Gifhorn. Der Landkreis probiert als Gesundheitsregion neue Ansätze aus, um die medizinische Versorgung zu sichern.

Wie geht es Ihnen? Haben Sie die Feiertage gut überstanden? Was nach freundlichem Small Talk klingt, bekommt in Gifhorn zunehmend einen ernsten Hintergrund. 2016 ist Ärztemangel ein großes Thema. In sozialen Netzwerken werden Tipps heiß gehandelt, wo man als Neu-Patient überhaupt noch einen Mediziner findet. Im November braucht es mehrere Gespräche der Gifhorner Ärzteschaft, um die Folgen zweier Praxisschließungen aufzufangen und die Patienten auf die verbliebenen Praxen zu verteilen. Dr. Klaus-Achim-Ehlers, Kreissprecher der Kassenärztlichen Vereinigung, räumt ein: „Wir Ärzte sind an der Belastungsgrenze.“

Was ist passiert? Der Bedarf an Behandlern wächst. Es ist nicht nur der Zuzug von Flüchtlingen. Gifhorn ist vielerorts Wachstumsregion, verbucht Wanderungsgewinne, freut sich über mehr Kinder.

Hält die Praxislandschaft Schritt? Wachsender Zulauf in der Notaufnahme des Helios-Klinikums lässt daran zweifeln. Klinik und niedergelassene Ärzte finden nach monatelangen Verhandlungen eine Lösung. Im Frühjahr 2017 zieht die Bereitschaftsdienstpraxis mit eigenen Räumen direkt in die Notfallaufnahme. Schwester und Pfleger an einem gemeinsamen Empfang lotsen die Patienten dann direkt zur ambulanten oder stationären Versorgung.

Der Landkreis setzt auf bessere Strukturen für Medizin und Pflege. Er ist als eine von niedersachsenweit zwölf Gesundheitsregionen anerkannt. Was hat die Gesundheitsregion bislang erreicht? Eine Menge, versichert Sozial-Kreisrat Rolf Amelsberg. „Wir haben eine Plattform zum Austausch der lokalen Akteure über die Themen ärztliche Versorgung, Pflegerische Versorgung, Prävention und Gesundheitsförderung, Palliativ- und Hospizversorgung, Seelische Gesundheit sowie Gesundheit und Ehrenamt geschaffen“, zählt Amelsberg auf.

Im Januar 2017 beginnt ein neues Projekt, das die Versorgung für schwerstkranke Patienten und sterbenskranken Menschen verbessern soll. „Zwei weitere Projektanträge liegen derzeit zur Beschlussfassung in Hannover vor“, kündigt Amelsberg an. Um die Ansätze der Gesundheitsregion abzustimmen und mit allen Beteiligten im Gespräch zu bleiben, habe der Landkreis eine halbe Stelle geschaffen Für die Gesundheitskoordinatorin gebe es Strukturförderung vom niedersächsischen Sozialministerium.

Doch wo hat sich konkret für Patienten oder Pflegebedürftige schon etwas verbessert?

So einfach ist das nicht, räumt Amelsberg ein. „Bei den Problemfeldern Ärztemangel und Fachkräftemangel in der Pflege handelt es sich um bundesweite Phänomene, die mit regionalen Maßnahmen nicht kurzfristig zu beseitigen sind. Hier planen wir langfristig, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.“

Dennoch: Eine drohende Unterversorgung mit Hausärzten im Nordkreis sei durch Praxiserweiterungen und Neuansiedlungen abgewendet worden. In Isenbüttel gibt es eine neue Augenpraxis mit zwei Ärztinnen. Amelsberg: „Auch für den neuen allgemeinärztlichen Versorgungsbereich Wolfsburg-Umland mit den Samtgemeinden Brome und Boldecker Land haben bereits erste Gespräche mit den beteiligten Ärzten und Kommunen stattgefunden.“

Ganz zufrieden scheint Amelsberg selbst nicht: „Bedarfe werden noch nahezu unverändert nach den Methoden der 90er Jahre des letzten Jahrtausends erhoben. Damals sollte mit der Festschreibung eines bestimmten Verhältnisses zwischen Einwohnerzahl und Medizinern eine Ärzteschwemme verhindert werden.“ Jetzt geht es darum, Ärztemangel zu verhindern.

Die eigenen Mittel des Landkreises Gifhorn sind allerdings begrenzt. „Der sogenannte Sicherstellungsauftrag liegt nach wie vor bei der Kassenärztlichen Vereinigung“, betont der Gesundheits-Dezernent. „Allerdings leisten wir unseren Anteil, um freiwerdende Arztstellen wieder zu besetzen.“ So fördere der Kreis die Weiterbildung von zukünftigen Fachärzten finanziell. Die Wirtschaftsförderung stockt die Niederlassungsförderung der Kassenärztlichen Vereinigung noch auf. Praxisgründer erhalten richtig Geld. Und in einem Mentoringprogramm kümmern sich erfahrene Gifhorner Ärzte um heimische Medizinstudenten. Die Ärzte von morgen.