Braunschweig. Was kommt nach Schule und Studium? Beruf oder Familie? Ein Gespräch über die Frage, welche Prioritäten man setzt.

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Laut einer aktuellen Studie des Statistischen Bundesamtes erreichte die Geburtenziffer in Deutschland 2015 1,5 Kinder je Frau. So hoch lag der Wert zuletzt im Jahr 1982. Der Trend scheint also wieder mehr zur Familiengründung zu gehen. Aber ist das auch bei jungen Menschen an der Schwelle zum Berufsleben so? Was bedeutet Familie überhaupt? Ist sie wichtiger als ein erfüllender Beruf? Oder möchten junge Menschen doch lieber zuerst etwas erleben, die Welt entdecken, bevor es an die Familienplanung geht? Alicia Bettler (16) und Lauritz Krull (17) aus Wolfenbüttel sowie Larissa Schwandt (25) aus Braunschweig haben sich schon ihre Gedanken zu diesem Thema gemacht – und sie gemeinsam diskutiert.

Was bedeutet Familie überhaupt?

„Für mich bedeutet Familie in erster Linie meine Eltern und Verwandten“, sagt Larissa Schwandt. Im Moment zumindest. „Natürlich will ich auch mal eine eigene Familie gründen, aber das ist bei mir jetzt noch nicht so aktuell.“ Die 25-Jährige hat gerade erst ihr Studium beendet – nun folgt zuerst die berufliche Orientierung.

Doch der Familienbegriff kann noch weiter gefasst werden, wie Alicia Bettler anmerkt. Freunde können auch dazugehören. „Zumindest, wenn man sie schon lange kennt. Wenn es Freunde sind, die man etwa schon seit dem Kindergarten oder der Grundschule hat, können die auch irgendwo mit zur Familie zählen“, sagt die 16-Jährige. Lauritz Krull fügt an: „Bei mir sind das Leute, die ich vielleicht schon seit der 5. Klasse kenne. Mit denen bin ich jeden Tag zusammen, die kennen mich daher schon fast genauso gut wie meine Familie. Es gibt ja Dinge, die man unter Freunden preisgibt. Zuhause aber nicht und umgekehrt.“

Hinzu komme der Zusammenhalt unter den Familienmitgliedern – der Klebstoff der Familie, wenn man so will. Und zwar generationenübergreifend. „Von den Großeltern bekommt man noch einmal andere Einflüsse vermittelt als von den Eltern“, sagt Alicia Bettler. Sicher sind sich aber alle drei: Früher oder später wollen sie selbst eine Familie gründen. Dieser Plan steht fest. Ein konkreter Zeitplan aber noch nicht. Das muss er auch nicht, hat sich die Vorstellung von der Familiengründung doch verändert. „Früher war es ganz normal, mit 20 schon Kinder zu bekommen. Heute ist das vielleicht mit 30 normal. Und das ist auch nicht schlimm, denke ich, weil man sich vielleicht auch erstmal im Beruf festigen will oder sogar muss, bevor man damit anfängt“, gibt Larissa Schwandt zu bedenken. Vorher steht also die Ausbildung auf der Liste. „Ich finde es schon wichtig, ein festes Einkommen zu haben, bevor dieser Schritt ansteht“, sagt Bettler.

Ist ein erfüllender Beruf denn wichtiger als Nachwuchs oder Familie?

Der Beruf solle aber definitiv nicht über der Familie stehen. In diesem Punkt sind sich alle einig – weitestgehend zumindest. „Ich finde, das muss sich die Waage halten“, sagt Schwandt. Auch die zunehmend geforderte berufliche Flexibilität solle dem nicht im Wege stehen. Bei der Wahl des Arbeitgebers spiele die Familienplanung also ebenfalls eine Rolle. Alle meinen aber: Ohne Beruf ist auch die Familiengründung schwierig – vor allem in finanzieller Hinsicht. „Man muss seine Familie auch ernähren können“, sagt Schwandt. Natürlich in Abstimmung mit dem Partner. Beide müssten schließlich ihren Teil beitragen.

Wo soll der Lebensmittelpunkt sein – in der Stadt oder auf dem Land?

Wo denn später der Lebensmittelpunkt sein soll, darüber waren sich die Gesprächspartner nun nicht so einig. „Stadt“, sagt Larissa Schwandt wie aus der Pistole geschossen. „Dorf“, entgegnet Alicia Bettler entschlossen. Lauritz Krull ist dagegen etwas diplomatischer: „Eher im ländlichen Bereich“, sagt der 17-Jährige und fügt an: „Ich denke, das ist besser, wenn man Kinder hat. Einmal aus gesundheitlicher Sicht, aber auch wegen der sozialen Kontakte.“ Eine Einschätzung, die auf eigenen Erfahrungen beruht. Krull ist nämlich selbst auf dem Land aufgewachsen, in Sonnenberg. „Dann bin ich relativ oft umgezogen.“ Dieser Plan will also wohl überlegt sein. „Ich glaube, es hat auch Vorteile, in der Stadt zu wohnen. Der Weg zur Schule ist zum Beispiel vielleicht kürzer“, sagt Bettler. Und zwar aus einem sehr naheliegenden Grund: „Dementsprechend kann man natürlich auch später aufstehen.“ Auf dem Dorf sei das Leben aber dennoch etwas anderes – ruhiger, auf den Straßen sei einfach weniger los. In einer richtigen Großstadt will übrigens auch Larissa Schwandt nicht mehr wohnen. Sie hat ihre Erfahrungen beim Studium in Berlin gemacht. Braunschweig sei von der Größe her genau richtig. „Hier hat man viele Möglichkeiten und die Stadt ist einfach nicht zu groß“, sagt Schwandt.

Frühe Familiengründung oder

erstmal die Welt entdecken?

Bevor es soweit ist, will aber der eigene Erfahrungsschatz noch angereichert werden. Durch einen Auslandsaufenthalt zum Beispiel. „Das wäre eine Möglichkeit“, sagt Krull. „Vielleicht nicht so lange, maximal ein Jahr, würde ich sagen. Zu viel Zeit würde ich dafür nicht opfern wollen.“ Zeitverschwendung aber wäre ein Leben im Ausland aber nicht. „Wenn man andere Leute kennenlernt und sieht, wie sie leben, hätten diese Erfahrungen sicher einen gewissen Einfluss – auch auf die spätere eigene Erziehung etwa“, so Krull weiter. Alicia Bettler reicht ein längerer Urlaub als Auslandserfahrung aus: „Ein Jahr oder ein halbes wegzugehen, das ist nichts für mich.“ Larissa Schwandt hingegen hat bereits im Ausland gelebt – und darum eine etwas andere Meinung dazu. Während des Studiums war sie für ein halbes Jahr in Frankreich. „Für mich ist das auch wichtig“, sagt Schwandt. „Weil das die persönliche Entwicklung voranbringt. Ich dachte vorher auch, dass ich das nicht brauchen würde. Man erkennt dann aber doch, dass man über sich selbst sehr viel lernt, was im weiteren Leben wirklich weiterhilft.“ Sie hätte dort ihre Wohlfühl-Zone verlassen, sagt Schwandt weiter, und erfahren, was sie möchte und was nicht. Herumreisen könne man aber auch noch später, mit den Kindern etwa, als ganze Familie, so Krull.

Zweifelt man nicht doch manchmal am Plan der Familiengründung?

Ob Lebens- und Auslandserfahrung oder nicht – Zweifel hat keiner daran, eine Familie gründen zu wollen. Trotz der großen Verantwortung, die damit einhergeht, lautet die Antwort auf diese Frage unisono „nein“. „Vielleicht ist es eine Umstellung, plötzlich nicht mehr nur für sich selbst verantwortlich zu sein. Aber das gehört dazu“, sagt Lauritz Krull selbstsicher. Um Gegenargumente für diese einhellige Meinung zu finden, müssen die drei schon eine Weile überlegen. Und die Antwort erscheint ihnen selbst wohl alles andere als stichhaltig: „Höchstens Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf könnten möglicherweise Zweifel hervorrufen“, sagt Larissa Schwandt, ohne dabei richtig überzeugt zu klingen. Aber was ist, wenn die Harmonie mit dem Partner irgendwann verflogen ist? „Das wäre die größte Sorge“, sagt Krull schließlich. „Alleinerziehend möchte ich nicht sein“, fügt er an. Es sei schwierig, sich in eine solche Situation zu versetzen, findet Schwandt, „es ist aber die Frage, ob es dem Kind vielleicht noch mehr schadet, wenn die Eltern sich zwingen zusammenzubleiben“. Aber auch in dieser Hinsicht habe sich das Familienbild verändert, meint Alicia Bettler: „Früher hat eine Trennung wahrscheinlich nicht so sehr ins Gesellschaftsbild gepasst. Da ist man dann vielleicht auch zusammengeblieben, obwohl es nicht mehr funktioniert hat.“ Eine Art Zweckgemeinschaft – diesem Gedanken kann keiner der Gesprächspartner etwas abgewinnen. Im Fall der Fälle plädiert Bettler also an das Verantwortungsbewusstsein beider Eltern – zumindest, wenn auch Kinder im Spiel sind. „Es geht dann nicht, dass sich nach einer Trennung nur einer verantwortlich fühlt. Das muss man dann schon gemeinsam hinbekommen.“