Wolfsburg. Thorben Göpferd macht seit drei Jahren Musik in der Innenstadt. Wir haben ihn begleitet.

Thorben Göpferd lebt für die Straßenmusik. Wer öfters in der Fußgängerzone in der Innenstadt unterwegs ist, der hat den 24-Jährigen mit der hellen, kräftigen Stimme sicher schon mal singen gehört. Die Gitarre ist sein treuer Begleiter – und an einem grauen, kalten Vormittag begleite auch ich den Straßenmusiker einmal bei seinem Streifzug durch die Innenstadt.

Wir treffen uns vor der Redaktion in der Porschestraße. Der Wolfsburger freut sich und lacht herzlich, als wir uns begrüßen. Ich setze mich neben ihn und höre erstmal einfach nur zu – und beobachte. Beobachte ihn, wie seine Mütze, sein Markenzeichen, ihm bei jedem Song etwas weiter über die Augen rutscht. Die Menschen, die uns gespannt anschauen. Manche gehen ohne den Blick zur Seite zu wenden vorbei. Und die Kinder, die vom Klang der Musik regelrecht in einen Bann gezogen werden.

Das Lied „My my, hey hey“ von Neil Young hat Thorben sich als Startsong ausgesucht. „Damit beginne ich meistens mein Repertoire“, erzählt er. Es folgt sein Lieblingssong: „Seen it all“ von Jake Bugg. „Das Lied ist ein absoluter Ohrwurm“, schwärmt er. „Und der Künstler ist mein persönlicher Held.“ Im vergangenen Jahr besuchte er in Hamburg ein Konzert seines Idols. Mehrere Lieder des britischen Sängers stehen auch auf seinem Programm. „Ansonsten spiele ich nach Gefühl, worauf ich gerade Lust habe. Ruhigere Songs liegen mir aber mehr“, erklärt der 24-Jährige. Von einem Freund, der ebenfalls Straßenmusik macht, hat er den Spitznamen „Mr. Chill“ (von chillen, das bedeutet entspannen) bekommen. Das passe außerdem gut zu seiner Stimme.

Nach einer halben Stunde müssen wir unseren Platz verlassen. Straßenmusiker dürfen nicht länger als 30 Minuten an einem Ort verweilen. Mindestens 150 Meter müssen wir uns nun fortbewegen. Thorben erzählt, er habe drei Stammplätze in der Fußgängerzone: Vor der City-Galerie, in der Passage kurz vor der Pestalozziallee und im „Tunnel vor DM“, wie er es nennt. Dort sei auch die Akustik am besten. Sein Lieblingsplatz ist heute jedoch schon belegt. Da es regnet, entscheidet er sich, in der überdachten Passage vor dem Drogeriemarkt Müller weiter unten in der Fußgängerzone Platz zu nehmen.

Von den Wänden hallt seine Stimme hier noch etwas lauter zurück. Allerdings ist die Atmosphäre etwas kälter: Die Leute hasten schneller vorbei, weniger als noch vorhin halten an, um zuzuhören, und der Wind zieht durch die Unterführung. Thorben scheint das alles wenig auszumachen. Seit drei Jahren zieht er als Straßenmusiker durch die Städte. Spielt an drei bis fünf Tagen in der Woche hier in Wolfsburg. An den anderen Tagen, streift er mit seiner Gitarre durch Gifhorn oder Hannover. Mit der Straßenmusik verdient der gebürtige Wolfsburger seinen Lebensunterhalt.

Das war nicht immer einfach: „Am Anfang war ich sehr nervös. Da hat es manchmal einige Stunden gedauert, bis ich mich getraut habe, anzufangen zu singen“, erzählt er. Mittlerweile kennt er viele Passanten, andere Straßenmusiker und auch Bettler, die ebenfalls fast täglich in der Fußgängerzone stehen. Einer sitzt uns an unserem neuen Platz gegenüber. Er freut sich sichtlich über die musikalische Gesellschaft. Thorben begrüßt auch ihn freudig. Überhaupt ist der 24-Jährige die ganze Zeit sehr aufgeweckt und gut gelaunt.

Erst auf meine Frage, was ihm die Straßenmusik alles bedeutet, wird der eigentlich fröhliche Musiker etwas nachdenklich. „Ich hatte schon sehr schwere Zeiten in meinem Leben. Menschen, die mir sehr wichtig waren, haben mich verlassen“, erzählt er. Der 24-Jährige habe damals Depressionen gehabt, sei von der Schule geflogen und hätte viel Alkohol getrunken. Die Musik half dem jungen Mann schließlich aus seiner Krise. „Wenn mir heute etwas Schlimmes passiert, dann steigere ich mich in meine Musik. Das hilft mir“, sagt er. Und stimmt schnell einen neuen Song an. „It Takes One To Know Me“ von Johnny Cash.

Etwa 20 Minuten später brechen wir auch hier unser Lager ab und machen uns auf den Rückweg zur Redaktion. Da es an diesem Tag im Mai so kalt ist, dass ich sogar meine Winterjacke noch einmal aus dem Schrank geholt habe, freue ich mich ehrlich gesagt, wieder ins Warme zu kommen. Thorben hingegen wird den ganzen Tag noch draußen verbringen – nach Gifhorn wird er heute noch fahren. Morgen will er wieder in Wolfsburg singen. Und nächste Woche? „Mal sehen, was mein Gefühl mir dann sagt“, sagt er zum Abschied.