Zwei Fußballfreunde vom SV Kralenriede retten Andreas Pawletko das Leben – “Sie haben alles richtig gemacht“

Andreas Pawletko sitzt in der Herrenumkleide des SV Kralenriede und versucht es mit einer Anekdote. "Ich muss zurück, wir spielen noch", soll er im Rettungswagen gesagt haben, als er kurz bei Bewusstsein war. Er weiß nichts davon. Der Tag ist aus seinem Gedächtnis gelöscht. "Typisch wär das für dich", grinst Dirk Glindemann. Beide teilen die Fußballleidenschaft. Sie sind beste Freunde seit 25 Jahren.

Der 27. April. Ein Spiel beim SV Kralenriede. Die zweite Halbzeit hat gerade begonnen, als Andreas Pawletko zusammenbricht. Von einer Sekunde auf die nächste ist der 49-Jährige einfach weg. Ohne Vorwarnung. Glindemann hat ihm gerade den Ball zugespielt.

Der Polizeibeamte sieht: Jetzt zählt jede Minute. Zusammen mit Mannschaftskamerad Thomas Richter versucht Dirk Glindemann den Freund wiederzubeleben. Er beatmet ihn durch die Nase, der Justizvollzugsbeamte Richter massiert das Herz, bis die Rippen knacken. "Ich hatte das große P in den Augen", erinnert er sich. "Aber es gab nur eines: Du musst etwas tun."

Neun Minuten, bis der Notarzt kommt, halten sie den Bewusstlosen am Leben. Seine Atmung setzt nach ein paar Zügen immer wieder aus. Die Panik der Retter steigert sich von Mal zu Mal. "Bleib bei uns", denkt Dirk Glindemann nur.

Andreas Pawletkos Herz schlägt nicht mehr aus eigener Kraft, es springt nicht an. Die Freunde übernehmen manuell die Funktion des Herzens, pumpen Sauerstoff durch den Körper und ins Gehirn. Wortlos funktioniert ihr Zusammenspiel.

"Sie haben alles gemacht, was ging, und alles war richtig", sagt Andreas Pawletko rückblickend. "Ich war einfach auf fremde Hilfe angewiesen. Wenn in einer solchen Situation niemand etwas tut, war es das." Dann hätte er wohl Hirnschäden davongetragen, würde heute vielleicht nur noch gegen die Decke starren – wenn er noch leben würde.

Die Überlebenschance beim Plötzlichen Herztod liegt bei nur rund fünf Prozent, weiß Pawletko heute. "Weil niemand etwas tut." Das bestätigt Dr. Hartwig Marung, Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes. Beim Kreislaufstillstand sinke die Überlebenschance in jeder tatenlos verstrichenen Minute um zehn Prozent. Doch die Wiederbelebung durch Laien, wie hier, sei die Ausnahme – wohl aus Angst. Dabei könne man nichts falsch machen. Nur helfen. Wer den Notruf 112 wähle, bekomme auch telefonisch Anleitung zur Ersten Hilfe.

Den Ballsport darf Andreas Pawlekto nicht mehr betreiben. Das ist hart für den leidenschaftlichen Fußballer. "40 Jahre habe ich gespielt", sagt er. Doch bleibt er Leiter der Fußball-Abteilung vom SV Kralenriede, der eine Konsequenz gezogen hat: Er bezahlt allen Trainern und Betreuern eine Erste-Hilfe-Ausbildung. "Denn es kann überall passieren", sagt Pawletko. "Je mehr Erste Hilfe beherrschen, desto größer ist die Chance, gerettet zu werden."

"Tja", meint er zum Schluss des Gesprächs, "jetzt kann ich nicht mal meine Fußballschuhe an den Nagel hängen." Die seien ihm irgendwie abhanden gekommen am Tag seiner Rettung.

Unfallopfer gefangen in brennendem Auto

An der Unfallstelle wurde ein neuer Baum gepflanzt. Zum Glück steht da kein Kreuz, denkt Claudia Hentrich, wenn sie auf der Straße Richtung Waggum unterwegs ist. Vor zwei Jahren hat sie hier mit anderen einen Schwerverletzten aus seinem brennenden Auto gezogen. Was wohl aus ihm geworden ist? Sie weiß es nicht. Datenschutz. Es hätte ihr geholfen, das zu wissen, sagt die 37-Jährige. Lange noch hat sie von dem Unfall geträumt.

Es war so still, eine eigenartig ruhige Szene. Das umgekippte Auto auf der Gegenfahrbahn. Der Baum. Etwas entfernt hält ein Auto. Claudia und Thomas Hentrich sind mit ihren Kindern auf dem Weg zum Waggumer Flughafen, als sie das Unfallauto sehen. Sie denken: Die Retter waren wohl schon da. Es fehlt nur noch der Abschleppwagen.

Thomas Hentrich bremst trotzdem, geht um das auf der Seite liegende Auto herum. Plötzlich krampft sich ihm der Magen zusammen. Jemand ruft um Hilfe. "Ist da keiner drin?", fragt seine Frau, als er zum Wagen zurückkehrt. "Doch", antwortet ihr Mann. Was folgt, ist eine dramatische Rettungsaktion.

Sie sind zu viert: die Hentrichs, ein Jogger, ein Berufsfeuerwehrmann. "Wir haben automatisch gehandelt, ohne zu überlegen", erinnert sich Claudia Hentrich. Alles andere um sie herum ist ausgeschaltet.

Der Verunglückte ist ein junger Mann. Mitte 20 schätzen die Hentrichs ihn. Er ist gefangen in seinem Wagen, aus dem Motor qualmt es. Claudia Hentrich hat Angst, das Auto könnte gleich explodieren. Zum Glück haben sie das eigene Auto mit den drei Kindern weiter weg geparkt.

Der eine Gedanke: Sie müssen die Tür aufbekommen und das Feuer löschen, das immer stärker wird. Der Verletzte hat Angst zu ersticken. Er klagt, er bekomme keine Luft mehr.

Jemand bringt einen Feuerlöscher, aber der funktioniert nicht. Claudia Hentrich beginnt, andere Autofahrer zu stoppen, fragt nach Decken oder Feuerlöschern. Manche, hat sie den Eindruck, reagieren widerwillig. Ein Paar hat ein Paddel dabei. Claudia Hentrich lässt keine Einwände gelten: Sie braucht das Paddel als Hebel, um den Verletzten durch die himmelwärts gerichtete Fahrertür befreien zu können. Eine Rettung in letzter Minute. Als der Mann auf dem Seitenstreifen liegt und das Bewusstsein verliert, brennen Auto und Baum lichterloh.

"Fünf Minuten später, und wir hätten ihn nicht mehr aus dem Auto retten können", spricht Thomas Hentrich von ätzenden Dämpfen aus dem Innern des Wagens. "Irre lange kam uns die Zeit vor, bis Hilfe kam."

Später, während des geplanten Rundflugs, sieht die Familie den Rettungswagen von der Luft aus noch immer an der Unfallstelle stehen. Hoffentlich ist das kein schlechtes Zeichen, denkt Claudia Hentrich. Sie wird nicht erfahren, wie es dem Verunglückten ergangen ist. Das bedauert auch Rettungsarzt Dr. Hartwig Marung Doch selbst die Profi-Retter werden darüber nicht informiert. Datenschutz.

Herzinfarkt im Segelflieger

Ihn wundert nur, wie gefasst er geblieben ist. Fast kühl. Gerhard Windhuis hat gehandelt wie ein Automat, beherrscht von nur einem Gedanken: "Zehn Minuten hast du Zeit, dann musst du unten sein."

Und so schaffte er die erste Landung seines Lebens in sieben Minuten – und rettete das Leben seines Fluglehrers, der in 970 Metern Höhe einen schweren Herzinfarkt erlitten hatte und hinter ihm in dem Segelflieger bewusstlos zusammengebrochen war.

Monate später sitzen beide auf der Terrasse des Flughafenrestaurants – Günter Schmidt und sein Lebensretter. Startende und landende Flugzeuge übertönen hin und wieder das Gespräch.

Am Nachbartisch sitzt eine Lufthansa-Crew. Auch Flugschüler von Günter Schmidt fliegen heute als Profis Verkehrsmaschinen. Schmidt war immer Sportflieger. Segler und Motorsegler. Seit 1955. "Ich war 45 Jahre Fluglehrer", sagt er. Seit dem Tag, den er als zweiten Geburtstag feiert, ist es damit vorbei.

Es war ein Sonntag. Das Wetter war nicht so gut, die Thermik zerrissen. Schmidt hat keine Erinnerung daran. Aus späteren Erzählungen weiß er, dass er versucht hat, sich weiter und weiter nach oben zu schrauben. "Wir wollten oben bleiben, wir wollten es den anderen zeigen", sagt Gerhard Windhuis.

Im Luftraum in der Region Braunschweig waren sie zehn Kilometer vom Platz entfernt, als der Flieger über die rechte Tragfläche abkippte. Der Flugschüler wusste nicht, was los war. "Günter, was machst du?", brüllte er nach hinten. Eine Antwort bekam er nicht. Das Flugzeug war führerlos.

"Ich hab nur gedacht: Jetzt zeig, was du gelernt hast." Mit aller Kraft trat Windhuis in die Pedalen, versicherte sich, dass er Funkkontakt hatte. Heute denkt er ab und zu darüber nach, ob er schon von der Luft aus den Rettungswagen hätte rufen lassen sollen. Aber damals hatte er die Notsituation verschwiegen – aus Angst, sie könnten ihm vom Boden aus durcheinander bringen. "Ich wollte nicht verrückt gemacht werden." Er habe in diesem Moment keine Sekunde an sich gezweifelt. Da war nur die Sorge, vielleicht nicht schnell genug nach unten zu kommen.

Wie ein Uhrwerk hat dann alles ineinandergegriffen. Das war die Rettung. Um 15.07 Uhr die Landung. Um 15.10 Uhr war der Rettungswagen vor Ort. Günter Schmidt hat den zeitlichen Ablauf genau rekonstruiert. Zahlen, die seinem Retter wenig bedeuten: Die drei Minuten, in denen sie den 73-Jährigen aus dem Fliegersitz zerrten und auf den Notarzt warteten, erschienen Windhuis wie eine Ewigkeit. "Danach", sagt der 58-Jährige, "hab ich erst mal 'ne Runde geheult."

Schmidt musste reanimiert werden. Noch Stunden später glaubten die Ärzte nicht daran, dass er überleben würde. Heute gibt ihm Gerhard Windhuis schon mal gute Ratschläge, sich um seine Gesundheit kümmern. Er fühlt sich irgendwie für den Freund verantwortlich.

Windhuis träumt eigentlich nie. Seitdem aber ist er immer wieder mit dem Flieger gelandet im Schlaf. "Es ist immer gut ausgegangen."