Wolfsburg. Der Abgas-Skandal ist noch längst nicht abgearbeitet. 2017 ist für VW das dritte Jahr im Krisenmodus.

Fortschritte gibt es schon, durchaus auch bedeutende. Aber von einem Schlussstrich ist VW im Abgas-Skandal noch weit, sehr weit entfernt. Er wird erst in Jahren gezogen werden können. Allerdings: Wie schon bei vielen Aufreger-Themen der Vergangenheit tritt auch beim Abgas-Skandal in der öffentlichen Wahrnehmung ein Gewöhnungseffekt ein. Längst sorgt nicht mehr jede Nachricht für riesige Schlagzeilen, die öffentliche Empörung hat an Temperatur verloren.

Das wird voraussichtlich auch in 2017, dem dritten Jahr für VW im Krisenmodus, der grundsätzliche Trend sein. Jedoch mit Ausnahmen. Denn zentrale Teile im Aufklärungspuzzle fehlen noch immer. Können sie eingesetzt werden, wird auch die Schlagzeilen-Frequenz zumindest für einige Zeit wieder deutlich zunehmen.

An erster Stelle ist der Untersuchungsbericht der US-Kanzlei Jones Day zu nennen. Sie war vom VW-Aufsichtsrat mit den internen Ermittlungen beim Autobauer beauftragt worden. Nicht nur VW-Aktionäre erhoffen sich, dass der Bericht die Verantwortlichen für den Abgas-Betrug nennt. Eigentlich hätten Zwischenergebnisse schon im Verlauf des zurückliegenden Jahres veröffentlicht werden sollen, der VW-Aufsichtsrat ist von seiner ursprünglichen Strategie jedoch abgerückt. Nun ist Warten angesagt.

Ebenso spannend wird die Veröffentlichung der Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Sie ermittelt in Summe gegen 30 Beschuldigte. Unter ihnen sind der frühere VW-Vorstandschef Martin Winterkorn und der aktuelle VW-Markenchef Herbert Diess. Bei ihnen lautet der Vorwurf Marktmanipulation. Untersucht wird, ob die beiden Top-Manager VW-Aktionäre zu spät über die Abgas-Manipulationen informiert haben.

VW sieht sich zudem einer Vielzahl zivilrechtlicher Klagen ausgesetzt. Die Kläger können in zwei Gruppen unterteilt werden. Zur ersten Gruppe gehören VW-Besitzer, die ihr Auto wegen der Abgas-Manipulationen entweder zurückgeben wollen oder Schadenersatz verlangen. Die Gerichte in Deutschland haben noch keine einheitliche Linie gefunden. Mal bekommen die Kläger Recht, mal scheitern sie. Bis zum finalen Urteil dürften Jahre vergehen.

Zur zweiten Gruppe gehören Aktionäre, die VW vorwerfen, dass sie von ihm zu spät über den Abgas-Betrug und seine Folgen informiert wurden. Auch dieser Teil der juristischen Aufarbeitung des Skandals wird noch lange dauern. Am Landgericht Braunschweig wird derzeit ein Musterverfahren vorbereitet.

Deutlich weiter ist VW – trotz monatelanger Verzögerungen – in Deutschland und Europa mit der technischen Bewältigung der Abgas-Manipulationen. Kurz vor Weihnachten erteilte das Kraftfahrt-Bundesamt die Freigabe für die technische Nachrüstung der noch ausstehenden Dieselmotoren, die von den Manipulationen betroffen sind.

Sobald die Halter mit ihrer Werkstatt einen Termin vereinbart haben, wird dort im neuen Jahr die Arbeit beginnen. Von den weltweit 11 Millionen Diesel-Motoren, die von den Manipulationen betroffen sind, entfallen 8,5 Millionen auf Europa, davon 2,6 Millionen auf Deutschland.

In den USA dagegen muss der Autobauer auf eine andere Strategie ausweichen, weil die Autos auch nach einer technischen Nachrüstung die Schadstoffvorgaben nicht einhalten. Deshalb wird VW einen Teil der Autos zurückkaufen. Die Besitzer erhalten zudem finanzielle Entschädigungen. Allein 16,5 Milliarden Dollar – 15,8 Milliarden Euro – werden für den im vergangenen Sommer ausgehandelten Kompromiss fällig. Zurückgestellt hat VW bisher rund 18 Milliarden Euro für die Aufarbeitung des Abgas-Skandals.

Insbesondere die Entschädigungen für US-Kunden sorgen außerhalb der USA für Ärger. Etliche VW-Halter fühlen sich ungerecht behandelt. Sie werfen den Wolfsburgern vor, die Kunden mit zweierlei Maß zu bewerten. Auch dieser Konflikt ist noch längst nicht ausgestanden. In Europa bekommen die Kunden Unterstützung von der EU-Kommission, die Entschädigungen für VW-Kunden in der EU fordert.

Wegen seines Ausmaßes hat der Abgas-Skandal längst die Politik erreicht. Dabei ist Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt wiederholt in die Kritik von Umweltschützern und Oppositionspolitikern geraten. Der Vorwurf: Er schütze die deutschen Autobauer über Gebühr. Obwohl der Wind der Kritik mitunter heftig blies, hat Dobrindt bislang allen Stürmen standgehalten.

Unklar ist bislang noch, in welchem Umfang das Thema Abgas-Manipulation im neuen Jahr in der politischen Diskussion an Bedeutung gewinnt. Zwar mehren sich die Hinweise, dass auch viele andere Autobauer bei den Abgaswerten getrickst haben. Konsequenzen gab es bisher für sie jedoch nicht.