Wolfsburg. Auf foodsharing.de melden sich Betriebe und Privatpersonen an, um Lebensmittel zu teilen – kostenlos.

Im Jugendhaus Ost stapeln sich an diesem Nachmittag Salat, Trauben, Baguettes und Gemüse. Ein Sack voller Nüsse und mehrere Kräuter-Töpfchen liegen im Regal. „Alles zu verschenken“ steht auf einem aufgeklebten Zettel. Foodsharer haben die Lebensmittel ins Jugendhaus gebracht und wollen gemeinsam kochen. Foodsharer, das sind Menschen, die Lebensmittel mit anderen teilen wollen. Über die Internetseite foodsharing.de haben sie sich verabredet. Die Lebensmittel, die sie mitgebracht haben, wären sonst höchstwahrscheinlich im Müll gelandet.

Betriebe schenken Lebensmittel

Auf foodsharing.de können sich Betriebe, Supermärkte und Privatpersonen anmelden, um Lebensmittel zu teilen – kostenlos. Betriebe wie etwa der Biomarkt Sonnenschein in Wolfsburg packen die Lebensmittel, die sie nicht mehr verkaufen, in Kisten und übergeben sie nach Ladenschluss den Teilnehmern von Foodsharing, den sogenannten Foodsavern. Wie viel und was die Lebensmittelretter bekommen, ist jedes Mal unterschiedlich.

„Wem die geretteten Lebensmittel letztlich zugutekommen, ist für uns zweitrangig.“ Foto: rs24
„Wem die geretteten Lebensmittel letztlich zugutekommen, ist für uns zweitrangig.“ Foto: rs24 © Ricarda Fritzsche, Botschafterin für Foodsharing in Wolfsburg.

Wer Lebensmittel von Betrieben abholen möchte, muss sich vorher mit einem Quiz auf der Internetseite dafür qualifizieren. „Das Quiz zielt darauf ab, den Teilnehmern das richtige Verständnis für eine Essens-Abholung zu vermitteln und falschen Erwartungen vorzubeugen“, erklärt Ricarda Fritzsche, Botschafterin für Foodsharing in Wolfsburg. „Es ist eine Art Verhaltens-Test.“ Dabei werden zum Beispiel Fragen zu Hygienekenntnissen abgefragt, wie man etwa mit riskanten Lebensmitteln umgehen oder sich gegenüber den Mitarbeitern verhalten sollte.

Wer die Quizfragen besteht, kann nach Betrieben in der eigenen Stadt suchen, die mitmachen. Als Botschafterin spricht Fritzsche neue Betriebe über eine Teilnahme an. In Wolfsburg sind neben dem Sonnenschein zum Beispiel das Lido im Hallenbad oder das Ritz-Carlton mit dabei, in Braunschweig etwa die Bäckerei Kappes.

Neue Mitglieder werden bei den ersten zwei Abholungen von erfahrenen Foodsavern begleitet. Erst danach dürfen sie eigenständig Termine bei Betrieben vereinbaren. „Wir dulden keinen Egoismus, deshalb ist auch das Anmeldungs-Quiz so wichtig. Wenn es mehrere Foodsaver für einen Betrieb gibt, werden die Lebensmittel fair geteilt“, erklärt Ricarda Fritzsche.

Von privat zu privat: Der Fair-Teiler

Privatpersonen, die Essen teilen möchten, können das über den sogenannten Fair-Teiler tun. Dieser ist ein festgelegter Ort in der Stadt, an den Lebensmittel gebracht und abgeholt werden können. In Wolfsburg ist das Jugendhaus Ost dazu ernannt worden. Eine Aktionsgruppe ist für den Fair-Teiler, der aus einem Kühlschrank und einem Regal besteht, verantwortlich.

Wie die teilnehmenden Betriebe kann man auch die Fair-Teiler auf einer digitalen Karte auf der Internetseite finden. Der Unterschied ist: Um Lebensmittel aus dem Fair-Teiler abzuholen, muss man kein Mitglied bei Foodsharing sein. Jeder, der das Jugendhaus besucht, darf sich auch etwas mitnehmen.

Das ist rechtlich erlaubt. Die Stadt Wolfsburg und das Veterinäramt geben aber zu bedenken: Wenn Privatpersonen Lebensmittel zu anderen Privatpersonen bringen, gibt es keine Überwachung und damit verbundene Kontrollen. Das Risiko müssen die Personen, die die Lebensmittel verteilen, und die, die sie erhalten, selbst abwägen.

Foodsharing hat deshalb für die Errichtung eines Fair-Teilers Richtlinien bestimmt. Darin heißt es: Es können Lebensmittel nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums weitergegeben werden, wenn sie noch gut sind, nicht jedoch nach Ablauf des Verbrauchsdatums. Fleisch, Speisen die rohe Eier enthalten oder Alkohol dürfen nicht geteilt werden.

Keine Konkurrenz zur Tafel

„Uns ist sehr wichtig, zu betonen, dass wir nicht in Konkurrenz zur Tafel stehen“, sagt Ricarda Fritzsche. Denn Foodsharing-Aktivisten würden nur von Betrieben Lebensmittel abholen, bei denen die Tafel dies nicht gewährleisten könne, weil beispielsweise die Mengen zu klein sind oder die Lebensmittel nicht den Richtlinien entsprechen, wenn etwa das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. „Wir nehmen keine Lebensmittel an, die noch verkauft werden“, erklärt Fritzsche. „Wir nehmen niemandem etwas weg.“

Im Gegensatz zur Tafel stehen die geretteten Lebensmittel allen Menschen zur Verfügung –

unabhängig von Einkommen und Lebensstandard. „Während die Tafel sich ausschließlich an bedürftige Menschen richtet, ist unser Ziel, möglichst viele Lebensmittel vor dem Müll zu retten“, so die Foodsharing-Botschafterin.

Wer sich bei Foodsharing anmeldet, muss dafür nichts bezahlen. Eine Einladung an alle, die nur zu geizig zum Einkaufen sind? „In unserer Foodsharing-Gruppe hier in Wolfsburg geht es den Leuten hauptsächlich darum, nichts wegzuschmeißen“, versichert Fritzsche und fügt hinzu: „Es ist so schade, dass täglich so viel auf dem Müll landet. Wem die geretteten Lebensmittel letztlich zugutekommen, ist für uns zweitrangig.“