Braunschweig. Wirtschaftsvertreter wie die Vorstandschefs von VW und Salzgitter AG schätzten Hesselbach. Der weist Kritik an der Nähe zurück.

Nicht nur zu anderen Forschungseinrichtungen hat TU-Präsident Jürgen Hesselbach Brücken gebaut – auch in die Wirtschaft. „Forschen im Elfenbeinturm war nie seine Sache“, sagt etwa Volkswagens Vorstandschef Matthias Müller. „Offen sein, Wettbewerb zulassen, Kooperationen suchen – das ist sein Credo.“

So habe er zum Beispiel gemeinsam mit VW das Niedersächsische Forschungszentrum für Fahrzeugtechnik (NFF) gegründet und zu einem international anerkannten Standort für nachhaltige Mobilitätskonzepte gemacht. Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten dort eng zusammen, forschen beispielsweise in der zugehörigen Open-Hybrid-Lab-Factory zum Leichtbau, durch den sich Verbrauch und damit Emissionen senken lassen. Über die gemeinsame Professur mit der Ostfalia-Hochschule für Entrepreneurship fördert die Technische Universität außerdem Gründer.

In den Augen des Vorstandsvorsitzenden der Salzgitter AG, Heinz Jörg Fuhrmann, ist Hesselbach ein „für die heutige Zeit bemerkenswert undogmatischer Ingenieur“. Vom ersten Moment seiner TU-Präsidentschaft an habe er einen „überaus kreativen Stil des Umgangs mit Industrieunternehmen praktiziert“. „Er wusste als Kenner der Materie sehr genau, dass Unternehmen dann für Kooperationen zu begeistern sind, wenn beide Partner davon profitieren können.“ Gemeinsam erforschten und bauten Salzgitter AG und TU zum Beispiel eine neuartige Wasserkraftanlage zur umweltfreundlichen Stromerzeugung.

Florian Bernschneider, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Region Braunschweig, beschreibt Hesselbach ebenfalls als aktiven Brückenbauer und Netzwerker: „jemand, der nicht nur ansprechbar ist, sondern auch selber auf Unternehmen zugeht und für gemeinsame Projekte wirbt – und zwar nicht aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm heraus, sondern mit einem guten Verständnis für die unternehmerischen Realitäten“. Das berichtet auch Rainer Kupetz, Geschäftsführer der Kooperationsinitiative Maschinenbau, in der sich 30 mittelständische Unternehmen sowie TU und Ostfalia zusammengeschlossen haben. So können sich Unternehmer etwa auf den neuesten Stand der Forschung bringen oder über Fördermöglichkeiten informieren. „Der Mittelstand hat vielfach nicht die Ressourcen, um eigene Forschung und Entwicklung zu betreiben“, sagt Kupetz.

Doch bedroht diese enge Verzahnung die Freiheit der Wissenschaft? Etwa 25 Prozent des Gesamtbudgets der TU von 328 Millionen Euro für 2015 waren Drittmittel, also Gelder, die die Universität bei externen Geldgebern eingeworben hat. Rund 29 Prozent der Drittmittel kamen nach Angaben der TU aus der Industrie. Problematisch können Drittmittel auf drei Ebenen werden, wie das Portal Hochschulwatch.de aufführt: durch eine direkte Beeinflussung, etwa auf die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, indirekt durch eine „Schere im Kopf“, oder aber die Forschung richtet sich komplett an den Interessen der Drittmittelgeber aus, da es an anderen Geldern mangelt. Zu diesen kommen zudem Sponsoring sowie Stiftungsprofessuren und Stipendien, die von Unternehmen finanziert werden.

„Wir haben eine andere Geschichte als die klassischen Universitäten“, sagt Hesselbach. Die Technischen Hochschulen seien gegründet worden, um auch zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit vor allem der regionalen Unternehmen beizutragen. „Deswegen sage ich: Selbstverständlich sind wir auch für die Wirtschaft da, allein schon durch die Ausbildung für den Arbeitsmarkt.“

Müller findet die Zusammenarbeit in Zeiten der radikalen Veränderung der Autobranche hin zu Dienstleistungen, Elektrifizierung und Vernetzung „wichtiger denn je“. Für die Zukunft wünscht er sich eine neue Innovationskultur, mehr Start-up-Mentalität: „Da haben Hochschulen und Unternehmen in Deutschland sicher noch Nachholbedarf.“