Braunschweig. Luc Degla schreibt in seiner Kolumne „Schwarzrotgold“ über Zeiten der Dürre und Regen in Benin. Wie er nun zum deutschen Wetter steht.

Als meine Lehrerin mir in der Schule die Jahreszeiten erklärte, war ich zu gleich fasziniert, aber auch irritiert. Die Tatsache, dass ich mich auf einer Kugel befinde, die sich auf ihrer eigenen Achse und auch noch um die Sonne dreht, beunruhigte mich. Nachdem ich mich mit erhobener Hand gemeldet hatte, gab mir die Lehrerin das Wort: „Ich merke aber nicht, dass die Erde sich dreht. Wie kann man das wissen? Ich merke es doch, wenn ich in einem Auto sitze, das sich bewegt“, sagte ich. „Wir können nicht merken, dass die Erde sich dreht, weil wir uns darauf befinden“, antwortete die Lehrerin, und fügte hinzu: „Wenn eine Fliege sich auf einer Orange befindet und du die Orange auf ihrer eigenen Achse drehst, wird die Fliege es nicht merken. Aber ein Beweis für die Rotation der Erde um die Sonne sind die Jahreszeiten.“

Damals kannte ich in Benin nur folgende vier Jahreszeiten: Nach der großen Regenzeit folgte die kleine Dürrezeit, dann die kleine Regenzeit und schließlich die große Dürrezeit, die von Dezember bis März andauerte, bevor die große Regenzeit den Zyklus wieder aufnimmt. Alle diese Jahreszeiten hatten für mich Vor- und Nachteile. In der Regenzeit regnet es ununterbrochen, weder Schirme noch Jacken halfen mir draußen trocken zu bleiben. Die Luft war feucht, der Boden von Wasser übersättigt und die Straßen regelmäßig unpassierbar. Die Bäume hatten saftige grüne Blätter und Gräser wuchsen überall.

Menschen mit einer Klimaanlage waren privilegiert, so der Braunschweiger

Die Temperatur war zwar angenehm, aber die Mücken zwangen uns, dauernd zu klatschen. Im Alter von sechs bis acht Jahren freute ich mich über die Regenzeit und baute in unserem Garten Mais und Erdnüsse an. Diese beiden Pflanzen ergänzen sich, weil die Erdnüsse besser unter dem Schatten der hochgewachsenen Maispflanzen gedeihen. Etwas, das mich besonders in der Dürrezeit störte, war die Tatsache, dass in der Stadt, in der ich mit meinen Eltern wohnte, das Wasser rationiert wurde. Ich durfte nur mit fünf Litern Wasser duschen.

Auch ertrug ich die Dürrezeit schlecht, weil ich die Hitze nicht ausstehen konnte. Ich schwitzte dauernd und bekam Sonnenpickel. Die Dürrezeit hatte aber einen besonderen Vorteil: Wir hatten drei Monate Schulferien. Ich konnte so lange draußen spielen, wie ich wollte. Die Erwachsenen, die es sich leisten konnten und die, die wichtige Posten innehatten, kühlten in der Dürrezeit ihre Wohnungen und Büros mit einer Klimaanlage auf angenehme Temperaturen ab. Der Traum, eines Tages in meinem eigenen Büro eine Klimaanlage zu besitzen, motivierte mich auch in der Schule gute Noten anzustreben. Und heute denke ich mir, sollte ich ein Haus in Benin bauen, dann muss sich dieses Haus selbstständig bei hohen Außentemperaturen mit Solarenergie abkühlen können.

Luc Degla über die Liebe zu kühlen Temperaturen

Ich lernte Europa von der Seite seiner grauen Wetterlage kennen. Die erste Stadt, in die ich aus Benin kommend anreiste, war Sankt-Petersburg. Bei dem Anflug auf den Flughafen überflog das Flugzeug kahle Bäume. Während ich das Flugzeug verließ, ging mir ein Gedanken durch den Kopf: „Hier herrscht draußen die Klimaanlage, von der ich immer geträumt habe. Ich bin gespannt, wie es sich hier lebt.“ Tatsächlich konnte ich die leichte Kleidung, die ich bis dahin gewöhnt war, nur noch in einem geheizten Zimmer tragen. Der Gang nach draußen war nur möglich, nachdem ich einen schweren Mantel angezogen hatte.

Meine Liebe zu kühlen Temperaturen ist aber geblieben. Ich bin immer noch kein Fan vom Sommer. Auch bewundere ich den Frühling. Die Rückkehr des Grünen in der europäischen Landschaft. Die Natur blüht auf, die Vögel zwitschern ständig und die Dunkelheit hält über die Nacht nur kurz an und verschwindet schnell wieder, als ob die Natur den Menschen viel Zeit geben möchte, damit sie diese Jahreszeit länger genießen können.

Es ist mir aufgefallen, dass, was man in Europa Frühlingsgefühl nennt, in Benin in der Regenzeit zu beobachten ist. Die Menschen verlieben sich, wenn draußen die Temperatur sinkt und der Regen sie zwingt, in den Häusern zu bleiben und sie sich fröhlich unterhalten. In Europa bestimmt nicht nur die Sonne die Jahreszeiten, die Politik tut es auch. Die Sommerzeit ist künstlich und kommt jedes Jahr Ende März immer wieder auf uns zu.

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