose bestehenden Sirup nun unbegrenzt einkaufen. Er wird in der Regel aus Mais- oder Weizenstärke gewonnen und ist damit deutlich billiger als etwa Haushaltszucker.

„Die EU prognostiziert eine Verdreifachung der Produktion in den nächsten zehn Jahren“, sagt Stefanie Gerlach, Sprecherin der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG). Verbände wie die DAG und die Deutsche DiabetesHilfe befürchten daher eine weitere Zunahme zuckerhaltiger Produkte in Deutschland. „Dabei sollte es doch das Ziel sein, den Zuckergehalt in Lebensmitteln zu verringern“, so Gerlach. Da gesüßte Produkte oft dazu führten, dass die Kalorienaufnahme insgesamt steigt, könne die Zahl krankhaft übergewichtiger Deutscher so noch weiter steigen, so die Befürchtung der Expertin. Ein politisches Problem also.

Doch Mediziner machen noch auf einen weiteren Punkt aufmerksam. „Bei Haushaltszucker sind die Bausteine Fruktose und Glukose stets zu gleichen Teilen enthalten, bei Isoglucose überwiegt jedoch häufig der Fruktoseanteil“, erklärt Andreas Pfeiffer, Direktor der Klinik für Endokrinologie und Ernährungsmedizin in der Charité.

Fruktose wird vor allem in der Leber verstoffwechselt. In Isoglucose liegt sie zudem als einzelnes Molekül vor und muss vor der Verstoffwechselung – anders als bei Haushaltszucker – nicht erst von einem Glukosemolekül getrennt werden. „So kann in sehr kurzer Zeit sehr viel Fruktose aufgenommen werden. Studien deuten darauf hin, dass es bei großen Mengen zu einer Leberverfettung kommen kann, die auch die Blutzucker- und Fettwerte negativ beeinflusst“, so Pfeiffer. Die Frage sei aber, ob die Menschen in Folge der neuen Regelung tatsächlich so viel größere Mengen konsumieren werden. Das Risiko sei besonders hoch, wenn Isoglucose in gesüßten Getränken eingesetzt würde, wie etwa in den USA. Hier ist der Stoff als High Fructose Corn Syrup in fast allen Limonaden zu finden.

Amerikaner verzehren nach Angaben des MRI derzeit rund 25 Kilogramm Isoglucose pro Kopf pro Jahr, in Deutschland sind es bislang nur etwa 500 Gramm. Eine US-Studie hatte Isoglucose 2004 gar als entscheidenden Faktor bei der dramatischen Zunahme von Adipositas in den Vereinigten Staaten ins Spiel gebracht. Dass die dortige Einführung des Sirups um 1970 und der Anstieg von krankhaftem Übergewicht zusammenfielen, sei kein Beweis für diese Hypothese, argumentiert unter anderem das MRI. Auch Pfeiffer ist nicht überzeugt: „Der Grund war vermutlich eher, dass generell viel mehr Zucker aufgenommen wurde“.

Dass auch Deutsche den Sirup seit Jahren verzehren, dürften viele Konsumenten hingegen gar nicht wissen. Auf der Verpackung von Lebensmitteln kann er wahlweise als „Fruktose-Glukose-Sirup“ oder „Glukose-Fruktose-Sirup“ auftauchen – eine Bezeichnung, die „von Verbrauchern nicht unbedingt als süßende Zutat erkannt wird“, erklärte die Verbraucherzentrale Bayern nach einem Marktcheck.