Essenrode. Gemeinsam-Kandidaten 2017: Die Deutsch- und die Freizeit-AG im Bürgerverein Essenrode kümmern sich um Asylbewerber.

Der Bürgerverein in Essenrode ist für seinen Pragmatismus bekannt. Es sollte genau diese Eigenschaft sein, die den Mitgliedern bei der Bewältigung der für sie bis dahin größten Aufgabe bis heute hilft. Organisiert in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften betreuen sie 31 Männer aus dem Sudan. Zwei Arbeitsgruppen tun sich dabei besonders hervor: die AG Deutschunterricht und die AG Freizeit. Ihr Engagement verdeutlicht den Vereinszweck: Stärkung des Miteinanders, Förderung des Dorflebens. Und warum, so fragen sie, sollten Asylsuchende nicht an eben diesem Miteinander teilhaben?

Als klar geworden sei, dass künftig auch in Essenrode Geflüchtete leben würden, bildete der Bürgerverein zunächst eine AG Orientierung, erklärt der Vorsitzende Ernst von Lüneburg. Ein Ergebnis war ein Flyer in verschiedenen Sprachen. Er erklärte symbolhaft etwa klimatische Bedingungen, nannte Busverbindungen, Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten. Ein weiteres Ergebnis war die direkte Kontaktaufnahme: Betten beziehen, gemeinsam Suppe essen, und so weiter. Alles nur erste Schritte, sagen die Protagonisten. Denn das wichtigste Ergebnis der AG Orientierung waren die AG Deutschunterricht sowie die AG Freizeit und Beschäftigung.

Es ist ein ganzheitliches Konzept, das der Bürgerverein da entwickelt hat. Denn die Arbeit der AG’s untereinander, aber auch intern baut aufeinander auf. So behandelt die AG Deutschunterricht Themen, die die AG Freizeit und Beschäftigung aufgeworfen hat. An Schulen würde man dieses Prinzip wohl fächerübergreifenden Unterricht nennen. In Essenrode haben sie damit echte Erfolge, und nicht nur damit.

Neun Frauen und Männer unterrichten aktuell an vier Tagen in der Woche die deutsche Sprache – dem jeweiligen Niveau ihrer Schüler angepasst, aber bestens durchorganisiert und koordiniert. Siegfried Kuß hat das in die Hand genommen und eine Art „Intranet“ als interne Kommunikationsplattform für die Lehrkräfte eingerichtet. Ihr Unterrichtsmaterial erschaffen sie selber, intuitiv und auf Basis eigener Erfahrungen. Hildegund Herrmann etwa ist pensionierte Grund- und Hauptschullehrerin. Alle zusammen sprechen sie Inhalte und Ziele des Unterrichts ab. Und der hat alle Facetten, die lebendiges Lernen nur haben kann: von spielerischen Elementen bis hin zu praktischen Ansätzen.

„Sprache bedeutet Leben“, sagt Ernst von Lüneburg. Und in dieses Leben führt die AG Freizeit und Beschäftigung die Asylsuchenden aktiv ein. Ausfahrten, Wanderungen, Stadionbesuche, Spiele – die Liste der Freizeitaktivitäten ist lang. Die Liste des Bereiches Beschäftigung liest sich nachhaltig: Vermittlung von Praktika und Berufsausbildung, Gespräche mit Firmen, der Bundesagentur für Arbeit, interne Gespräche mit den Asylsuchenden über ihren Bildungsstand ihr Ziele und Wünsche. „Es geht um langfristige und nachhaltige Hilfe, darum, die Menschen zu Bürgern dieses Landes zu machen“, erklärt Herm Henkel von der AG. Und selbst, wenn sie zurück müssten: Mit dem, was die Mitglieder der AG Deutschunterricht und der AG Freizeit und Beschäftigungen ihnen auf den Weg geben, haben sie dort auf jeden Fall einen besseren Start. Davon sind Siegfried Kuß, Herm Henkel und die vielen Ehrenamtlichen in Essenrode überzeugt.