Istanbul. Der Türkei droht ein Bürgerkrieg wie in Syrien. Das Land ist unter Präsident Erdogan gespaltener denn je.

Während die Kurden im Irak und in Syrien Siege feiern konnten, dominieren bei den Angehörigen der kurdischen Minderheit in der Türkei Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Noch im Juni 2015 bejubelten diese, dass mit der HDP erstmals einer pro-kurdischen Partei der Einzug ins Parlament in Ankara gelang. Nur ein Jahr später wurde die Immunität fast aller HDP-Abgeordneten aufgehoben.

Die treibende Kraft dahinter: Präsident Recep Tayyip Erdogan, der in der Partei den verlängerten Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK sieht. Zehn HDP-Abgeordnete sitzen inzwischen in Untersuchungshaft, darunter die beiden Parteichefs.

Erdogan nutzt die Möglichkeiten des Ausnahmezustands. Dieser war verhängt worden, nachdem Teile des Militärs Mitte Juli versucht hatten, zu putschen. Der Aufstand mit etwa 300 Toten scheiterte. Ankara macht Anhänger des Predigers Fethullah Gülen verantwortlich. Tausende wurden entlassen und verhaftet.

Die Behörden lassen auch kurdische Medien und Organisationen schließen, denen die Regierung PKK-Verbindungen nachsagt. Die PKK ihrerseits trug kräftig dazu bei, die Gewalt nach dem Ende des Friedensprozesses im Sommer 2015 eskalieren zu lassen. Sie trug den Kampf in kurdische Städte. Bewaffnete PKK-Anhänger verschanzten sich in Wohngebieten, die Armee setzte Panzer und Artillerie gegen sie ein. Ganze Stadtviertel wurden dem Erdboden gleichgemacht. In Städten wie Cizre oder Sirnak, aus denen Tausende flohen, herrschten monatelange Ausgangssperren. Hunderte Menschen starben, darunter Zivilisten. Parallel dazu verbreitete eine Splittergruppe der PKK – die TAK – Terror in Metropolen in der Westtürkei.

Das Europaparlament hat auf das harte Vorgehen gegen Oppositionelle und Kurden mittlerweile reagiert und mit großer Mehrheit für eine Aussetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gestimmt.

Gleichzeitig hält Europa am Flüchtlingspakt fest. In dem Abkommen aus dem März 2016 verpflichtet sich die Türkei, illegal in die EU eingereiste Flüchtlinge aus Syrien zurückzunehmen. Im Gegenzug stellte die EU Milliardenhilfen in Aussicht. Kritiker sagen, die EU habe sich durch den Pakt erpressbar gemacht. dpa